Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as part of a project
to make the world's books discoverablc onlinc.
It has survived long enough for the copyright to cxpirc and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the
publisher to a library and fmally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrainfivm automated querying Do nol send aulomated queries of any sort to Google's system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each file is essential for informingpeopleabout this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countiies. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
About Google Book Search
Google's mission is to organize the world's information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world's books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full icxi of this book on the web
at |http: //books. google .com/l
^u:s,-.>"-. •::■•■^*•
n
\ \^^^jm^^^^^^^^^^^^^^^l^j^^^^^^g
\"n
g
p
Ë
li
"iiiHiiiiiinniiiiiïï
HiMiiiTiimiB.hiiiï»iiflTiHiiiililïiiiifiïïM.nfMffiMa
M AGALHAES - STRASSE
^ .•
UND
AUSTRAL-CONTINENT
AUF DEN GLOBEN DES JOHANNES SCHONER.
BEITRARF. ZUR OESCIIICHTB DER ERDKUNDE IM XVI. JAHRHUNDERT
TOH
Dr. FRAltZ WIESER,
A. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITAET IN INNSBRUCK.
MIT FÜNF KART EN.
i I
INNSBRUCK.
VERLAG DER W A G N E R 'SCHEN UNIVFJtSITAETS-BUCHHANDLUN(ï.
I881.
mÊDsm
Amsammmmm
■ innnn.iiiiiiiiiiii iiiimninii
l lllllllïï|l ti|i|ll]|!Mlffilipt
:^)JllllllilJlllllll^)!J»lllUllMlllllilUlMllltü"^^|''l'''L''ül^^UJl^l^
iü
ws
DRUCK DER W AON E R*8CHBN UtfIV.-BUCHDRÜCKEREI.
k
HERRN HOFRATH
PROFESSOR D-' JULIUS FICKER
IN DANKBARER VEREHRUNG GEWIDMET
VOM VERFASSER.
VORWORT.
Die vorliegende Arbeit behandelt mehrere Fragen
aus der Gefchichte der Erdkunde in den erften Decenniën
des XVI. Jahrhunderts, die bei der tief einfchneidenden
Bedeutung diefer Periode für die Entwickelung der geo-
graphifchen Wiflenfchaft eine eingehendere Befprechung
wol verdienen. .
Die Löfung des Problemes, das ich zum Ausgangs-
punkte meiner Unterfuchung gewahlt, bot reichlich Ge-
legenheit, auch benachbarte Gebiete zu berühren, und
es bildet die Beantwortung der eingangs geftellten Frage
thatfachlich nur den Rahmen , der eine ganze Reihe von
hiftorifch - geographifchen Special - Unterfuchungen um-
fchliefst.
So werden u. A. für die nachfolgenden Themata neue,
und wie ich hoffe, nicht ganz unwichtige Beitrage geboten :
Die alteften kartographifchen Denkmaler mit dem
Namen America (Cap.3.); das frühefte Vorkommen des
Namens Brafilien (BeilageL); das allmalige Auftau-
chen eines Sten Erdtheiles, und die Einführung der
Bezeichnung ^^ Aus tralis Terra* in die geographifche
— VI —
Nomenclatur (Cap. 7.); der anonymeReifebericht ^Copia
der Newen Zeytung aufs Presillg Landt* (Cap. 4.
und Beilage L); dieWeltkarte des Lionardo da
Vin ei (Cap. 6.), und die des Orontius Finaeus (Cap. 7.
u. 8.); mehrere bis jetzt unbekannt gebliebene geo-
graphifche Arbeiten des Joh. Schoner (Cap. 3.
u. 8.) etc.
Die zahlreich eingeftreuten bibliographifchen Notizen
ftehen in engem Caufal-Zufammenhange mit der Eigenart
des ganzen Forfchungsgebietes. Denn Gutenberg's junge
Kunft hat ja nicht wenig beigetragen zur rafchen Ver-
breitung und Popularifierung fowol der transoceanifchen
Entdeckungsberichte, als auch der geometrifchen und
kartographifchenDoctrinen des neuerweckten Ptolemaeus.
Wenn das literarifche Material vielleicht nicht immer
in d e r Vollftandigkeit herangezogen fein foUte , wie ich
es wol gewünfcht und angeftrebt, fo hat das in der
Mannigfaltigkeit und fchweren Zuganglichkeit deflelben
feinen Entfchuldigungsgrund. Jeder, der felbft das Fort-
fchreiten der geographifchen Erkenntnis im Zeitalter der
Entdeckungen zum Gegenftande fpecieller Unterfuchungen
gemacht, wird zur Genüge erfahren haben, ^ie fehr durch
die Zerftreutheit und bibliographifche Raritat der Litera-
tur die Arbeit auf diefem Geblete oft gehemmt und er-
fchwert wird. Macht fich diefer Umftand fchon an grofsen
Bibliotheken geitend, um wie vielmehr erft hier, wo es
haufig genug felbft am Gewöhnlichften gebricht.
Ich erfülle eine angenehme Pflicht , wenn ich allen
Jenen, die mich in der Befchaffung der literarifchen Be-
helfe für meine hiftorifch-geographifchen Studiën unter-
ftützten, auch bei diefer Gelegenheit meinen warmften
— VII —
Dank ausfpreche, insbefondere den Herren: Hofrath
C, Halm und Oberbibliothekar G, Laubmann inMün-
chen, und Bibliothekar R. Koehler in Wei mar.
Mit wehmuthsvoUer Empfindung gedenke ich hier
noch meines theueren Lehrers und Freundes, Prof. Dr.
J. E. Wappaeus, der der Wiffenfchaft und uns zu früh
entriffen worden ift. Seit Jahren hatte er meinen geo-
graphifchen Studiën liebevoUe Theilnahme gewidmet;
ihm verdankt auch die vorliegende Arbeit mannigfache
Anregung und Förderung. Have pia anima!
Innsbruck, Auguft 1880.
I.
Der Nürnberger Globus Schöner's vom J. 1520,
Johannes Schoner*) — geboren 1477 zu Carl-
ftadt in Franken, geftorben 1S47 als Profeffor der Mathe-
matik in Nürnberg — fchrieb zahlreiche Werke über Ma-
thematik, Aftronomie (haufig genug auch Aftrologie) und
Geographie, und machte fich aufserdem durch die Heraus-
w
') Ich fchreibe „Schoner** und nicht „Schoner" wie Alex.
V. Humbolclt, O. Pefchel, A. Ziegler u. A., weil er felbft die erftere Form
in (ammtlichen deutfch gefchriebenen Werken gebraucht; nur in feinen
lateinifchen Schriften findet fich die latinifierte Form „Schoner", oder
Schonerus" neben dem deutfchen „Schoner". Ueber Leben und Werke
Schöner's vergl. : Doppelmayr „Hiftorifche Nachricht von d. Nürn-
berger Mathematikern und Künftlem". Nürnberg 1730; Will und
No pit f ch „Nürnberger Gelehrten-Lexicon", Nürnbg. 1757 ff. Bd. III.
und VIII. 5 F. W. Ghillany „l^er Erdglobus des Martin Behaim vom
J. 1492 und der des Joh. Schoner vom J. 1520'*. Nürnbg. 1842; F.
A. de Varnhagen ^Ja Schoner e P. Apiauus (Bencwitz) iufluencia
de um e outro e de varios de seus contemporaueos na adop^do do
nome America etc** Vienna 1872. — Es fei hier auch darauf aufmerk-
fam gemacht, dafs fich der literarifche Nachlafs Schöner's gegenwartig
auf der Hof-Bibliothek in Wien befindet Ich habe dort mehrere Co-
dices eingefehen und excerpiert, welche (Ur die Charactcrifierung unfcres
Kosmographen, fowie für die Gefcliichte der Erdkunle im XVI. Jahrh.
überhaupt mancherlei nicht unwichtiges Material enthalten.
W i e • e r I llagaUiA«a-8tniMe. I
— 2 —
gabe mehrerer Schriften von Regiomontanus und Joh.
Werner um die Wiffenfchaft verdient. Seine Arbeiten
fanden ungetheilten Beifall, allgemein ftand er in dem Rufe
eines der bedeutendften Mathematikers und Kosmogra-
phen feiner Zeit. Dafs aber fein Andenken nach Jahrhun-
derten noch fortlebt, das verdankt er in erfter Linie einem
grofsen Erd-Globus vom J. i520, der jetzt auf der Stadt-
BibUothek in Nürnberg bewahrt wird. Neuerdings lenkte
diefer die Aufmerkfamkeit der Gelehrtenkreife auf fich
namentlich als einer der früheften in Deutfchland ge-
machten Ver fuche, die grofsen atlantifchen Entdeckungen
kartographifch zu fixieren. Bis ganz vor Kurzem galt die
Erdkugel Schöner's, neben der gleichalterigen Karte
^Typus orbis universalis* etc. von Petrus Apianus, *)
ais die erfte Karte, auf welcher die neue Welt den Namen
^America* tragt.
Schoner unterfcheidet auf feinem Globus in den neu-
entdeckten atlantifchen Landerraumen fiinf abgefonderte
Partieen ^) :
*) Publiciert zuerfl in der Ausgabe des Solinus von J. Camers,
Viennae Austriae 1520, und dann in der zweiten Edition des Pom-
ponius Mela von Joachim Vadian, Basileae 1522.
*) Vergl. die Zeichnung auf Tafel I, die indeflen nur im Allge-
meinen zur Orientierung dienen kann, da der Durchmeffer des Originales
nicht weniger als 3 Nümberger Fufs r= 2 Par. F. 8'' betragt. Eine
etwas kleinere Abbildung der wefllichen Hemisphare hat Ghillany
1. c. publiciert, und eine andere in ungleich gröfserem Mafsflabe — doch
auch noch ftark reduciert — in feinem gründlicheti Werke „Gefchichte
des Seefahrers Ritter Martin Behaim, nach den alteften vorhandenen
Urkunden bearbeitet". Nümbg. 1853. Eine weitere Copie enthalt der
„Atlas composé de mappemondes et de cartes hydrographiques et histo-
riques depuis Ie Xle justqu* au XVIIe siècle pour la plupart inédites" etc.
von Vic. de Santa rem. Paris 1842 ff. Nr. 75. Eine kleine Skizze
der Weft-Hemisphare des Globus ' fïndet Ach u. A. auch in dem Atlas
zu Joach. LelewePs: „Géographie du moyen dge", Breslau 1851,
— 3 —
I. einen arktifchen Theil ,,Terra Corterealis';
2é einelanggeftrecktelnfel mit der Bezeichnung ^Terra
de Cuba*;
3. die Antillen-Infeln;
4. den eigentlichea Continent ,,Terra Nova. America
vel Brasilia sive Papagalli Terra'; undendlich
5. ein grofses antarktifches Land ^Brasilia inferior*.
Eine Infchrift in der Nahe des Südpoles belehrt uns
in etwas holperigen lateinifchen Hexametern, dafs derGlo-
bus auif Koften des Joannes Seyler verfertiget fei von Jo.
Schoner
„quando salutiferi partiis nameravimus annos
Mille et quingentos et quatuor addita lustra".
Zum Ueberflufs ift die Jahreszahl 1 5 2 o auch noch in
grofsen goldftrahlenden Ziffern beigefetzt^ fo dafs alfo über
die Zeit der Anfertigung unferer ^sphaera* kein Zweifel
obwalten kann.
Mit Verwunderung betrachten wir das für feine Zeit
auffallend getreue Bild von Süd- America, und unfer Er-
ftaunen wachft, wenn wir beachten, dafs ungeföhr an der
Stelle, WO wir heute die Magalhaes-Strafse zu fehen ge-
wohnt fmd, bereits eine Durchfahrt aus dem atlantifchen
in den grofsen Ocean angegeben ift.
Bekanntlich verliefs Magalhaes mit feinem Gefchwader
am 20. September iSigSpanien, und gelangte am 21. Oc-
tober des folgenden Jahres an den Eingang der Enge,
welche heute feinen Namen tragt; die Heimat aber erreichte
Planche 46; die americanifchen Partieen find abgebildet in J. G.
Kohl: „History of the discovery of Maine*', Portland 1869 („Documen-
tary History of the State of Maine, edited by William Willis", Vol. I.)
und J. G. Kohl: „Gefchichte der Entdeckungsreifen und Schifffahrten
zur Magellans-Strafse und zu den ihr benachbarten Landem und Meeren".
Berlin 1877. (Aus der Zeitfchrift der Gefellfchaft fiir Erdkunde in
Berlin, Bd. 40.).
— 4 —
die Victoria, das einzige noch übrig gebliebene Schiff der
Flotte erft am 6. September 1S22. AUerdings war eines
der Fahrzeuge, der S. Antonio, nachdem es bei einer Re-
cognoscierung die Gefahrten aus dem Auge verloren, in der
Strafse felbft umgekehrt; allein auch dieses gelangte erft
am 6. Mai i52i nach Spanien ^). Davon kann alfo nicht
die Rede fein, dafs Schoner zur Zeit, als er die füdliche
Durchfahrt in fein Weltbild eintrug, bereits Kunde von der
Entdeckung des grofsen Portugiefen befafs.
Die Frage wird wenig klarer, wenn wir aus gleichzei-
tigen Quellen erfahren, dafs Magalhaes fchon vor feiner
Abreife die Strafse in einer Karte des deutfchen Kosmo-
graphen Martin Behaim verzeichnet gefehen habe 2).
Bei dem Ruhme , den Behaim als kühner Seefahrer
genofs, lagNichts naher, als anzunehmen, er habe von fei-
nem früheren Aufenthaltsorte — der azorifchen Infel Fa-
yal — aus eine Expedition nach den neuentdeckten Land-
fchaften im Weften des atlantifchen Oceans unternommen,
und fei bei di^fer Gelegenheit bis zur fpateren Magalhaes-
Strafse vorgedrungen ^). Ja man dachte fogar allen Ernftes
1) Die auf die Expedition des Magalhdes bezüglichea Documente
fmd abgedruckt in M. F. de N a v a r r e t e : „Gjleccion de los viajes
y descubrimientos , que hicieron por mar los Espaholes desde fines
del Siglo XV. *^ Tomo IV. p. iio flf.
2) Cf. die betrefFenden Stellen aus A. Pigafetta's Bericht über
die Fahrt des Magalhaes und aus A. de Herrera: ,,Historia general
de los hechos de los Castellanos en las islas y tierra firme del mar
Oceano" etc. unten p. 49 f.
8) Diefe Fahrt könnte nur in die Zeit zwifchen 1494 (bis zu wel-
chem Jahre wir den Aufenthalt Behaim*s verfolgen können) und 1507
(feinem Todesjahre) fallen. Früher hat man fogar, blos auf eine mifs-
verftandene Stelle in der Weltchronik des Hartmann Schedel (Nüm-
berg 1492) und vage Vermuthungen einiger fpaterer Schriftfteller ge-
ftützt, angenommen, Behaim habe die neue Welt vor Chr. Colón ent-
deckt. Diefe Behauptung wurde zuerfl ausgefprochen von J. Ghr. W a-
genseil in feiner panegyrifchen Schrift „Sacra parentalia" etc. 1682,
- 5 —
daran, die Magalhaes-Strafse in ^Behaim-Strafse* umzu-
taufen i).
Die Anhanger dieserHypothefe betrachteten begreif-
licherweife den Schöner'fchen Globus als willkommene
Stütze ihrer Anficht. So ift namentlich der bedeutendfte
unter den neueren Biographen Behaim's, F. W. Ghillany,
noch immer geneigt, fpeciell mit Rückficht auf die Zeich-
nung Schöner's, eine felbftandige Entdeckung der Strafse
und zwar mit bewufster EDtflelluog der Thatfachen. Ihm fchloiTen Cich.
dann viele Autoren^ namentlich Nüraberger Gelehrte an. Dagegen hat
der ehrliche E. Tozen in Goettingen die Willkürlichkeit imd Unrich-
tigkeit diefer Behauptung mit grofsem Nachdruk dargethan in feinem
Buche: „Der wahre und erfte Entdecker der neuen Welt, Chriftoph
Colon, gegen die ungegründeten Anfprüche, welche Americus Vespucci
und Martin Behaim auf diefe Ehre machen, vertheidiget". Goettin-
gen 1761. Cf. auch Chr. G. von Murr: „Diplomatifche Gefchichte
des portugiefifchen berühmten Ritters Martin Behaim*'. 2te Ausgabe
Gotha 1801 p. 73 flf. In neuerer Zeit verfechten diefe patriotifche Hy-
pothefe von der Entdeckung America's durch den deutfchen Seefahrer
und Kosmographen nur noch mitunter patriotifche Deutfch-Amerikaner ;
vergl. u. A. auch Fr. Löher: „Gefchichte und Zuflande der Deutfchen
in America". Cincinnati 1847 p. 3.
*) Wilh. Po ft el in feinem „Compendium geographicae disci-
plinae** 1561, Cap. II. p. 22: „. . . . ad 54. grad. , ubi est Martini
Bohemifretum, a Magaglianesio Lusitano alias nuncupatum" ; ebenfo
beftimmt fpricht er auch in der Schrift „De Universitate lib. I. und II.
von einem fretum Martini Bohemi". Auch der gelehrte Geo-
graph B. Varenius war der Anficht, dafs die füdliche Durchfahrt
fchon vor der Reife des MagalhSes bekannt gewefen fei. „Sic per
fretum Magallanis fertur mare ab Oriente in Occidentem motu incita-
tissimo, ut inde Magallanes (vel qui ante Magallanem idde-
texit, ut volunt) coniecerit fretum, per quod ex Atlantico in Pacifi-
cum Oceanum pervenitur". (Geographia generalis, Amstelodami 1671
p. 169). Wie mangelhaft übrigens der geiftvolle Geograph und fcharf-
(Ichtige Naturbeobachter in diefen hiftorifchen Fragen orientiert war, be-
weift er an einer andern Stelle, wo er behauptet, Vasco Nunez Balboa
habe fchon 1513 die Strafse gefehen (1- c- P* 200 f). Vergl. Ilumboldt,
kritifche Unterfuchungen I. 296 n.
— 6 —
durch Behaim anzunehmen, und plaidiert daflir, dafs die-
felbenach demdeutrchenKosmographen benanntwerde^).
Auch Al. Zie gier fcheint eine Fahrt Behaim's nach den
(udamericamTchen Geftaden für wahrfcheinlich zu halten 2).
O. Pefchel unterziehtin feinen beiden Werken «Ge-
fchichte des Zeitalters der Entdeckungen* und .Gefchichte
der Erdkunde' unfere Frage einer eingehenden Befpre-
chung. Sein Urtheil geht dahin, dafs ^eine frühzeitige
Entdeckung der patagonifchen Strafse, um welche Behaim
gewufst, und die man in Portugal aus Eiferfucht gegen Ca-
ftilien verheimlicht habe, nicht ftattgefunden* ; dafs abèr
.Magalhdes eine Seekarte Behaim's gefehen haben kann,
welche an der Oftküfte Süd-America's unter höheren ant-
arktifchen Breiten eine Durchfahrt nach der Südfee ver-
hiefs, dürfe nicht gelaugnet werden, feit man in Nürnberg
felbft eine Erdkugel des Joh. Schoner vom J. i520 ent-
deckt, auf welcher fcheinbar Südamerica in feinen Haupt-
zügen deutlich uns entgegentritt, und unter 45 ® f. Breite
mit einem namenlofen [?] Continent, den man als das ge-
fpenfterhaft aufgefchwoUene Feuerland erklaren dürfte,
eine Strafse bildet, die man leichtmit demMagalhaefifchen
Seeweg verwechfeln möchte*^). Schoner könne ^aller-
dings Karten von Behaim's Hand befeffen haben* *).
Abgefehen von den Arbeiten Ghillany's und PefcheFs
wird indeffen bei der Befprechung unferer Controverfe
faft durchaus das Hauptgewicht auf Behaim gelegt, und
die antarktifche Strafse auf dem Globus SchÖner's erfahrt
1) „Gefch. d. Martin Behaim'' p. 62 ff.
*) „Martin Behaim aus Nümberg, der geiftige Entdecker America's".
Dresden 1859, p. 7. u. 35 ff.
•) „Gefch. des Zeitalters der Entdeckungen". Stuttgart 1858,
p. 617 f.
*) „Gefch. der Erdkimde" MÜnchen 1865, p. 252. (2te Auflage
herausgegeben von S. Ruge 1877, p. 277).
— 7 —
entweder gar keine oder nur nebenfachliche Berückfich-
tigung.
So erwahnt Alex. v. Humboldt, der in feinem
grundlegenden Werke ,,Examen critique de Thistoirede
la géographie du Nouveau Continent* etc. das Verhaltnis
Behaim's zur Entdekung von America in der ausführlich-
ften Weife erörtert, und auch die SchönerYche Erdkugel
wiederholt befpricht i), die fudliche Durchfahrt auf diefem
Globus mit keiner Silbe. Und in feiner Arbeit «über die
alteften Karten des neuen Continentes und den Namen
America* ^) conftatiert er einfach die Thatfache, dafs Jen-
feits einer Meerenge, als ware es die Magellaens-Strafse,
ftatt des Archipel des Feuerlandes ein ungeheures Südland
vorliege'3). Die neueren Forfcher auf dem Gebiete der
Gefchichte des Zeitalters der Entdeckungen befchranken
fich bezüglich des Schoner' fchen Globus haufig darauf,
hervorzuheben, dafs fich aufdemfelben der Name America
bereits eingetragen finde*).
Joachim LeleweH) undj. G. KohH) laffen fich
auf eine nahere Unterfuchung der angeregten Frage nicht
ein, fondern weifen nur kurz darauf hin, dafs der Zeich-
*) 1. c. deutfche Ausgabe von J. L. ld e Ier, Berlin 1852, Bd. I.
p. 248 ff. und 306 f.
') Abgedruckt als Einleitung zu Ghillany*s Gefchichte des Martin
Behaim p. i — 12.
•) 1. c. p. 9.
*) Cf. u. A. F. A. de Varnhagen: „Nouvelles Recherches sur
les demiers voyages du Navigateur Florentin, et Ie reste des documents
et éclaircissements sur lui". Vienne 1869. p. 20, und derfelbe „Joh.
Schoner e P. Apianus" etc. Vienna 1872 p. 46 ff.
6) „Géographie du moyen dge", Breslau 1852, p. 164.
*) „Die beiden alteften General- Karten von America, ausgefUhrt
in den Jahren 1527 und 1529 auf Befehl Kaifer KarPs V." Weimar
1860, p. 33 und 151. Vergl. auch „Gefchichte der Entdeckungsreifen
und Schiflffahrten zur Magellan-Strafse etc." Sep. Abdr. p. 7 f.
— 8 —
nung Schöner's keine neuen Entdeckungen zu Gninde lie-
gen, die Strafse in derfelben vielmehr blos den allgemeinen
Anfchauungen jener Zeit entfprechend dargeftellt fei.
Die Möglichkeit einer Entdeckung der Durchfahrt
vor Magalhaes ifl; dagegen wieder nachdrücklich betont
worden vonH. Harriffe, dem ausgezeichneten Kenner der
Entdeckungsgefchichte America's 1). Und Rev. Mytton
Maury vertritt neuerdings ganz entfchieden die Anficht,
M. Behaim fei der wahre Entdecker der patagonifchen
Enge 2). —
So gehen alfo die Anfichten über unfere Frage noch
fehr auseinander; eine abrchliefsendeErklarung liegt nicht
vor. Bedenken ^ir aber, welch' hohes wiffenfchaftliches
Interefle fich an die Auffindung jener Durchfahrt knüpft,
und betonen wir weiter — fpatere Refultate unferer Un-
terfuchung anticipierend — , dafs gerade die Schöner'fche
Darftellung jener entlegenen Erdraume durch lange Zeit
hindurch auf die Kartographie einen mafsgebenden Ein-
flufs ausgeübt hat, fo dürfte es kaum als ein müfsiges Un-
ternehmen erfcheinen , wenn wir es verfuchen , der Ent-
ftehung jenes rathfelhaften Kartenbildes nachzugehen, die
*) ^Bibliotheca Americana vestutissima , a description of works
relating to America published between the years 1492, and. 1551".
New-York 1866. p. XLIX. und 175 f. Vergl. unten p. 47 n. 2
und Beilage I. Das Werk ift mit flaunenswerther Gelehrfamkeit und
feltener Gewiflenhaftigkeit gearbeitet, und kann geradezu als Mufler
einer Scht wiffenfchaftlichen Bibliographie bezeichnet werden.
*) „Circumstancial evidence, of a very strong character, leads to the
belief that he (Martin Behaim) was actually the discoverer of the straits
called after Magellan. . . . Taking all the evidence into consideration it
would seem , that the facts in the cose not simplyallow, but
compel us to regard Martin as the original discoverer of the strait".
(„On Martin Behaim's globe, and his influence upon geographical science"
im Journal of the American geographical Society of New-York. Vol.
IV. 1873. p. 446 f.)
— 9 —
fcheinbar fich widerfprechenden Thatfachen mit einander
zu verknüpfen , und fo den verhüUenden Schleier endlich
zu heben, welcher über der antarktifchen Enge auf dem
SchönerYchen Globus ausgebreitet liegt.
TI.
Die Quellen Schöner's.
Einè quellenmafsige Kritik des Schöner'fchen Globus
ift auffallenderweife noch nie durchgeführt, kaum flüchtig
verfucht worden i). Und doch gibt es keinen anderen Weg,
um den Werth und die Bedeutung jener feltfamen Enge,
welche auf demfelben den atlantifchen Ocean mit der Süd-
fee verbindet, zu ergründen, um zu erfahren, ob wir es hier
mitderkartographifchenFixierung einer frühenEntdeckung
zu thun haben, die fpater unverdientem Vergeflen anheim-
gefallen, ob uns in jenem Bilde vielleicht dasRefultat fcharf-
finniger Combination vorliegt, oder ob es fich nur um das
Erzeugnis einer allzu regen Einbildungskraft handelt.
Es kann hier natürlich nicht meine Aufgabe fein, das
Schöner'fche Weltbild in feiner Gefammtheit kritifch zu
*) Auch der Globus M. Behaim's ift niemals nach feinen Quellen
erfchöpfend unterfucht worden. Ghillany begnügt fich mit einer
dürftigen rein aufserlichen Befchreibung , wahrend es doch gewifs eine
fehr dankenswerthe Arbeit gewefen ware, zu zeigen, auf welche Weife
jenes merkwürdige Bild des damaligen geographifchen Wiflens zu Stande
gekommen, und welche Bedeutung dasfelbe fUr die Gefchichte der Kar-
tographie und der Erdkunde überhaupt befitzt, Auch in dem erwahnten
Essay von Rev. Mytton Maury „On Martin Behaim*s globe" ift
diefe Aufgabe nicht abfchliefsend gelost.
— lO —
zergliedern. Ich befchranke mich auf feine Darftellimg der
neuentdeckten Lander, fpeciell jener Partieen, welche zu-
nachft unfere Aufmerkfamkeit erregt haben. —
Urn mit dem kartographifchen Quellen-Ma-
teriale zu beginnen, fo ergibt fich fofort, dafs der Globus
Behaim's von Schoner in weitgehender Weife benützt
worden ift. Die Configuration von Oft-Afien, die indifche
Infelwelt , die fteil von Nord nach Süd verlaufende Küfte
von Nordweft- Afrika etc. : Alles dies ift im Wefentlichen
unzweifelhaft dem ^^Erd-Apfel* Behaim's entnommen. Ob
unmittelbar oder mittelbar, mufs allerdings vorderhand
dahingeftellt bleiben. Auch die Infel Zipangri (oder
Zipangu) des Marco Polo entftammt derfelben Quelle;
hier wie dort zeigt fie jene charakteriftifch rechteckige
Geftalt.
Für die neue Welt aber bot Behaim felbftverftandlich
Nichts. Die kartographifche Grundlage für diefe Gebiete
kann indeffen Jedem, der mit den geographifchen Arbeiten
jener Zeit einigermafsen vertraut ift, kaum lange verbor-
gen bleiben. Es ift die ^Tabula terrae novae* in der
Strafsburger Ausgabe des Ptolemaeus vom J. i5i3, welche
Karte felbft höchft wahrfcheinlich nach einem portugie-
fifchen Originale gezeichnet wurde i).
*) Vergl. [D'Avezac]: „Martin Hylacomylus, WaltzemüUer, ses
ouvrages et ses collaborateurs etc." Paris 1867. p. 151 ff. und H.
Harrisse: 1. c. p. 135 f. Diefe Karte ift getreu nach dem Originale
publiciert von F. A. de Varnhagen in feinen „Nouvelles Recherches
etc. 1869; ^^ ft ark verkleinertem Mafsftabe und nicht durchaus ver-
lafslich, fchon früher von J. Lelewel in feinem „Atlas", Breslau 185 1.
Lelewel verbindet z. B. die „Tabula terrae novae" und die Weltkarte
„Orbis tjrpus universalis juxta Hydrographorum traditionem" oder
„Charta marina" (ebenfalls aus der Ptolemaeus- Ausgabe von 15 13) in
ganz willkürlicher Weife zu e i n e r Karte , und gibt diefem Doppel-
wefen den ebenfo willkürlichen Titel : „Orbis Typus Universalis 1501 —
1504, Hydrographia, Charta marina Portugalensium".
— If —
Die .Tabula terrae novae* gibt die Weftküfte von
America gar nicht, da die neuë Wdt bis an den Rand der
Karte hinausgerückt ift. Auch bei Schoner ift die Weftküfte
öfTenbar blos angedeutet Sie verlauft faft geradlinig, ent-
halt nicht eine einzige Ortsbei^ichnung, und überdies ift
noch ausdrücklich bemerkt: , Ultra incognita permansit*
und ^Ultra nondum lustratum*. Die Uebereinftimmung im
Verlaufe der ganzen Oft-Küfte ift unverkennbar. Wir fin-
den da diefelben Halbinfeln und Meerbnfen, diefelben
Flüfle, diefelben Infeln. Als befonders charakteriftifch fiir
diefes Quellenverhaltnis ift hervorzuheben jener halbkreis-
fbrmige Grolf im nördlichen Theile der neuen Welt, wel-
cher nach Lage und Geftalt an den freilich erft fpater ent-
deckten Grolf von Mexico erinnern könnte *); weiter die
*) J. G. Kohl fchreibt in feiner „History of the discoveiy of
Maine" Portland 1869, p. l6l : „Schoner, or his Spanish original,
must have known something of the expeditions of Ponce de Leon to
Florida in 15 13, and of the first exploring voyages to the Gulf
of Mexico; for he plainly depicts both the gulf and peninsula of
Florida*. Auch R. H. Major („Memoir on a mappemonde by Leo-
nardo da Vinci etc" London 1865. P- I4« [Sep. Abdr. aus Archaeo-
logia, VoL 40]) halt diefe Partie auf dem Globus Schöner's für den
Golf von Mexico. Diefe Vermuthungen find aber völlig unhaltbar.
Die „Tabula terrae novae" der Strafsburger Ausgabe von 15 13 kann
unmöglich die Refnltate der Expedition des Ponce de Leon und der
erflen Fahrten in den Golf von Mexico gekannt und benützt haben,
um fo weniger, als fie wahrfcheinlich bereits um 1507 gezeichnet wor-
den ift. Das ergibt (ich aus der Vorrede zum zweiten Theile der ge-
nannten Edition, welcher die moderne Geographie behandelt, und dem
natürlich auch die „Tabula terrae novae** angehört Es heifst dort:
yyUobile hoc opus a sexennali sopore per nos tandem exci-
tatum est", (cf. Humboldt „Kritifche Unterfuchungen" II. p. 365 n.
und D'Avezac „Martin Hylacomylus" p. 153). Die Karte ift übrigens
auch fchon vor 15 13 publiciert worden. Das ebenfo feltene als in-
tereflante Weltbild in Joh. de Stobnicza's „Introductio in
Ptholomei Cosmographiam", Cracoviae 1512, ift Nichts An-
deres, als eine robe Copie von unferer „Tabula terrae
— 12 —
hammerförmige Geftalt von Cuba, fowie die irrthümliche
Bezeichnung Isabella für diefe Infel *). Auch die Namen
der Küftenpunkte ftimmen der Reihe nach auf beiden Kar-
ten mit einander überein, vom aufserften Nordpunkte ^C.
del mar usiano' ^) bis zur (lidlichften benannten Stelle ^Rio
nova e", refp. derenVorlage; das beweifen Zeichnung und Eigen-
namen unwiderleglich. Die Karte Stobnicza's ift neuerdings von dem
rühmlichil bekannten Bibliographen Frederik Muller in Amfterdam
nach dem Exemplare auf der Wiener Hof-Bibliothek photographiich
facfïmiliert wordeiu (Leider „only 5 copies printed"! cf. Fr. Muller:
Catalogue of books and pamphlets etc. relating to North and South
America. Amfterdam 1877. p. 220.) Ein Fadimile der Karte findet
fich auch in John Ruffel Bartlett: Bibliographical Notices of rare
and curious books relating to America .... in the library of the late
John Carter Brown. Providence R. J. 1875. (Die Benützung diefes
wichtigen und feltenen bibliographifchen Werkes wurde mir durch die
freundliche Liberalitat des Herrn Fred. Muller in Amfterdam ermög-
lichet.) Eine ziemlich ftark reducierte Nachbildung enthalt endlich auch
der Auffatz von Charles P. Daly: „On the early history of Carto-
graphy", im Bulletin of the American Geograph. Society 1879. —
Ein glücklicher Zufall liefs mich vor Kurzem eine handfchriftliche Copie
von Stobnicza*s Weft-Hemisphare finden, welche nur wenige Jahre jünger
fein dttrfte, als das Original. Sie rührt von der Hand des bekannten
Poëten und Kosmographen H. Loritus Glareanus (geb. 1488 in
Glarus, geft. 1563 in Freiburg) her, und ift einem Exemplare der „Cos-
mographiae Introductio" von M. Hylacomylus (Ausgabe iiii Kal. Sept.
1507) auf der Univerfitats-Bibliothek zu München beigebunden. Es ift
eine flüchtige Federzeichnung, coloriert und enthalt einzelne Nachtrage
aos anderen Karten. So ift z. B. die neue Welt bereits „Terra
America" benannt. Vergl, noch unten p. 26 n.
*) Colón hatte diefen Namen einer der Bahama-Infeln gegeben,
wahrfcheinlich dem heutigen „Crooked Island", oder nach Anderen
unferem „Long Island". Schoner gebraucht den Ausdruck „Terra de
Cuba" für das Feftland von Nord-America. Beide Bezeichnungen finden
fich wieder auf der Weltkarte des Seb. Münfterin der Bafeler-Ausgabe
von S. Grynaeus: „Novus Orbis" 1532. Auf Stobnicza*s Karte ift der
Name „isabella" auf das Feftland verlegt.
2) Auf der Nachbildung des Schöner'fchen Globus bei Ghillany
y,Gefchichte des Seefahrers Ritter M. Behaim" fteht „C o s i n d' m a r
— i3 —
de Cananor*, einer malabarifchen Umformung von ^R. de
Cananea*. Sammtliche Schreibfehler und Verballhornun-
gen der Namen find mit grofser Gewiffenhaftigkeit aus der
«Tabula terrae novae* herübergenommen. So findet fich
auch hier die berüchtigte ^^abatia omnium sanctorum* *),
urfprünglich eine ^bahia de todos os santos**).
Aus dem Umftande, dafs der Globus mehrere Namen
enthalt, die wir in der ^Tabula terrae novae" vergebens
ananno". Ueberhaupt find auf diefer Copie die Namen fehr oft ge-
radezQ bis zur Unkenntlichkeit verflümmelt.
*) Bei Ghillany ,,Abatia omni se tor"!
*) D. h. „Allerheiligen-Bai", das hetitige Bahia oder S.
Salvador, fo genannt, weil die Bucht am Allerheiligen-Tage entdeckt
worden war.
Die „Abtei fammtlicher Heiligen" begegnet zum erften Male in
der berühmten Schrift des deutfchen Kosmographen Martin Waltze-
müller, oder nach der Sitte jener Zeit gracifiert Hylacomylus:
„Cosmographiae Introductio cum quibusdam Geometriae ac Astronomiae
principiis ad eam rem necessariis, insuper quatuor Americi Vespucii na-
vigationes", S. Deodati 1507. — (Bekanntlich ifl es dasfelbe Buch, in
dem zuerfl der Vorfchlag gemacht wurde, den neuentdeckten Land-
fchaften den Namen America beizulegen). Dort heifst es in der Be-
fchreibung der 4ten Fahrt des Am. Vespucci : „portum tandem unum
invenimuSy quem omnium sanctorum Abbaciam nuncupavimus".
Diefe anachoretifche Lefeart, welche von da ab fich fehr lange mit
zaher Confequenz in den meiflen deutfchen und italienifchen Karten
erhielt, erklart fïch aus einer Verwechslung des fpanifch-portugiefifchen
„bahia" (die Bai) mit dem italienifchen „bad ia** (die Abtei). Wir
dürfen alfo wol nicht den Ueberfetzer der „quatuor navigationes" aus
dem Franzöfïfchen ins Lateinifche (wir kommen noch auf ihn zurück
[Beilage UI.]) fÜr diefen Verflofs verantwortlich machen, fondern die Ver-
wechslung fand fich ohne Zweifel fchon in der italienifchen, mit fpanifchen
und portugiefifchen Wörtem flark verfetzten Original-Ausgabe. In dei
That lautet die betreffende Stelle in den undatierten italienifchen Drucken
„Lettera di Amerigo vespucci delle isole nuovamente trovate in quattro
suoi viaggi" folgendermafsen : „Discoprimo in un porto che li ponémo
nome la badia di tucte e sancti". Vergl. F. A. de Varnhagen;
„Amerigo Vespucci, son caractère, ses écrits etc." Lima 1865 p. 63,
fuchen, müffen wir fchliefsen, dafs Schoner neben diefer
noch andere Karten benützt hat. Wir finden diefen Ueber-
fchufs faft voUftandig in der höchft intereffanten Weltkarte,
welche Joh. Ruyfch (ein Deutfcher, von dem uns leider,
fonft nichts berichtet ift, als dafs er eine der Nordweft-
Fahrten , wahrfcheinlich unter den Cabot oder Cortereal,
mitgemacht) für die römifche Ausgabe des Ptólemaeus
vom J. I 5 08 verfertigte *). Aus diefer Quelle ftammt z. B.
auch der etwas rathfelhaft klingende Name ^Lix Ie o"
an der Nordküfte von Süd - America , offenbar nur eine
Verftümmelung aus [Cabo] de Tisleo^).
Ein kleiner Reft von Namen auf dem SchönerTchen
Globus, welche fich in keiner der genannten Vorlagen
finden, lafst vermuthen, dafs unferem Kosmographen
noch anderes kartographifches Material zu Gebote ft and.
Die central-americanifche Durchfahrt ift weder auf
der ^Tabula terrae novae* von i5i3, noch auf der Karte
des Joh. Ruyfch angegeben ^). Auf der letzteren erfcheint
allerdings das nördliche Feftland von Süd-America ge-
trennt , allein von einer etgentlichen Strafse ift auch hier
nicht die Rede, da Ruyfch die Küftenlinie nicht vollftandig
fodann R. H. Major: Memoir on a mappemonde by Leon. da Vinci
p. Il u. 27 f. und Idem: „The life of Prince Henry of Portugal surnamed
the Navigator and its results". London 1868. p. 384 f
*) Nicht 1507, wie Pefchel meint (Gefch. d. Entdeckungen p. 6i8n.
und Gefch. d. Erdkunde 2te Ausg. p. 27 8n.) Die Karte ift haufig repro-
duciert worden, fo von Santarem, von L e 1 e w e 1, der americanilche
Theil von Humboldt „Aeltefte Karten etc." in Ghillany's Buch. Das
verlafslichfte Facfimile veröflfentlichte F. A. de Varnhagen: „Ainda
Amerigo Vespucci, novos estudos e achegas etc." Vienna d'Au-
stria 1874.
>) Die Form „delisleo" findet fich auf Karte 2 des Atlas zu
Kunftmann's „Die Entdeckung America's" (Monumenta saecularia
der MÜnchener Akademie).
') Auch auf der Karte Stobnicza*s fehlt diefelbe.
— i5 —
auszieht, fondem da, wo die .terra adhuc incognita* be-
ginnt, einfach abbricht.
Dagegen befinden (ich in der koftbaren Karten-
Samndung des Feldzeugmet (Iers Fr. R. v. Hauslab in Wien,
zwei Globen aus dem Anfange des XVI Jahrh., welche
beide die erwahnte mittel-americanifche Meerenge bereits
verzeichnen, und zwar ebenfo wie der SchönerTche, gerade
an der Stelle, wo Colóndie Durchfahrt fuchte *). Es ift nicht
unmöglich, dafs Schoner die aquatoriale Strafse einem die-
fer Globen entlehnt hat. In einem handfchriftlichen Notiz-
buche Schöner^s, das die kaiferl. Hof-Bibliothek in Wien
verwahrt (Miscellan Cod. Nr. 35o5) fand ich eine Karten-
Skizze, wdche — von einigen orthographifchen Differen-
zen abgefehen — genau mit der Weltkarte in der ,Mar-
garita phik)soph]ca* von Gregor Reifch, Argenb'nae
i5i5, übereinftimmt Sie tragt den Titel: Tipus Univer-
safis terrae juxta Modemorum distinctionem et Exten-
sionem per regna et provincias. Auch diefe ill nach der «Ta-
bula terrae novae* der Strafsburger-Ausgabe des Ptole-
maeus von i5i3 gezdchnet, und daher ift das nördltche
Gebtet der neuen Welt, das hier die fdtfame Bezeichnung
^Zoana Mela* fuhrt % mit dem füdlichen Continente ^Paria
sive Brasilia* verwachfen dargeftellt Doch ift auf unferer
Handzeichnung Schöner^s etwas fiidlich vom Wendekreis
d. K. mit anderer Tinte eine Horizontal-Linie quer durch
*) VergL fiber diefe beiden Globen unten p. 27. Auch auf dem
Globus der Lenox-Bibliothek in New- York (ca, 1507) ift eine ceatral-
americanifche Stniise angegeben, zwifchen der «Terra de Brazil' and
der Infel «Zipangri'. Cf. Encyclopaedia Britannica, gth edition, Edin-
borgh 1879, Volnnie X. p. 68 1.
*) Diefe Benennong ift ohne Zweifel aus Cap. 85 der Vicentiner
Raccolta von 1507: y^aesi novamente retrovati etc" entlehnt Cf. auch
Kunftmann „die Entdeckung America V* (Monum. Saecul. d. Mün-
chener Akademie) p. 131.
— i6 —
das Land gezogen mit der etwas orakelhaft gehaltenen
Notiz: ^iste est Q in impress".
Von einer Meerenge im Süden der neuen Welt ift
auf fammtlichen angeführten Karten nicht eine Spur zu
entdecken. —
Die von Schoner benützten Reifefchilderungen
laffen fich ebenfalls aus dem Globus felbft unfchwer be-
ftimmen.
Der leere Raum im Innern fremder Lander, welcher
aus naheliegenden Gründen reichlich genug vertreten war,
wurde von den Kartenzeichnern jener Zeit dazu benützt,
um möglichft farbenprachtige und wunderbar klingende
Schilderungen der betreffenden Gebiete aus alten Autoren
und neuen Reifebefchreibungen anzubringen ; ja nicht fei-
ten füUte man die laftig weifse Flache mit romantifchen
Landfchafts-Skizzen und pikanten Genre-Bildern aus. Auch
Schoner kargt in diefer Beziehung keineswegs, fondern er-
zahlt mit behaglicher Breite von den Merkwürdigkeiten
der Lander, den Sitten der Eingeborenen, ihrer Wohnun-
gen, ihrer Kleidung, refp. dem Mangel einer folchen etc.
in der anfchaulichften Weife. AUenthalben find gröfsere
oder kleinere Notizen angebracht, und an drei Stellen aus-
führliche Excurfe : auf der Infel Zipangri, in der Nordweft-
Ecke von Süd- America und im Süden von Brafilien. Der
Text ift durchweg lateinifch. Die Befchreibung von Zi-
pangri ift dem Globus von M. Behaim und mittelbar dem
Buche des Marco Polo entlehnt. Auch die Quelle fiir die
beiden ziemlich ausführlichen Stellen in Süd- America ift
uns wol bekannt. Sie ift in der berühmten und für die Ver-
breitung der Kunde von den neu entdeckten Landern über-
aus wichtigen Sammlung von Reifeberichten zu fuchen,
welche im J. iSo/ zu Vicenza erfchien, unter dem Titel:
^jPaesi novamente retrovati et mondo novo da Alberico
Vesputio Florentino intitulato". Schon im folgenden Jahre
— 17 —
veröfTentlichte der Mailander Mönch Archangelo Madrig-
nano eine lateinifche Ueberfetzung diefer Raccolta mit der
wenig bezeichnenden Ueberfchrift: «Itinerarium Portu-
gallensium e Lusitania in Indiam et inde in occidentem
et demum in aquilonem*, wahrend doch die Fahrten der
Spanier mindeftens eben fo ftark in der Sammlung vertre-
ten find, als die der Portugiefen. Die Ueberfetzung Madrig-
nano's i(l übrigens eine fehr nachlanige und fehlerhafte ^).
Man würde indefTen irren, wenn man annahme, da(s
Schoner feinen lateinifchen Text aus diefem «Itinerarium
Portugallensium* entnommen babe. Die beiden Redactio-
nen fmd ganz verfchieden und baben mit einander Nichts
zu tbun. Andererfeits i(l es auch fehr unwabrfcbeinlich,
dafs Schoner die italienifche Original-Ausgabe, die über-
haupt nur in fehr wenigen Exemplaren nach Deutfchland
gekommen i(l ^), vor fich gehabt hat Faft unzweifelhaft
benützte unfer Kartograph eine deutfche Ueberfetzung der
.Paesi novamente retrovati*, welche der .wirdige und
hochgelarthe herr JobstRuchamer, der freyen kunde
und artzenneien Doctor* zu .Nüreinbergk nach Christi vn-
sers lieben herren geburdte i5o8 Jare* hatte erfcheinen
laflen: «Newe unbekanthe landte, Und ein neweweldte in
kurtz verganger zeythe erfunden*. Diefe Ausgabe lag Scho-
ner fchon local am nachften, und aufserdem ftand unfer
') Sie wnrde fpêlter von S. Crynaeus in feine grofse SammluDg
von Reifeberichten „Novus Oibis regionum ac insularam veteribos in-
cognitanun'* (Basileae 1532 and dann in mehreren Auflagen) aufge-
Dommen, and fand fo fehr ilarke Verbreitong.
') Gegenwartig befitzen, fo yiel ich erfahren konnte, nor zwei
öffeotliche Bibliotheken in Deutfchland ein Exemplar und zwar die
k. Hof- und die Univeriitats-Bibliothek in München. Das Buch ift
fiberhaupt eine bibliographifche Raritat erflen Ranges. Auf einer Auc-
tion in London (Bolton-Comey sale, Mai 1871) erzielte ein Exemplar
den immenfen Preis von L. 157! Vergl. J. Ruffel Bartlett: Bib-
liographical Notices etc. p. 37.
W i e • e r , llagmUiAes-StraMe. 2
— i8 —
Kosmograph perfönlich in freundfchaftlichen Beziehungen
zu dem hochgelehrten Doppel-Doctor ^), der übrigens —
entre nous gefagt — vom Geifte des Humanismus nicht
gerade übermafsig angekrankelt gewefen zu fein fcheint 2).
DieTextftelle imN. W von Süd- America' ift gröfsten-
theils entnommen dem 88. Cap. bei Ruchamer, welches
über die erfte Reife des Colón handelt, Einzelnes aus Cap.
144. Der zweite Excurs im S. von Brafilién ftammt aus
Cap. 117 und 118 des genannten Buches, und ift Nichts
Anderes , als ein Auszug aus der berühmten „terza gior-
nata" des Amerigo Vespucci, einer Befchreibung feiner
dritten Reife, welche entfchieden am meiften unter allen
Entdeckungs-Berichten das Intereffe des Publicums erregte,
und in zahlreichen Auflagen durch aller Herren Lander
verbreitet war; der ungeheuren Populariteit diefer Schrift
verdankt der Florentiner wol in erfter Linie die Ehre,
dafs wir die neue Welt nach feinem Namen be-
nennen.
*) Ruchamer empfiehlt fchon 15 15 dem bekannten Nürnberger
Gelehrten W. Pirkheimer die kosmographifchen Arbeiten Schöner's auf
das angelegentlichfte , und nennt letzteren confequent in vertraulicher
Weife: „Joannem nostrum Charolipolitanum**. Der Brief Ruchamer's
ift abgedruckt in der Einleitung zu dem gleich naher zu befprechenden
Werke Schöner*s: „Luculentissima quaedam terrae totius descriptie".
Norinbergae 15 15.
*) Wahrhaft Grofses leiftete er in der Ueberfetzungskunft. Der
kühne Entdecker Christobal Colón wird unter feiner Hand zu einem
fanften „Christoflfel Dawber'*, der fpater als Belohnung für feine Ent-
deckungen den eigenthümlichen Titel „ein wunderer des meres" er-
halt [„admirante del mar" im italienifchen Original-Texte]. Alonso Nino,
der Gefahrte des grofsen Entdeckers, wird nicht ohne einen kleinen
KunftgriflF in „Alonsus Schwartze" gennanifiert. Aus Lorenzo di Pier
Francesco de Medici, an den Vespucci's Bericht über die dritte Reife
gerichtet war, macht Ruchamer rafch entfchloffen einen „Laurentius
petri artzte zu Florentia", indem er ohne Zweifel einen Amts- und
Fachgenoffen in demfelben vermuthet.
— 19 —
Es dürfte fich kaum der Mühe lohnen , das Quellen-
Verhaltnis durch eine fpecielle Vergleichung der beiden
Texte im Detail nachzuweifen, um fo weniger, als fich
weder in den citierten Capiteln, noch fond irgendwo in dem
BucheRuchamer's eine Stelle findet, welche zur Annahme
von der ExiftcnK einer fiidlichen Durchfahrt hatte Veran-
lafTung geben können.
ffl.
Der Globus Schöner's vom J. 15 15
Der Globus felbft verweigert nach dem Gefagten hart-
nackig jede Auskimft über die fragliche Strafse. Schoner
hat aber aufser dem Nürnberger Globus noch eine ganze
Reihe kosmographifcher und aftronomifcher Arbeiten pub-
liciert, die wirin unfererFragezum Vergleiche heranziehen
können.
Vor i520 erfchien allerdings nur eine einzige kleine
Schrift geographifchen Inhalts, namlich: ^Luculentissima
quaedam terrae totius descriptio, cum multis utilissimis G>s-
mographiae iniciis etc* Norinbergae i5i3 *). Allein gerade
hier finden wir eine bedeutfame Notiz über die Durchfahrt.
*) Diefe EriUingsarbeit Schöner's erfchien mit UoterilÜtzung des
Joh. Sayler, deflelben Mannes^ auf deflen Kollen aach der Globtis
von 1520 verfertigt worde. Schoner notiert in der Befchreibang der
wichtigften Stadte Europa's (Tract II. cap. 6, foL 30a.) bei Bamberg :
yyibi mens Joannes Sayler de herbipoli ortns, vir utiqae patricius, diser-
tissimas et civinm decos .... Et ut comodias in lacem hic libellus
prodiret, hand mediocrem mihi peconiam mutuo dedit: de cajus lande
multa essent dicenda".
Die in Rede (lehende Schrift Schöner's wurde übrigens zuerft un-
ter dem Titel y^Orbis Typus" ansgegeben. Nachtraglich (aber noch in
2*
— 20 —
lm II. Capitel des II, Tractates (foL 60 ff,) gibt nam-
lich Schoner eine ziemlich ausführliche Schilderung der
neuen Welt: ^De America quarta orbis parte cum aliis
novis insulis appositis" *). Der zuletzt behandelte Theil der
neuen Welt ift die ^Brasiliae regio*. Hier erzahlt nun
Schoner, diefes Land fei vom Cap der guten Hoffnung
nicht gar weit entfernt. Die Portugiefen hatten daher dies
Land umfahren (^circumnavigaverunt itaque Portugalienses
eam regionem"), und hatten da eine Durchfahrt in der
Richtung von Oft nach Weft gefunden , der von Europa
ganz ahnlich (.et comperierunt illum transitum fere con-
formem nostrae Europae .... et lateraliter infra orientem
et occidentem situm."^). Es fei namlich gerade fo, als ob
^emfelben Jahre) fügte der Verfafler eioe Einleitung hinzu, beftehend
aas diverfen Dedications- uad Empfehluags-Schreibeo, lateinifchen Lob-
Gedichten, èioem ausführlichea alphabetifchen Regiller and einem Druck-
fehler-Verzeichois , and gab dam Ganzen dann einen neuen Titel:
„Luculentissima quaedam terrae totius descriptie etc/' Die Paginierung
geht nur durch den „Orbis Typus", und auch die Bogen — , refp.
Quaternionen-Zahlung beginnt hier mit Ai. Es And auch in der That
mehrere Exemplare der Original-Ausgabe des „Orbis Typus" noch jetzt
vorhanden, in denen die fpateren Zufatze fehlen, z. B. auf den Hof-
Bibliotheken zu Wieü und München. (Auch H. Har rif f e, Bibliotheca
Am. Vet. p. 142 f. verzeichnet ein Exemplar). Um Misverilandniffe zu
vermeiden^ citiere ich in der herkömmlichen Weife unter „Lucul. q. ter.
tot. descriptio".
>) Schoner 'lehnt fich in feiner „Lucul. q. ter. t descr.'' vielfach
enge an die „Cosmographiae Introductio'' der M. Hylacomylus an.
Mehrere Stellen find wörtlich herübergenommen. So u. A. der Satz,
der unmittelbar auf die Schilderung von America folgt: „Hunc in mo-
dum terra quadripartita cognoscitur, et sunt tres primae partes con-
tinentes, id est terra firma. Sed quarta est insula, quia omniquoque
mari circumdata conspicitur". (Schoner; fol. 6ib — Hylacomylus^
cap. IX.)
Ebenfo finden lïch auch in fpateren Publicationen Schöner's, z. B. in
feinem „Opusculum geographicum'* (Nürnberg 1533) verfchiedene An-
klange an die „Cosmographiae Introductio''. Vergl. imten Beilage UI.
— 21 —
man durch die Strafse von Gibraltar (^transitum sive stric-
tum Gibel terrae aut Sibiliae*) fiihre, und gegen die Küfte
von Mauretanien hin(ahe, ^ut* — fïigt Schoner hinzu —
^ut ostendet globus noster versus polum antarcticum*.
Von Brafliien könne man dann in ziemlich kurzer Zeit
nach «Malaqua* gelangen.
Es unterliegt wol keinem Zweifel, dafs hier von einer
antarktifchen Strafse, von einem fiidweftlichen See-
wege nach Indien die Rede ift. Und zwar hat Schoner,
wie die Bemerkung .ut ostendet globus noster* Idarlich
beweid, diefe Strafse bereits im J. i5 i5 auf einem
Globus verzeichnet In der That war die ganze
Schrift «Lucul. q. 1 1. descr.* im Grunde Nichts Anderes,
als der erldarende Text zu dem gleichzeitig publicierten
Globus, oder vielmehr den Globen — es handelt fich
ofTenbar um die Abdrücke einer xylographifchen Arbeit —
Schoner fagt namlich gleich in der Zueignung an den Bi-
fchof von Baraberg: ^G>smographiae videlicet epitomae,
quodcanonibussuccinctis, una cumGlobis sphaericis
orbis typum designantibus regulariter justissimeque di,
mensis, jam absolvi et accuratissime perfeci*. Auch J.
Ruchamer fchreibt in feinem in der Einleitung abge-
druckten Empfehlungsbriefe an W. Pirkheimer: Schoner
habe eben ein Werkchen überKosmographie abgefchlof-
fen «una cum solidis orbicularibus sphaeris
correquisitis*. Im Texte felbft wird fortwahrend auf
den .Globus noster Cosmographicus* verwiefen.
Eigene Capitel fmd für die Orientierung auf dem Globus
beftimmt. SoTract II. cap. 3. «De modo inveniendi unam-
quamque regionem aut civitatem , quo in loco sita sit in
globo nostro*; cap. 4. «Quomodo globus cosmo-
graphicusad Orbis situm verum aptetur* etc.
Die f er Globus Schöner's von i5i5 galt bis-
lang für verloren. Ich bin in der angenehmen
— 22 —
Ld^Cf 2 Kxcmplare deffelben namhaft machen
zu konnen, die beide zwar langft bekannty aber mckt
er kannt waren.
Dm eine Exemplar befindet fich in Frankfurt a. If.
Kin Fiicrimile davon wurde von Jomard publiciert in fei-
ncn «Monumcnts de la Géographie, ou recueil d'andeniies
c^rtcMctc.* Nr. i5 u. i6, mitder laconifchenNotiz: «Gfobe
tcrrc^trc de la i'« moitié du XVL siècle*.
1 )aM xwcite Exemplar wird auf der Militar-Bibliotbek
m W o i m a r auf bcwahrt, und ift fchon wiederholt in wif-
ri^tircbaftlichen Arbeiten erwahnt worden. So fpricht
A. V, Ilumboldt die Vermuthung aus*), diefer Globus
(l4mmc wahrfchcinlich aus dem Anfange des XVI. Jahrh.
umi ftebc mit dcm Nürnberger Globus Schöner's von
iiiooder ener Welttafel von 1546 (in .Rudimentorum
(^^<^nu^((rut)hicorum Joannis Honteri G>ronensis libri tres.
Tfjf. iS/H*)») jjin irgend einer Beziehung gemeinfchaft-
liehc^ti Urrprung» odcr gleichzeitiger Anfertigung* ; viel-
Id^^bt reien diefe geographifchen Arbeiten fanuntjich nur
(Mi)\Gct\ einer uiteren, irgendwo in den Archiven Italien's
OiUif S|mnien'M verborgen liegenden Karte.
^) „Krïiiic\ui Uiiierfuchungen etc." I. p. 307, 320, 419. und yydie
SttiUiden Kftrton d. nouen Contlnentes etc." (bei Ghillany) p ii.
') ƒ* Ho n ter CoronentU: Rudimentorum cosmographiae libri
duo et<!. erfchleo bereltM 1534» und zwar in Bafel, und ui dem-
Usïben Jahre auch in Krak au, fp&ter dann (um i Buch vermehrt) io
;(«ihlrelchen AuN({;«iben Ti£;uri, Basileae, Antverpiae etc. Die Krakauer-
AuNgabe von 1534 fcheint bither den Bibliographen entgangen zu fein
(fluch Harrifle kennt Cie nicht). Sie ift wahrfcheinlich die Editio princeps,
und auCierdem noch deshalb von befonderem Intereife, weil fie eine
Weltkarte mit dem Namen America enthèUt, die in fammtlichen Obrigen
AuMgaben fehlt. Ein Exemplar des feltenen BÜchleins bedtzt die Hof-
Bibliothek in Berlin. Die Karte ift nach dem „Typus Orbis Univer-
talis" dei P. Aplanus von 1520 gezeichnet DafTelbe gilt von der Welt-
tafel von 1546, welche Humboldt citiert; diefe fehlt in keiner der fpa-
teren Ausgaben des Honter.
— 23 —
J. G. K o h 1*) deutet ebenfalls flüchtig auf die Mög-
lichkeit hin, dafs beide Globen, der zu Frankfurt und der
zu Weimar, von Schoner herrühren könnten, halt aber,
wie es fcheint, die beiden Exemplare für zwei verfchiedene
Arbeiten, und meint, dafs diefelben aus der namlichen Zeit
(lammen, wie der Nürnberger Globus.
Ich habe das Original zu Weimar genau unterfucht,
und mit dem Frankfurter Exemplare nach dem Facfimile
bei Jomard forgfaltig verglichen. Die beiden fmd einander
voUftandig gleich ; es find eben nur zwei Abdrücke der-
felben Zeichnung. Die Nürnberger Erdkugel ift bedeutend
gröfser, als die beiden genannten; der Durchmeffer der
letzteren betragt nur ca. 27 Centim.
Dafs diefer kleinere Globus eine Arbeit Schöner's ift,
ergibt fich fofort aus einer flüchtigen Vergleichung mit
dem Nürnberger von i520. Die ganze Anlage ift durch-
aus diefelbe , nur ift auf dem Nürnberger Globus , feiner
Gröfse entfprechend , Alles viel ausführlicher. So zeigt
America hier wie dort die charakteriftifche Fünf-Theilung
in einen arktifchen, einen nördlichen, einen mittleren, einen
füdlichen und endlich einen antarktifchen Theil. Diefe
5 Partieen fmd durch 3 Strafsen von einander gefondert.
Jene eigenthümliche Geftalt des nördlichen America, dann
der Infel Ifabella etc. findet fich auf den beiden Globen zu
Frankfurt und Weimar genau fo wieder, wie wir fie an dem
Nürnberger bereits kennen gelernt haben.
*) „Die beiden altellen Generalkarten von America", p. 33. Vergl.
auch „History of the disco very of Maine" p. 159, wo falfchlich be-
hauptet wird, das Frankfurter Exemplar trage das Datum 1520. Das
namliche behauptet auch C. H. Co o te in „Encyclopaedia Britannica"
9th edition, Vol X. p. 681. Ebenfo ift es ein Mifsverftandnis, wenn
Freiherrvon Richthofeninfeinemepochemachenden Werke: „China,
ErgebniflTe eigener Reifen und darauf gegründeter Studiën" p. 64 in. be-
merkt, der von Jomard (tab 17!) reproducierte Globus fei in Frankfurt a. M.
gezeiclinet worden, und zwar nach der Fahrt des Magalhdes (!).
— 24 —
Noch gröfsere Beweiskraft für die Autorfchaft Schö-
ner's liegt in der Uebereinftimmung rein aufserlicher Dinge.
So haben beide Ausgaben diefelben Meeres-Ungeheuer,
diefelben Schiffe etc. genau an derfelben Stelle ^). So weit
pflegte man felbft damals bei der Benützung fremder Ar-
beiten nicht zu gehen.
Dazu kommt noch ein anderes, wie mir fcheint, ent-
fcheidendes Moment. Die einzige Stadt, welche in Europa
angegeben wird, ift namlich Hamberg. Und gerade hier
weilte Schoner im Jahre i5i5 2). Dem Bamberger Bifchofe
Georg ift auch das Buch „Lucul. q. ter. tot. descr." und
damit wol auch der dazu gehörige Globus gewidmet Die
Widmung felbft ift aus Bamberg datiert: ^^Ex imperiali
civitate tua Babenberga in casula mea apud S. Ja-
cobum, Anno deificae nativitatis i5i5, Non. Kal. April*. —
Der befprochene Globus ift unzweifelhaft alter, als
der von i520. DieZeichnung ift durchaus unvoUftandiger,
die Zahl der Namen viel geringer, die Contouren find un-
beftimmter, dürftiger. Dafs wir aber wirklich den Globus
von 1 5 1 5 vor uns haben, und nicht etwa eine andere Vor-
arbeit zum Nürnberger Globus von i520, das wird bis zur
Evidenz erwiefen, wenn wir die in der ^Lucul. q. ter. tot.
descriptio" geboteneBefchreibungmit demErdbilde felbft
vergleichen. Da ftimmt Alles genau zufammen, Zug um
Zug, ja faft Wort für Wort.
Schoner unterfcheidet in der Abhandlung drei Haupt-
theile America's :
I. .America sive Amerigen, novus mundus et quarta
orbis pars."
*) Siehe die reducierte Abbildung auf Tafel II. Diefelbe ift nach
Jomard*s FacHmile angefertiget mit einzelnen Berichtigungen aus dem
Weimarer Exemplare. Jomard iiest manchmal unrichtig, oder zeichnet
wol auch gelegentlich ein Schiff als Infel eio u. dgl.
2) Will, 1. c. UI. p. 559 und Vin. p. 115. und F. A. de Varn-
hagen: ,J. Schoner e Apiano" p. 44.
— 25 —
2. ^Pariasinsula quae non est pars velportio prioris,
sed specialis niagna portio terrae huius quartae partis
mundi*.
3. «Brasiliae regio*.
Genau diefelbe Eintheilung treffen wir auf unferem
kleineren Globus wieder, wahrend auf dem von i520 alle
drei Landercomplexe anders bezeichnet fmd. Dort heifst
das nördliche America .Parias*, hier aber ^Terra de
Cuba* (ein Name, der in der «Lucul. q. ter. t descr,*
gar nicht vorkommt). Süd- America, der eigentliche G>n-
tinent, führt auf der kleinen Erdkugel die Bezeichnung
^America*, das antarktifcheLand ^Brasiliae Regio*;
auf dem Nürnberger Globus hingegen ift zum Namen
„America* noch hinzugefügt: .vel Brasilia sive Papagalli
Terra*, und der Austral-G)ntinent heifst hier «Brasilia
inferior*.
Neben diefen drei Haupttheilen der neuen Welt nennt
Schoner noch die Infeln Ifabella und Spagnolla^)
nebfl; einigen kleineren central-americanifchen Eilanden,
und endlich eine «Insula, cujus littusincognitum per-
mansit Christofero Columbo Genuensi nauclero insigni*.
Die beigefugte Notiz über die geographifche Pofition
diefer Infel («sita est in gradibus longit. 3i7'0, Lati. vero
6o*o*) belehrt uns, dafs Schoner damit Niehts Anderes
meint, als das arktifche America. Und wirklich ift diefes
auf dem kleinen Globus «Litus incognitum* benannt;
auf dem von i520 hingegen heift es .Terra Corterealis* 2).
') Bemerkenswerth ifl der Beifatz: „quam quidam volant esse
Offiram, de qua Regum libro 3". Diefelbe Behauptung fiodet fich
bei Petrus Martyr: Oceani Dec. I.: „Iq Hispaniola Ophiram in-
sulam sese reperisse refert (Columbus)". Auch die Tabula terrae novae
in der Strafsburger-Ausgabe des Ptolemaeus von 1522 enthalt die Notiz:
,Spagnola que et Offira didtur**.
*) Wie es fcheint, ift Schoner erft nachtraglich auf den Brief des
- 26 —
Der Nachweis der völligen Uebereinftimmung liefse
fich leicht noch weiter durchführen. Allein ich glaube, dafs
nach dem Gefagten kaum mehr ein Zweifel darüber ob-
walten kann , dafs uns in den Globen zu Prankfurt und
Weimar zwei Exemplare der von Schoner im J. i5i5 ver-
öffentiichten Erdkugel vorliegen. —
Dies Refultat unferer Unterfuchung ift in mehrfacher
Beziehung von nicht geringem Intereffe.
Wie bereits bemerkt, hat man bis vor Kurzem ganz
allgemein angenommen, der Nürnberger Globus Schö-
ner's von i520, und die Karte des P. Apianus, welche
der Ausgabe desSolinus vonCamers, Wien i520, und der
Bafeler Edition des Pomponius Mela von i522 beigegeben
ift *), feien d i e alteften Beifpiele einer kartogra-
phifchen Verwendung des Namens America.
Erft in neuefter Zeit find einige noch altere kartographifche
Arbeiten mit dem Namen America ans Licht gezogen
worden. Zunachfteine handfchriftliche Weltkarte des Lio-
nardo da Vinci, deren Entftehungszeit der Herausgeber
venetianifchen Botfchafters Pietro Pasqualigo tiber die Reifen der Cor-
tereal aufmerkfam geworden, welcher in der oben citierten italienifchen
Raccolta, refp. in der deutfchen Ueberfetzung Ruchamer*s cap. 126
abgedruckt ift.
Auf der Karte des Bemard de Sylva in der Venetianer- Ausgabe
des Ptolemaeus von 15 11 ift das Land durch ein komifches Mifsver-
ftanduis in eine „regalis domus" umgedeutet, ebenfo auf der Weltkarte
der Strafsburger- Ausgabe von 15 13. Siehe Lelewel, Atlas, Planche 43.
und 45.
*) Diefe feltene Karte (fie ift lange nicht in allen Exemplaren
der im Texte genannten Ausgaben des Solinus und Pomponius Mela
vorhanden) tragt folgenden Ttitel : „Tipus orbis universalis juxta Ptolomei
Cosmographi traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes
a Petro Apiano Leysnico elucubratus. A. D. 1520". Copieen derfelben
fmd publiciert in dem Atlas des Vicomte de Santarem Nr. 75,
und in den „Bibliographical Notices etc." von J. Ru f f el Bartlett
p. 69. — Auf der Rückfeite der oben (p. 12.) erwahnten Handzeich-
— 27 —
R. H, Major in die Jahre i5i3 — i5i4 verlegt^), ein Da-
tum, das durch unfere nachfolgende Unterfuchung um
ca. 2 Jahre heraufgerückt wird ^), Dann die beiden oben
p. i5 bereits berührten, ebenfalls undatierten Globenin der
Sammlung des Fèldzeugmeifters Fr. R. v. Hauslab in Wien.
F. A. de Varnhagen gibt in feiner Schrift: .Schoner e
Apiano* etc.*) eine kurze Befchreibung diefer letzteren,
und Tucht fie auch chronologifch zu fixieren. Nach feiner
Vermuthung ift der kleinere gedruckte Globus ein Werk
des Hylacomylus aus dem Jahre iSop, und der andere,
eine handfchriftliche Arbeit, foU ca. i5i3 angefertiget
fein. Eine eingehende Unterfuchung und kritifche Würdi*
gung der beiden wichtigen Erdkugein (leht noch aus. Ich
mufs geftehen, dafs mir die Datierungen Varnhagen's vor-
derhand etwas problematifch erfcheinen.
An diefe drei Denkmaler fchliefst fich nun unmittelbar
der Globus des Joh. Schoner aus dem J. iSiS
an. Derfelbe ift (neben dem keineren in der Sammlung
des General v. Hauslab) unftreitig das altefte ge-
druckte Kartenwerk, auf dem der neu entftan-
dene atlantifche Continent den Namen America
tragt —
nung von H. Lor. Glareanns nach Stobnicza's Weft-Hemisphilre (in
einem Exemplare der ,,Cos]iiographiae Introductie" von M. Hylocomy-
Ins auf der Müochener Univerfitats-Bibliothek) findet fich ebenfalls von
der Hand Glarean*s eine etwas überarbeitete Nachbil-
dung der Weltkarie des P. Apianus, mit einzelnen Nach-
tragen.
1) „Memoir en a mappemonde by Leonardo da Vinci, being the
earliest map hitherto known contaiuing the name of America: now in
the Royal Collection at Windsor. Communicated to the Society of
Antiquaries by Richard Henry Major Esqu. F. S. A. Lon-
d o n 1865. (Aus dem 40. Bde. der „Archaeologia" befonders abgedruckt).
*) VergL unten Cap. VI. p. 54 f.
•) P. 47 ff-
— 28 —
Für unfere Frage aber ift es gewifs nicht ohne Be-
deutung, nachgewiefen zu haben, dafs Schoner bereits im
J. iSiS die (udamericanifche Durchfahrt auf einem Globus
verzeichnete, und in dem beigegebenen G>n[unentare aus-
drücklich bemerkt, die Portugiefen hatten diefe Strafse
entdeckt und befahren, und man könne durch diefelbe
nach Malacca gelangen.
IV.
Die Quelle Schöner^s fiir seine Darstellung der
südlichen Durchfahrt
Es erhebt fich die Frage, woher hat Schoner die auf
den füdweftlichen Seeweg nach Indien bezügliche Nach-
richt gefchöpft, jene Nachricht auf welche er fich in der
angezogenen Stelle feiner «Lucul. q. terrae t. descriptio*
ftützt, und die ihn dazu veranlafste, eine antarktifche Strafse
auf feinen Weltbildern einzuzeichnen. Weder der Globus
von i5i5, welcher überhaupt viel weniger red felig ift, als
fein jüngerer Bruder, noch das dazu gehörige geogra-
phifche Compendium gibt eine Antwort auf diefe Frage,
und auch in den fpateren Publicationen Schöner's finden
fich keinerlei Anhaltspunkte.
Ein gücklicher Zufall liefs mich die bisher vergeblich
gefuchte Quelle auffinden. Schoner ftützte fich bei feiner
Darftellung der fiidamericanifchen Enge auf eine — Zei-
tungs-Nachricht. Die Erzahlung in der ^Lucul. q.
terrae t descriptio* von einer Fahrt der Portugiefen durch
eine Strafse im Süden des neuen Continentes ift Nichts
Anderes, als ein ziemlich wortgetreuer Auszug aus der
undatierten und anonymen Flugfchrift: ^Copia der
- 29 -
NewenZeytungaufsPresillgLandt*^). Esift das
zufallig das altefte uns erhaltene Flugblatt , welches den
nun fo gelaufig gewordenen Ausdruck .Zeitung* an feiner
Stirne tragt.
Das Quellen-Verhaltnis ergibt fich am deutlichften
aus einer Nebeneinanderftellung beider Texte. Ich theile
aus der Schrift Schöner's die ganze hieher gehörige Stelle
mit, und fetze die correfpondierenden Partieen aus der
^Copia der Newen Zeytung aufs Presillg Landt' ^) daneben.
Joh. Schoner: ^Lucu-
lentissima quaedam
terrae totiusdescrip-
tio', Tract IL cap. 1 1.
fol. 6i.
Brasiliae regio. [«Pre-
silgen landt' in dem am
Schlttife des Buches angefübrten
Verzeichnifïe deutfcher ü. lateinifcher
Ortsnamen.1
A capite bonae spei (quod
Itali Capo de bona speranza
vocitant) parum distat
Copia der Newen Zey-
tung aus Presillg
Landt'.
Vnnd da sie kommen sein
ad Capo de bona sperantza.
.... Haben sie das Presill
*) Die vorliegende Arbeit war bereits vöUig abgefchlofTen , als
mir erfl die interefïant« Abhandlung von S. Rage über die „Copia
der Newen Zeytung aufs Presillg Landt" zugSnglich wurde (abgedruckt
im „IV. und V. Jahresberichte des Vereins filr Erdkunde in Dresden"
p. 13 — 27), worin derfelbe bereits auf die Benützung der fraglichen
Flugfchrift duirch Schoner in deifen „Lucul. q. ter. t. descr." hinweist,
ohne fich indeffen naher auf diefe Frage einzulaifen. Die ganze Un-
terfuchung Ruge's zielt dahin, nachzuweifen : „dafs wir in der ,Copia*
einen apokryphifchen Reifebericht vor uns haben"; eine Anficht, der ich
mich freilich nicht anfchliefsen kann. (Vergl. unten Heilage I.)
*) Ueber diefes in mehrfacher Beziehung höchft intereflante Flug-
blatt vergL die Beilage I.
I
— 3o -
Grcumnavigaverunt ita-
que Portugalienses eam re-
gioncm, et comperierunt
illum transitum fere confor-
mem nostraeEuropae (quam
nos incolimus) et lateraliter
infra orientem et occidentem
situnu Ex altero insuper la-
tere etiam terra visa est, et
penes caput hujus regionis
circa miliaria 60, eo videlicet
modo: ac si quis navigaret
orientem versus, et transitum
sive strictum Gibel terrae
aut Stbiliae navigaret, et
Barbariam, hoc est Maure-
taniam in Aphrica intuere-
tur: ut ostendet Globus
noster versus polum ant-
arcticum.
Insuper modica est di-
stantia ab hoc Brasiliae re-
gione ad Mallaquam, ubi
SanCtus Thomas apostolus
martyrio coronatus.
mit ainem Capo, das ist die
spitz oder ein ort, so in das
mer get, funden. Vnd haben
den selbigen Capo vmbsey-
let oder vmbfaren, vnd ge-
fiinden, das der selb CaHb
gleich ist gangen wie Eu-
ropa leyt mit dem Syt po-
nente levante , das ist gele-
genheyt zwischen dem auff-
gangk oder Ost, vnd nyder-
ganngk, Dann sie haben auf
der andern seyten auch die
landt gesehen, Als sie bey
Sechtzig meyllen vmb den
Capo kommen sein, zu ge-
leicher weyfs als wen ainer
in Levanten fert vnd die
stritta de gibilterra, passiert
das ist furfert, oder hyn-
durch einfarn, vnd das landt
Barbaria sicht. . . .
.... vermayndt, das von
solHchem Cabo dye Presill,
das ist ein anfangk des Pre-
sill landt, vber Sechs hun-
dert meyl gen Malaqua nit
sey Es ist wol zu
glauben, das sie gedechtnüfs
von sant Thoma haben, dann
wissnlich ist, das sant Tho-
mas hyndter Malaqua leib-
hafftig leyt auf der Cost Si-
ramatl, jm Ciolffo de Celon.
— 3i —
Sunt in hac regione loca
montosa valde, et in quibus-
dam hisce locisnix toto anno
nunquam dissolvitur. His in
locis animalia comperiuntur
plura et nobis incognita.
Accolae etiam eorum loco-
rum pelHbus animalium prae-
ciosis , nedum paratis (quia
praeparandi modum igno-
rant) se vestiunt. Ut sunt
pelles Leonum, Leopardum
Castorum etc.
Abundat itaque plurimum
haec regio fructibus optimis,
etiam nobis ignotis. Reperi-
tur ibidem Cassia fistula ad
brachii unius magnitudinem.
Similiter Mei et cera. Simili-
ter una gumma consimilis
Therebentinae. Sunt ibidem
mirandae variorumque ge-
nerum volucres, pilatos ha-
bentes pedes. Utuntur ho-
mines his in locis pro arma-
tura arcubus sagitariis : ferro
et ferramentis similiter ca-
rent. Pro machinis siquidem
ferratis plura bona et prae-
ciosa expendunt Semen
lm lanndt dynnen hat es
grofs pyrgk, Sagen an etli-
chen orten nymmer der
schne darab kume, als sie
vom landt volck bericht
werden. Sye sein in etüchen
Porten gewefen, do sie vil
vnnd mancherlay seltzamer
feil ven wilden thieren fun-
den haben, So die lewt alfo
rauch antragen vber die
plossen hewt, wissen die nit
zuberayten. Nemlich fel von
Leen vnd Leoparden, der-
selben vil im landt do sein
. . . Sie haben auch viel Otter
und Pyber.
.... Das landt hat auch
wunderbarlich vil frucht, vnd
die güt, vnd als ander frücht,
dan wie wirs in vnnsern
landen haben. Haben auch
gefundenindemlanndtCanna
fistula, in der gröfs eines
arms grofs. Haben auch
honig wachs, ein Gummi,
vnd des vil, geleich wie
Gloret, vil vnd mancherlay
gefögels, Rauch von fuessen.
Ir wereistmit hanndtpogen,
Haben kein eysen-
pergk, geben umb ein Axt
oder peyhell vnd messer
was sie haben Sie
A
— 32 —
quoddam habent ad quan-
titatem Fisae, in capsulis
etiam ut Fisae nascens, plu-
rium granorum, linguae mor-
dicativum ac ustivum vti
Piper.
Comperitur ibidem magna
Auri, argenti cupriqüe copia.
Securibus utunter lapideis.
In hac regione ultro po-
pulus est> qui montana in-
habitaty auro habundantes.
Laminas quoque aureas (vti
nostri armigeri ferreas Tho-
races) in frontibus et pecto-
ribus deferunt
Hanc regionem Serenissi-
mus Portugaliae rex per-
quiri fecit Et supervivunt
homines eiusce loei eom-
muniter ad annos eentum et
quadraginta. —
haben auch im landt ein sort
Specerei, Prent auff der
Zungen wie pfeffer, noch res-
ser, wechst in ainem Schelf-
lein mit vil kornlein, dar-
jnnen es wechst Ist das grah
oder korn zu gleycherweifs
als grofs als ein arbayfs. .•.
do haben sie an-
zaygen von vil Sylber vnd
gold, auch kupflfer, so im
lanndt dynnen ist ... .
.... Ir Axt von stay-
nen sein ....
Sie haben auch an dem
selben ort an der See er-
kandt von dem selbigen
volck ein anzaygung, das
im landt dynnen ein pyrg
volck sey, hab vil golds,
trag das gold dunn geschla-
gen, zugleicher weifs wie
harnisch an der styrn, vnd
vorn an der prust ....
Sie sagen auch das volck
an dem selbigen ort werdt
bifs in Hundert vnd Viertzig
Jar alt —
Es bedarf wol kaum des befonderen Nachweifes, dafs
wirklich Schoner aus der ^Zeytung* gefchöpft hat, und
nicht etwa umgekehrt Die ^^Zey tu ng* ift eine confufe,
— 33 —
oft geradezu unverftandliche Ueberfetzungeinesita-
lienifchen Originals; daszeigen fchon inganz augen-
falliger Weife die zahlreich herübergenommenen und küm-
merlich verdeutfchten Fremdwörter. Schoner halt fich bei
feinemAuszuge möglichft genau an die Vorlage, und fucht
fich in dem Gewirre vonUnklarheiten undMifsverftandniflen
derfelben, fo gut es geht, zurecht zu finden, was ihm in-
deflen nur theilweife gelingt. Durch fein Streben , feibft
eine verftandliche und klare Erzahlung zu liefern, wird er
genöthJget, viele und darunter gerade für ihn wichtige
Stellen der ^jZeytung* ganz zu überfchlagen. —
Es ift felbftredend für uns von wefentlichem Belange,
zu erfahren, von welcher Expedition eigentlich in der
^Zeytung* die Rede ift. Die Beantwortung diefer Frage
wird nun freilich durch die wirklich beifpiellofe Verworren-
heit und Unklarheit, die in unferem Berichte herrfcht,
aufserordentlich erfchwert.
Die ^Zeytung^ ift, wie gefagt, undatiert Sie gibt zwar
gleich in der erften Zeile genau den Tag der Rückkehr
des Schiffes an, vergifst aber, ganz ihrer Eigenart entfpre-
chend, vöUig darauf, uns auch'das Jahr zu nennen. Ebenfo
wenig wird uns der Name des Befehlshabers mitgetheilt,
daftir horen, wir aber, der ^jSchiflayter* fei ein ^jfast güt
fi-ewndt* des trefflichen Berichterftatters gewefen. Un-
mittelbar erfahren wir aus der ^Zeytung* nur, dafs es
fich um eine portugiefifche Expedition nach Brafilien
handle, welche von mehreren Herren, darunter ^Nono*
und jjCristoffel de Haro* im Einverftandnis mit der por-
tugiefifchen Regierung ausgerüftet worden war. Nahere
Details werden wir uns daher indirect, auf dem Wege
der Combination, zu verfchaffen fuchen müffen.
Es find bereits mehrfach Interpretations - Verfiiche
bezüglich unferes Reife-Berichtes gemacht worden.
A.V. Humboldt widmet der ^Zeytung" in feinen
WIeter, lIag»UULM-8i«Me. 3
- 34 -
^Kritifchen Unterfuchungen* ^) einen eingehenden Excurs,
und fpricht die Anficht aus, dafs die fragliche Reife jeden-
falls nach der Fahrt des Magalhaes ftattgefiinden habe,
wahrfcheinlich zwifchen iSaS und 1540*).
Diefe Datierung fallt natürlich jetzt in fich zufammen,
nachdem wir nachgewiefen , dafs die ^^Zeytung* bereits
im J. I 5 I 5 benützt worden ift. AUein Humboldt's Anficht
ift auch aus anderen Gründen nicht haltbar. Jener ^Chri-
stoffel de Haro", von dem die ^^Zeytung* fpricht, ift uns
namlich auch fonft wol bekannt^). Er war ein reicher
Kaufmann und Schiffsrheder zu Antwerpen, der von Liffa-
bon aus auf eigene Hand nach Indien und fogar nach China
Handelsverbindungen unterhielt. Als genauer Freund des
Magalhaes hat er fich um das Zuftandekommen der Ma-
galhaesTchen Expedition fehr bemüht. Seinen kaufmanni-
fchen Vortheil wol erkennend, erbot er fich Anfangs fo-
gar, die ganzen Ausrüftungskoften allein zu tragen*), und
fchliefslich übernahm er wirklich den fünften Theil im Be-
trage von 4CXX> Ducaten ^). Chr. de Haro hatte alfo in der
von Humboldt genannten Zeit jedenfalls von den Erfolgen
der MagalhaesTchen Reife unterrichtet fein müffen. Nach
der ,Zeytung" aber handelte es fich um die angebliche
Entdeckung einer bis dahin völlig unbekannten Meer-
*) Bd. III. p. 177—192.
«) 1. c. p. 185.
*) M. F. d e N a V a r r e t e : „Colleccion de los viajes y descu-
brimientos, que hicieron por mar losEspanoles desde fin del siglo XV^'.
Madrid 1826 ff. Tomo IV. p. LXXIV. f. 153 ff. 182, 247 f.
254 ff. 306.
^) Maximilianus Transilvanus: ,.De Moluccis insulis".
S. Beilage II.
*) Vergl. den Bericht des Seb. Alvarez an den König von
Portugal bei Navarrete 1. c. IV. p. 155: „La quinta parte desta
armada es Christóbal de Haro, que forneció en cuatro mil ducados'*.
— 35 —
enge, nicht um den Befuch einer fchon langft conftatierten
Strafse.
Wir wiffen weiter, dafs Chr. de Haro , gerade fo wie
Magalhaes felbft, mit dem portugiefifchen Hofe wegen er-
littener Krankungen zerfallen war, als er der fpanifchen
Regiening feine Diende antrug *). Bedenken wir nun die
heftige Erbitterung, welche der Liffaboner Hof dem Ma-
galhaes und feinen Kreunden in Folge diefes Uebertrittes
nachtrug, und die fo weit gieng, dafs ein toderer Anhanger
des Magalhaes, der Cosmograph und Aftronom Ruy Faleiro,
im J. i520 feftgenommen wurde, als er fich unvorfichtiger
Weife auf portugiefifches Gebiet gewagt hatte — , beden-
ken wir dies, fo müfsten wir uns bafs verwundern, Chr. de
Haro trotzdem fpater wieder bei einer Entdeckungsfahrt
zu begegnen, die mit ausdrücklicher Erlaubnis des por-
tugiefifchen Hofes unternommen wurde *).
Die meiften Forfcher find auch, ohne von der Be-
nützung der ^jZeytung* durch Schoner im J. iSiS etwas
zu wiffen , von jener Annahme Humboldt*s langft abge-
kommen.
Befonders angelegentlich befchaftigte fich in neuerer
Zeit mit unferer ^tZeytung* und der in derfelben befchrie-
benen Expedition Herr F. A. de Varnhagen. Diefer
unermüdliche Forfcher auf dem Gebiete der Entdeckungs-
gefchichte America's befprach die Frage zuerft in feiner
^jHistoria geral do BraziP 3), und aufserte fich dahin, die frag-
liche Expedition fei die von Solis undPinzon im J. i5o8 an
die Mündung des La Plata unternommene. Mit Recht hielt
ihm aber D* A v e z a c entgegen, dafs die portugiefifcheFlagge
*) Max. Transilvanus unten Beilage II.
*) Humboldt (Kritifche Unterfuchungen HL p. 184 f.) verhehlte
fich keiaeswegs das Bedenkliche diefer Thatfachen, glaubte aber merk-
würdigerweife trotzdem an feiner fpatem Datierung fedhalten zu dürfen.
*) Madrid 1854. I. p. 34 und 434 f.
3*
— 36 —
jener zwei Schiffe zu ausdrücklich hervorgehoben ift, als
dafs man an eine fpanifche Expedition denken dürfte ^).
Varnhagen zog denn auch feine erftgeaufserte Meinung
zurück, und fuchte in feinem ^examen de quelques points
de rhistoire géographique du Brésil"*) darzuthun, in der
^Zeytung* fei die Rede von der Fahrt der Piloten Vasco
Gallego de Carvalho und Joao de Lisboa im J. i5o6. Neu-
erdings ift er aber auch von diefer Anficht wieder zurück-
gekommen, und «nimmt nun an ^), es handle Ach in der
jtZeytung' um die Expedition des Gongalo Coelhoim
J. i5o3, diefelbe, an der auch Amerigo Vespucci theil-
genommen.
In der That fpricht Manches für die Richtigkeit die-
fer Anficht Der Zweck der Expedition des GDelho war
von vorneherein, einen See-Weg nach Malacca aufzufu-
chen. So erzahlt Am. Vespucci: «Igitur ex Lisbone portu
cum sex conservantie navibus extvimus cum proposito in-
sulam unam versus horizontem positam invisendi, que
Melcha dicitur et divitiarum multarum famosa, necnon
navium omnium sive a Gangetico sive ab Indico mari
venientium receptus sive statio est* etc. Auch hier fahren
die Seeleute anfangs der africanifchen Küfle entlang, und
wenden fich erft in fiidlicheren Breiten gegen Weften und
gelangen fo an die füdamericanifchen Geftade.
Vespucci wurde dann von feinen Gefahrten getrennt,
und traf nach einer Fahrt bis zum i8. Grad S. Br. am
i8. Juni i5o4 mit einer Ladung Brasil-Holz glücklich in
*) „Considerations géographiques sur Thistoire du Bresil etc." im
Bulletin de la sociéte de Géographie, 4. Serie, tome XIV. . (1857)
p. 169.
*) Bulletin de la soc. de Géographie. 1858. p. 233. —
') „Nouvelies Recherches etc/* p. il und 50; dann „Ainda
Amerigo Vespucci, No vos estudos e achegas etc." Vienna d'Austria
1874, p. 3 f.
- 37 -
LifTabon ein, wo man die ganze Expedition bereits für ver-
loren gehalten ^). Auch Coelho foll — nach der Behaup-
tung des Damiao de Goës — , nachdem er vier Fahrzeuge
feiner Plotte eingebüfst, endlich mit 2 Schiffen die Heimat
wieder erreicht haben ; als Pracht habe auch er Brasil-Holz
mitgebracht, und aufserdem Affen und Papageien *). Wie
weit er vorgedrungen, und was er entdeckt, wird uns nir-
gends berichtet
Diefe weitere Pahrt des Coelho und feine Rückkehr
mit zwei geretteten Schiffen wird nun nach der Anficht
Varnhagen's in der „Zeytung" erzahlt. Varnhagen glaubt
fogar in dem Hafen von Rio de Janeiro den Punkt entdeckt
1) „ — — tota civitas (Lisbona) nos in mari disperditos esse
existimabat, quemadmodum reliqui omnes de turba nostra per praefecti
nostri navium stultam praesnmptioDem existerant. Quo superbiam modo
jastus omnium censor deus compensat**. M. Hylacomylus: Cosmo-
graphiae Introductio etc." Quarta Navigatie
>) Damido de Goës; „Chronica do felicissimo Rei Dom Ema-
nuel, dividida em quatro partes". Lisboa 1566. Primeira parte cap. 65 :
„No mesmo anno [1503] mandou [el Rey] Gon^al.o coelho
com seis naos a terra de sancta Cruz, con que partio de porto de
Lisboa ahos dez dias do mes do Junho, das quaes por ainda terem
pouca noticia da terra perdio quatro, e has outras duas trouxe aho
Reyno com mercadorias da terra, que en tam nam eram outras, que
pao vermelho, a que chamdo Brasil, bogios et papagaios".
A. V. Humboldt (Kritifche Unterf. IIL p. 90) bemerkt, Osorius
fcheine fich über den Werth der Ladung des G)elho lullig zu machen ;
er erw^hne nur die Affen, nicht das Brasilholz. Das ift aber keines-
wegs der Fall. Hier. Osorius: „De rebus Emanuelis Regis Lusi-
taniae etc." lib. IL (Ausg. Olysippone 1571 p. 84), erzShlt in nahezu
wörtlicher Uebertragung nach Damido de Goës Folgendes: „Aliam
deinde classem Gundissalvo Caëlio commisit [rex Eman.], qua
regionem a Caprale exploratam, quam Brasiliam vocant, perlustraret.
Sed navigandi in regionem parum cognitam imperitia factum est, ut
Coëlius ex sex navibus quatuor vadis allisas amiserit, atque duas tantum
plenas illis rubris lignis, quae tellus passim fert, et psittacis
atque simiis in patriam reduxerit"«
— 38 —
zu haben , wo Coelho fich bis zu feiner Hdmkehr circa
3 Jahre aufgehalten. Auf der bereits mehrfach erwahnten
,,Tabula terrae novae" in der Strafsburger-Ausgabe des
Ptolemaeus von i5i3 ift namlich unter 3o® S. Br. der
Name „pinachullo detetio" [?] eingetragen , welche der
brafilianifche Gelehrte fiir eine Corruption aus „Gonc.
choelho detentio" halt; eine Hypothefe, die mir fchon
vom palaeographifchen Standpimkte aus ziemlich gewagt
erfcheint.
Es ergeben fich übrigens bei naherer Zuficht noch
diverfe Differenzen, die eine Identificierung der Expedition
des Coelho und der in der „Zeytung" befprochenen als
kaum haltbar erfcheinen laffen. Die „Zeytung** bezeichnet
als Pracht der Schiffe neben Brasilholz namentlich Pelz-
werk, dann Edelmetalle und endlich Sklaven, lauter Dinge,
von denen Damiao de Goës bezüglich der Schiffe des
Coelho kein Wort erwahnt; andererfeits weifs wieder die
„Zeytung** Nichts von den hier als charakteriftifch hervor-
gehobenen Affen und Papageien.
Die „Zeytung** kenntweiter nur zwei Schiffe, Coelho
aber hatte fechs, wie uns mehrfach verbürgt ift. Wenn
Varnhagen unter diefen zweien diejenigen verfteht, welche
Coelho glücklich nach Haufe gebracht haben foU, fo ware
es wol ein eigenthümlicher Zufall, dafs das gerade die bei-
den von den Kaufleuten ausgerüfteten Fahrzeuge waren.
Die ganz vereinzelt ftehende Behauptung des Damiao de
Goës^), dafs Coelho felbft zwei Schiffe nach Haufe ge-
bracht habe, erfcheint überdies fchon nach feinen eigenen
Zahlenangaben als fehr fraglich. Von fechs Schiffen,
welche urfprünglich die Reife antraten, follen vier zu
Grunde gegangen, und zwei mit Coelho zurückgekehrt
*) Osorius hat, wie fchon angedeutet, feine Erzahlung direct
aus Damido de Goës entlehnt.
- 39 -
fein, wahrend wir doch andererfeits wiflen, dafs ein Fahr-
zeug diefer Flotte unter der Führung des Am. Vespucci
glücklich den Hafen von LifTabon erreichte, und — nach
den von Varnhagen felbft beigebrachten Documenten —
noch ein zweites unter Fernao de Noronha ^). —
So viel fteht jedenfalls feft, dafs die fragliche Ex-
pedition in den erften Jahren des XVI. Jahr-
hundertes ftattfand*), zu welcher Zeit man fich in
Portugal mit dem Gedanken trug, einen füdweftlichen
Seeweg nach Oft-Afien aufzufinden, oder, wie fich Go-
mara ausdrückt: y^para buscar estrecho en aquella costa
[del Cobo de San Agostin] por do ir a los Malucas" ^),
Nach der Darftellung der „Zeytung" war die von ihr
gefchilderte Expedition ein kaufmannifches Unternehmen
rein privater Natur, das nicht im Auftrag, fondern nur im
Einverftandnis mit der portugiefifchen Regierung — „durch
des Königs von Portugal erlaubnufs" — durchgeführt
wurde. Verhielt fich das wirklich fo , dann dürfte es uns
gar nicht wundernehmen , wenn uns keine anderweitigen
fpeciellen Nachrichten, namentlich durch die Gefchicht-
fchreiber jener Zeit über diefe Reife erhalten waren.
Haben wir doch von vielen officiellen Expeditionen nur
ganz im Allgemeinen, oft rein zufallig, flüchtige Kunde *).
^) S. die Schenkungsurkuade an F. de Noronha, dat. Lisboa
i6. JaD. 1504, abgednickt im „Diario de Martim Aüonso de Souza'*,
herausgegeben von F. A. de Varnhagen Lisboa 1869, p. 71.
Vergl. auch Pefchel, Gefch. d. Erdkunde, 2. Aufl. p. 261. und Gefch.
d. Entdeckungen p. 342 ff.
.^ Auch D'Avezac fpricht (ich dahin aus, „que la date cher-
chée ne peut s'èloigner des premières années du siècle**. Bulletin de
la soc. de Géogr. Serie 4, tome 14, p. 170.
") „Historia de las Indias** fol. XLIX. vergl, H u m b o 1 d t>
j.Kritifche Unterfuchungen** III. p. 36.
*) So erhalten wir z. B. nur ganz gelegentlich in einem Briefe
des portugiefifchen Gefandten am fpanifchen Hofe Alvaro Mendez de
— 40 —
Und wie manches derartige Unternehmen mag völlig ver-
fchollen fein! Bei der unglaublichen Fahrlaffigkeit, mit
welcher die „Zeytung" das ihr vorliegende italienifcbe
Original überfetzt, ware es indeflen nicht unmögh'ch, dafs
auch hier ein Mifsverftandnis vorliegt, und im Original-
Texte geftanden hat: „per mandato del Re". —
Es mag fchliefsh'ch geftattet fein, die Expedition, von
der unfer Flugblatt erzahlt, in hypothetifcher Weife mit
den Fahrten des berühmten portugiefifchen Flottenfiihrers
Chriftovao Jaquez in Verbindung zu bringen. Von
diefem wird uns berichtet, dafs er die zweite Flotte be-
fehligte , welche der König von Portugal nach dem von
P. Al. Cabral entdeckten Lande Santa Cruz abgefchickt
hat. Die genannte Expedition fand jedenfalls in den erften
Jahren des XVI. Jahrh. ftatt, und es wurde fpater be-
hauptet, Chr. Jaquez fei damals bereits bis zum Cap der
Jungfrauen, am Eingange in die fpatere Magalhdes-Strafse
vorgedrungen ^). Chr. Jaques nahm überhaupt hervorra-
Vasconcellos vom 14. Dezember 1531 Nachricht über eine Expedition
uDter dem Befehle des D. Nu po Manuel, durch welche (offenbar
fchon bald nach der Fahrt CabraPs) der Rio de la Plata zuerft entdeckt
worden fein foll. Vergl. F. A. de Varnhagen: „As primeiras
negociagóes diplomaticas respectivas ao Brazil** (abgedr. in den „Me-
morias do Instituto historico e geographico Brazileiro" 1842, p. 133),
und „Nouvelles Recherches" etc. p. 8 ff.; dann D*Avezac im Bulle-
tin de la soc. de Géogr. Serie 4, tome I4, p. 104 u. 262. Beide Herren
find geneigt, diefes Unternehmen mit der 3ten Reife des Am. Vespucci
im J. 1501 zu identificieren.
*) A. V. Humboldt, Kritifche Unterfuchungen III. p. 77 u. 105.
Auch Humboldt ift geneigt, unter dem „berümbtesten Schiflayter, so
in der Konig von Portugal hat", von welchem die «Zeytung* erzahlt,
den Chr. Jaquez zu vermuthen (1. c. p. 186); doch würde er, feiner
ganzen Auffaflung unferes Flugblattes entfprechend, eine fpatere Expe-
dition des genannten portugiefifchen Seemannes mit der Reife der
<f Zeytung* identificieren. Es ift urkundlich erwiefen, dafs Jaquez noch
1528 an den Küften Brafilien's commandierte.
_ 41 —
genden Antheil an der Entdeckung und erften Coloni-
fierung Brafilien's. Doch ift es leider bis jetzt nicht gelun-
gen, feine Reifen mit Beftimmtheit chronologifch zu
clarfificieren.
V.
Die Strasse.
Die „Copia der Newen Zeytung aufs Presillg Landt**
erzahlt: „Brafilien ende mit einem Vorgebirge, man habe
daffdbe umfahren, und auf der anderen Seite Land er-
blickt; die ganze Situation erinnere an die Strafse von
Gibraltar".
Bei diefen beftimmt lautenden Angaben ift man aller-
dings verfucht, an die Auffindung einer wirklichen Durch-
fahrt zu denken, und da dort bekanntlich keine andere
exiftiert, als die Magalhaes-Strafse, anzunehmen, diefe fei
in der That v o r M agalhdes entdeckt worden.
Allein eine etwas genauere Prüfung ergibt, dafs die
Annahme einer fo frühzeitigen Entfchleierung der pata-
gonifchen Enge fich nicht halten lafst.
Schon die Breitenangabe fpricht dagegen. Die „Zey-
turig" hebt ausdrücklich hervor , das Cap liege am 40ten
Breitengrade; das ware alfo, hatten wir es wirklich mit
der Magalhdes-Strafse zu thun , ein Fehler von mehr als
12 Grad. Allein man verftand damals — war auch die
Ermittluiig der geographifchen Langen noch ein faft
ungelöstes Problem — fchon recht wol, durch Beftim-
mung der Polhöhe, oder des Sonnenftandes etc. die
geographifchen Breiten mit ziemlicher Genauigkeit zu
berechnen, fo dafs die Fehler meid nur nach Minuten
— 42 —
zahlten ^). Für einen fo riefigen Irrthum würde fich gewifs
in der gleichzeitigen Literatur kein Analogon finden.
Wir wiffen weiter aus der „Zeytung", dafs unfere Ex-
pedition im Einverftandniffe mit der portugiefifchen Regie-
rung unternommen wurde; es wird betont, dafs der ver-
meintliche Seeweg für den König von grofser mercantiler
Wichtigkeit fei. Falls es fich alfo hier wirklich um die
Auffindung einer fudweftlichen Durchfahrt nach Indien,
fpeciell nach Malacca, handelte, fo würden die Portugiefen
diefe Entdeckung auch ficher auszubeuten verfucht haben.
Davon finden wir aber nirgends eine Andeutung. Im Ge-
gentheile erfchien noch zur Zeit des Magalhaes das Untèr-
nehmen, eine Meeresftrafse aus dem atlantifchen in den
ftillen Ocean aufzufuchen, als ein fehr gewagtes, das Ge-
lingen deffelben als höchft zweifelhaft ^),
Das Streben, eine americanifche Durchfahrt zu ent-
decken, war in jener Zeit allerdings ganz allgemein. An
der ganzen Oft-Küfte des neuen Continentes wurde eifrig
nach einer folchen gefucht Namentlich an drei Stellen:
fm hohen Norden , in Central-America und endlich hier
im Süden von Brafilien, vermuthete man eine derartige
Strafse, durch welche man weftwarts fegelnd in die
Heimat der Spezereien und Gewürze gelangen könnte.
Bei der machtigen Erregung, welche damals die Ge-
müther erfafst hatte, war man nur zu leicht geneigt, an-
zunehmen, der Gegenftand langjahriger Sehnfucht und
mühevoUen Strebens habe fich endlich gefunden •). Aber
*) Ueber die relative Verlafslichkeit der Breitenbeftimmungen
jener Zeit vergl. J. G. Kohl „Aeltefte Generalkarten von America"
p. 7 f. und F. A. de Varnhagen „Historia geral do Brazil" I. p. 432.
^ Vergl. die Auseinanderfetzungen des Maximilianus Transilvanus
in der Beilage II.
^ Auf zahlreichen Karten aus den erften Decenniën des XVI. Jahrh.
finden wir die mittel-americanifche Strafse verzeichnet. (So auf den bei-
den oben befprochenen Globen in der Sammlung des Generals v. Hauslab
- 43 -
immer wieder fchwand das fchon erreicht geglaubte Ziel
in nebelhafte Fernen zurück.
Die Veranlaffung zu folchen Taufchungen gab in der
Regel eine tiefe Meeresbucht, oder eine breite Strom-
Mündung. So wurde der verhaltnismafsig kleine Golf
von San Julian von Magalhaes anfanglich für eine
Durchfahrt gehalten, und der Commodore fchickte zwei
Fahrzeuge in denfelben, um ihn genau zu unterfuchen.
„Sinus hic — berichtet Maximilianus Transilvanus ^) —
vastus videbatur etspeciemfreti referre. Quamobrem Ma-
gellanus praefectus duabus navibus sinus situm explorare
jubet; ipse reliquas in alto anchoris firmat Post biduum
relatumest, sinum vadosum, nee longius in terram produci".
Die Mündung desLorenzo wurde wiederholt
für den Eingang in eine offene Strafse angefehen ^) ; man
zeichnete diefe Strecke auch gleich in die Karten ein, und
nahm keinen Anftand, dazu zu notieren: „Per hoc fretum
iter patet ad Moluccas", ^).
Befonders leicht aber verleitete zu einem derartigen
Irrthume die weite trichterförmige Mündung des La
Plata. Auf der MagalhaesYchen Expedition wahntp man
hier fchon die gefuchte Strafse gefunden zu haben. A. Pi-
in Wien und dem der Lenox-Bibliothek in New- York, auf den Globen
Schöner's, auf der Weltkarte des P. Apianus von 1520 etc etc). Aehn-
lich wurde eine Durchfahrt im N. O. von America fchon frilhzeitig
kartographifch flxiert. (Vergl. u. A. mehrere Karten in J. G. Kohl;
„History of the discovery of Maine**)-
*) „De Moluccis insulis", Cölner-Ausgabe BI. A4b.
*) G. Batt. Ramusio: „Navigationi et Viaggi" etc. Volume 111
fol. 3b, und namentlich fol. 417a (in der Ausgabe Venetia 1565):
„. . . un gran fiume detto di San Lorenzo, che alcuni lo
tengono per unbracciodimare, et Thanno navigato molte leghe
air insü" etc.
') So auf der Weltkarte in der Ausgabe des Rolemaeus von Seb.
Münfler, Basileae 1540.
— 44 —
gafetta erzahlt in feiner Befchreibung der erften Erdum-
fegelung: „. . . navigammo sino k gradi trenta quattro et
un terzo vefso il polo Antarctico, dove trovammo un gran
fiume d'acqua dolce . . . Li nostri pensavano di poter
passar nel mar del Sur, cioè di mezzodi, ma non viè
passagio alcuno, se non il fiume'' ^) Auch Francisco Albo
erwahnt in feinem „Diario ö derrotero de viage de Ma-
gallanes" etc. , man habe an der Mündung des La Plata
nach einer Durchfahrt gefucht : „. . . y alli surgimos y en-
viamos al navio Santiago de longo de costa por ver si
habia pasage, y el rio estk 33 grados y medio alnordeste;
y alli hallaron unas isletas, y la boca de un rio muy grande,
era el rio de Solis, è iba al norte etc.'^^ Ganz Aehnlicbes
berichtet auch der genuefifche Pilot Bautista in feinem
„Roteiro da viagem de Fernam de Magalhdes'' 3).
Eine derartige Verwechslung liegt unzweifelhaft auch
hier vor. Diefe Anficht, dafs der ^calfo* der ^Ze3^ung
aufs Presillg Landt* kein Canal, fondern ein Golf war,
lafst fich auch recht wol mit dem Wortlaute der Flug-
fchrift vereinbaren. Der Berichterftatter mufs felbft zu-
geftehen, dafs die Paffierung der angeblichen Strafse
nicht gelungen ift. Die beiden Schiife waren ebenan den
Eingang eines gröfseren Golfes gelangt, und hatten diefen
unter dem erften Eindrucke der Scenerie für das gehalten,
^) Ramusio 1. c. I. f. 353b. (Ausgabe 1563). Ich citiere nach
Ramusio, da diefer Text verlafslicher ift, als die Ausgabe des Pigafetta
VOD Amoretti (Milano 1800), die fich zu wenig ftreng an die hand-
fchriftliche Ueberlieferung halt. Cf. Harrif f e B. A. V. Additions
p. XXXIII. : ,,Amoretti's edition is only a traoslation in modem
Italian . . . with considerable alterations**.
<) Navarrete, Colleccion de los viojes y descubrimientos etc.
Tomo IV. p. 211. —
«) Vergl. Lord Stanley ofAlderley: The first voyage roahd
the world by Magellan. London 1874. [Works issued by the Hakluyt
Society Nr. 52], p. 2.
- 45 -
was fie füchten und erwarteten. Als dann Sturm Ae bald
zur Umkehr zwang, waren fie nicht mehr in der Lage,
(ich von der Unrichtigkeit diefer Anficht zu überzeugen,
und den wahren Sachverhalt zu conftatieren ^).
Man ift geneigt, auch hier an den La Plata zu den-
ken *). AUein verfchiedene Momente lafTen es viel wahr-
fcheinlicher erfcheinen, dafsdie vermeintliche Durch-
fahrt der „Zeytung" im Golfe von St Mathias zu
fuchenift.
Zunachft pafst die von der ^Zeytung* mitgetheilte
Breitenangabe von 40® ungleich beffer auf den Golf von
St. Mathias, als auf die Mündung des La Plata. Weiter
ftinunt zu diefer Localitat fehr gut die Erzahlung der
^Zeytung* von der weiteren Fahrt nach der Umkehr in
in der angeblichen Strafse: „Und als wieder auff die Costa
oder seyten von Presill wider Westwertz*) kumen sein,
haben sie vil güter Rio, das ist flüfs vnd porten gefunden,
défsgleichen am hyndan fsu-en''. Auf die Bahia de S. Ma-
tias folgen in der That unmittelbar nacheinander mehrere
bedeutendere „Rio und porten", wie der R. Negro, der
R. Colorado, die Bahia S. Bias, die Union Bay, False Bay,
Bahia Blanca etc, wahrend andererfeits die maremmen-
und lagunenreiche Küfte nördlich von der La Plata-Mün-
dung den^Berichterftatter kaum zu einer folchen Aeufser-
ung hatte veranlafTen können.
Wenn die ^jZeytung* behauptet, die beiden SchifTe
feien „b'ey Sèchtzig meyllen" in nordweftlicher Richtung
*) VergL den Wortiaut der «Zeytung* in Beilage I.
^ „Wenn überhaupt irgend eine Thatfache der Angabe Schöner's
zu Grande liegt, fo hat man an die Entdeckung des La Plata-Stromes
zu denken, deflen Trichtermündung für eine Meerenge leicht gehalten
werden konnte*^ Pefchel, Gefch. d. Ërdkunde (2te Aufl.) p. 36in.
•) Offeubar nur im Gegeofatze zu der wefentlich öftlichen Fabr-
richtong nach der Umkehr innerhalb des Golfes.
- 46 -
in der vermeintHchen Meerenge vorgedrungen, fo können
wir auch bei dem Golfe von S. Miathias an diefem Wort-
laute fefthalten. Da die ^Zeytung* auf ein italienifches
Original zurückgeht, fo haben wir unter „Sechtzig meyllen"
ohne Frage italienifche Miglien zu verftehen, alfo i5 geo-
graphifche Meilen. DieTiefe des genannten Grolfes betragt
aber mehr als 20 geographifche Meilen ^). Die Schilderung,
welche Francisco Albo in feinem Diario von der Bai von
St. Mathias entwirft, ift ebenfalls fehr geeignet, die Rich-
tigkeit unferer Annahme zu beftatigen: „...el camino
fue al oes noroeste, y estabamos en derecho de una bahia
muy grande, k la cual pusimos nombre de la bahia de
San Matia, porque la hallamos en su dia; y entramos bien
dentro, y no podiamos hallar fondo, basta que fuimos dentro
de toda ella, y hallamos 80 brazas, y tiene de giro 5o
leguas*), y el embocamiento va al noroeste, y esta en
altura de cuarenta y dos grados y medio" ^).
lp der Bai von St. Matliias haben wir alfo aller
1) Cf. die fchöne Kaïte von Dr. A. Petermana: Mapa Origiaal
de la Republica Argentina y estados adyacentes etc. Gotha 1875.
£rgiUuiingsheft 39 zu PetermaDn's geographifchen Mittheilungen.
*) Ohne Zweifel „leguas castellanas", von denen man da-
mals bald etwas mehr, bald etwas weniger auf den Aequatorial-Grad
rechnete; die gewöhnlichfte Schatzung war 16% leguas == i®.
M. Fernandez D'Enciso: ,, Summa de geographia" (2te Ausgabe
Sevilla 1530) fol. vii b. gibt diefe Taxierung: „E porque cada un
grado esta tassado en diez y seiz leguas y media y un sesmo de ca-
mino. Sabras que todo el mundo tiene en derredor trezientos y sessanta
grados que montan seys mil leguas**. Auch Am. Vespucci xmd der
Aftronom Ruy Faleiro berechneten den Erdgrad auf 16% leguas. Ueber
die Unücherheit jener Zeit in der Schatzung der Langenmafse vergl.
u. A. Pefchel, Gefch. d. Erdkunde, 2te Aufl. p. 392, und „Die Thei-
lung der Erde unter Papft Alexander VI. und Julius II., Leipzig 1871»
p. 24 ff.
8) Navarrete, 1. c. Tomo IV. p. 2i4. VergL auch die Shnliche
Darilellung des Bautifla Genovese bei L. Stanley of Alderley 1. c. p. 2.
— 47 —
Wahrfcheinlichkeit nach die angebliche Strafse zu er-
blicken, von der die „Zeytung aufs Presillg Landt" freudigen
Muthes zu erzahlen weifs ; fie ift das reale Object, das jenem
rathfelhaften Kartenbilde unferes Schoner zu Grunde
liegt, von dem wir eingangs gefprochen.
Dafsaber Schoner fichbei feiner Zeichnung der Püd-
lichen Durchfahrt einzig und allein auf die „Zeytung
aufsPresillgLandt"ftützt, das be weist zunachft fchon
der hiehergehörige Text in feiner „Luculentissima quaedam
terrae totius descriptio" von iSiS, der, wie wir gefehen,
Nichts Anderes ift, als ein magerer, aber nahezu wortgetreuer
Auszug aus dem genannten Flugblatte. Das beweist aber
auch der Globus felbft. Denn Schoner bietet auf demfel-
ben nicht etwa neues kartographifches Material für die
Oftküfte von Süd- America, fondern nur ein verzerrtes
Abbild der „Tabula terrae novae" aus der Strafsburger-
Ausgabe des Ptotemaeus von iSi3. Wie dort, fo bildet
auch bei ihm der „Rio de Cananor" den (udlichften Punkt
dieferKüfte; nur ift derfelbe vom 3Sten ganz willkürlich
auf den 40ten Grad verfchoben, offenbar blofs um die von
der „Zeytung" angegebene Polhöhe zu gewinnen. In Folge
deffen wird die ganze Uferlinie in unnatürlicher Weife
auseinander gezerrt, und fammtliche Küftenpunkte von
„R. de Cananor" bis „C, St, Crucis" find aus der richtigtn
Lage gerückt. —
Wenn man früher den Nürnberger Globus Schö-
ner's ^), und die „Copia der Newen Zeytung aufs Presillg
Landt" *) als Beweismaterial fur die Anficht herangezogen
*) Ghillany, Gefch. d. Seefahrers Martin Behaim p. 65 fF. cf.
auch oben p. 5.
*) H. Harrif fe B. A. V. p. 175: „. . . a new history of the
voyages to the southern seas, which may yet prove, that what is now
termed the Straits of Magellan, was visited before 15 19", und ahnlich
auchp. XLIX.
- 48 -
bat, die patagonifche Strafse fei fcbon vor Magalbaes
entdeckt worden, fo ift, wie wir boffen, durch die Ergeb-
niffe unferer Unterfuchung allen derartigen G>mbiaationen
der Boden für immer entzogen.
Dagegen kann es wol keinem Zweifel unterliegen,
dafs durch die Expedition, von der unfer Flugblatt be-
richtet, mit ihrer vermeintlichen Auffindung einer fiid-
americanifchen Durchfahrt, die thatfachliche Löfung diefes
Problemes wefentlich gefördert und befcbleunigt worden
ift. Wir dürfen eben nicht vergeffen, dafs einer der Aus-
rüfter jener beiden Scbiffe, Chr. deHaro, ein treuer
Freund und machtiger Gönner des Magalbaes gewefen ift,
und aüf das Zuftandekommen feiner Plane mafsgebenden
Einflufs genommen bat.
VI.
Die angebliche Karte des Martin Behaim mit der
Magalhaes-Strasse, und das Weltbild des Lionardo
da Vinci.
Antonio Pigafetta aus Vicenza, einer der Theil-
nebmer an der ewig denkwürdigen Fahrt des Magalhdes,
verfafste wabrend der Reife ein ausfiibrlicbes Tagebuchi
welches er bald nach feiner Rückkehr dem Kaifer Karl V.
überreichte, Daffelbe ift leider verloren gegangen. Spater
fchrieb dann Pigafetta auf den Wunfch Papft Clemens VII.
und des Grofsmeifters Villiers de Tlsle Adam eine zufam-
menhangende Erzahlung über den Verlauf der erften
Erdumfegelung. Diefe ift uns glücklicberweife erhalten,
— 49 —
und gehort zu den wichtigften Documenten fiir die Ge-
fchichte der MagalhaesTchen Expedition ^),
In diefem Reifeberichte findet fich folgende in-
tereffante Notiz über eine Karte des deutfchen Kosmo-
graphen Martin Behaim , auf welcher die von Magaibdes
gefuchte Enge angeblich bereits eingetragen war:
,,. . et non si saria mal trovato detto stretto , se non fusse
stato il Capitan generale Hernando Magaglianes, perchè
tutti li Capitani delle altri navi erano di contraria oppinione,
et dïcevan, che questo stretto era chiuso intorno. ma Her-
nando sapeva, che vi era questo stretto molto occulto,
per il qual si poteva navigare, il che aveva veduto
descritto sopra una charta nella Tbesoraria
del Re di Portogallo, la qual charta fu fatta
per uno eccellente huomo, detto Martin di
Boemia; et cosi fu trovato con gran difficultk"*),
Diefe Erzahlung findet eine auffallende Beftatigung in
einer ahnlichen Mittheilung des fpanifchenHiftorikers An-
toniodeHerrera, welche, wie es fcheint, von der Piga-
fetta's vöUig unabhangig ift *): „. . . pero yva [Magallanes]
muy cierto de hallar el estrecho, porque aviavistouna
*) Ueber die handfchriftliche Ueberlieferung von Pigafetta*s Bericht
C H. Hariffe B. A V. p. 248 ff. Additions p. XXVIII. ff. und
Lord Stanley of Alderley 1. c. L. ff.
•) Ramusio, Navigationi et Viaggi I. f. 354b (Venetia 1563).
") O. Pefchel (Gefch. d. Zeitalters der Entdeckungen p. 6i6n)
beftreitet die Competeoz des Herrera in diefer Frage, da er nur die
Worte des Las Casas (lib. IIL cap. 100.) wiederhole, welcher
letztere fich wieder auf Pigafetta beziehe. Das ill allerdings richtig ;
allein gerade die oben citierte, flir uns allein bedeutfame Stelle fchein t
bei La.s Casas zu fehlen. Herrera hat eben fafl unzweifelhaft noch
andere Quellen benützt, fo namentlich, wie Humboldt (Kritische Un.
terfuchungen L p. 251 u. 254.) vermuthet, das — jetzt verlorene —
Tagebuch des Aftronomen der MagalhSesTchen Expedition, Andreas
de San Martin.
W i e • e r , MagalhAes-Straue. A
— 5o —
charta de m ar ear, que hizo Martin de Bohemia
Portugues, natural de la isla del Fayal, Cosmografo de
gran opinion, adonde se tomava mucha luz del
estrecho, demas que Hernando de Magallanes era
hombre esperimentado en la mar, y de mucho juyzio"^).
Die Angaben der beiden Schriftfteller lauten zu ent-
fchieden, und dimmen zu fehr mit einander überein, als
dafs wir die ganze Erzahlung einfach als Marchen abthun
dürften. Das Zeugnis des Pigafetta fallt überdies um fo
fchwerer ins Gewicht, als er perfönlich in freundfchaft-
lichen Beziehungen zu Magalhaes (land , und fein Bericht
in einem für diefen durchaus günftigen Sinne abgefafst ifl.
Es ift allerdings vöUig unberechtiget, aus den ange-
führten beiden Stellen eine Entdeckung der fud-ameri-
canifchen Strafse vor Magfalhaes herauszulefen, für die
fonft nicht das geringfte Beweismaterial vorliegt. Nach
dem Wortlaute der Quellen werden wir indeflen daran
wol fefthalten müflen, dafs Magalhaes vor feiner
Abreife eine Karte gefehen habe, auf welcher
eine füdliche Durchfahrt bereits angegeben
war, und dafs man diefe Karte dem Martin Be-
haim zufchrieb. Jedenfalls handelte es fich dabei nur
um die kartographifche Fixierung einer vermutheten
Meerenge im Süden des neuen Continentes. Die allgemeine
Aufmerkfamkeit war ja damals auf diefen Gegenftand ge-
richtet Und dafs man die fiidliche Durchfahrt in Karten
eintrug, ehe fie noch wirklich aufgefunden war, das darf
uns fo wenig Wundernehmen, als bei der nordweftlichen
oder der central-americanifchen Strafse, die uns beide be-
kanntlich auf fehr vielen Karten jener Zeit begegnen.
^) y^storia general de los hechos de los Castellanos en las islas
y tierra ürme del Mar Oceano'^ Decada II. lib. II. cap. 19. (Madrider-
Ausgabe von 1601, Bd. II; p. 66),
— 5i —
Dafs Martin Behaim eine derartige Karte entworfen
haben konnte, ift allerdings nicht abfolut unmöglich,
da die Portugiefen fchon bald nach der Entdeckung Bra-
filien's durch Cabral im J. iScxD die Idee eines fudweftli-
chen Seeweges nach Indien aufnahmen, M. Behaim aber
erft i5o7 in Liffabon ftarb *). Allein ob die von Pigafetta
und Herrera erwahnte Karte wirklich von M. Behaim her-
rührte, ift trotzdem mehr als fraglich. Wie leicht mochte
man damals geneigt fein, eine Karte, welche ein fo wich-
tiges und fo viel ventiliertes Unternehmen als ausfiihrbar
erfcheinen liefs, durch den popularen Namen eines be-
rühmten Kosmographen zu legitimieren.
Dafs die Globen Schöner's in keinem Zufammen-
hange mit diefer angeblichen Arbeit Behaim's (landen,
können wir mit Sicherheit daraus fchliefsen, dafs Schoner,
wie oben gezeigt, zu feiner Darftellung der fudlichen
Durchfahrt, die er ganz willkürlich in altere uns bekannte
Karten einfchob, blofs durch die „Copia der Newen Zey-
tung aufs Presillg Landt" veranlafst wurde.
Ich möchte indefTen auch beftreiten, dafs die Karte,
auf welcher Magalhaes die auftralifche Enge eingetragen
fand, der Schoner' fchen Zeichnung geglichen habe,
*) n^S^T Pfintztag nach Jakoby, 29. Juli starb der Gestreng vnd
vest her Martin Behaim, Ritter im Kynckreich zv Portugal, dem gott
Gnedig sey**. So lautet die Infchrift auf dem Todten fchilde , den der
Sohn Martin Behaim's zu Ehren feines Vaters in der St. Katharinen-
Kirche zu Nürnberg aufhangen liefs. Es ifl völlig ungerechtfertiget,
wenn Murr (1. c. p. 121) und nach ihm Ghillany (Gefch. des See-
fahrers R. M. Behaim p. 77) und O. Pefchel (Gefch. d. Z, A. d,
Entdeckungen p. 617, und Gefch. d. Erdkunde, 2te Auflage p. 277)
gegen dieses ausdrttckliche Zeugnis das Todesjahr des deutfchen Kos-
mographen auf 1506 anfetzen. Die von ihnen als Beleg hiefiir ange-
zogene Urkunde (Ghillany 1. c. p. 107) lafst gar keinen Schlufs auf
den Tod M. Behaim's zu. Das Tagesdatum auf dem Todtenfchilde aber
pafst nur zum Jahre 1507.
4*
- 52 —
wie mehrfach behauptet worden ift ^), Ich glaube vielmehr
diefen Typus in einem anderen Weltbilde aus vormagal-
haesYcher Zeit wieder zu erkennen. Wir verdanken daflelbe
keinem Geringeren, als Li o nar do da Vinci. Die Ori-
gihal-Handzeichnung befindet fich in der kgl. Sammlung
zu Windsor-Castle. Die Karte ift von dem ausgezeichne-
ten Kenner der Gefchichte der Erdkunde R. H. Major
mit einem gründlichen Commentare verfehen publiciert
worden 2).
Diefe einfache, ja unbeholfene Karten-Skizze ift in
mehrfacher Beziehung für die Gefchichte der Erdkunde von
nicht gewöhnlichem Intereffe. Für uns hat diefelbe defshalb
fpeciellen Werth, well fie mit grofser Treue die Vermuthun-
gen widerfpiegelt, die man vorder endgültigen nautifchen
Löfung des Problemes über die Möglichkeit hegte, das
indifche Geftade vom Weften her zu Schiffe zu erreichen. In
demWeltbilde des Lionardo da Vinci finduns
die Züge jener Karte im Wefentlichen genau
erhalten, durch welche Magalhaes in feinen
weitausfchauenden Planen beftarkt wurde^).
*) Pefchel, Gefch. d. Z. A. d. Entdeckungen , p. 620. und
Kohl: Gefch. d. Entdeckungsreifen und Schifffahrten zur Magellan-
Strafse p. 8.
*) „Memoir on a mappemonde by Leonardo da Vinci, being the
earliest map hitherto known containing the name America: now in the
Royal Collection at Windsor". London 1865. (From the Archaeologia
VoL XL.)
^ Die zahlreichen officiellen Karten , welche Magalhdes auf
feine Fahrt mit fich nahm (von den beiden Reinel, von Diego Ribeiro,
Nuno Garcia etc.) befchrankten fich ausfchliefslich auf die Angabe der
wirklich entdeckten Gebiete. Der Raum zwifchen Cabo Frio an der
Kilfle Brafilien*s und den tierras de Malucco, dem eigentlichen Ziele
des ganzen Untemehmens, blieb leer; „Desde este cabo Frio hasta
las islas de Maluco por esta navegacion no hay ningunas tierras asenta-
das en las cartas que 11e van". Navarrete, Colleccion de los viajes etc.
IV. p. 155 u. 179 f.
— 53 —
Diefe Skizze Lionardo's, refp, die ihr zu Grunde lie-
gende Originalkarte, entftand aber zu einer Zeit, als
Martin Behaim langft nicht mehr unter den Lebenden
weilte. —
Eine zuverlaffige und ziemlich ausführliche Mitthei-
lung über die in der fraglichen Periode herrfchenden Vor-
ftellungen von der Land-Gruppierung in der neuen Welt
findet fich in der Flugfchrift des Maximilianus Tran-
silvanus: „De Moluccis insulis"i). Diefe Quelle gewinnt
erhöhte Bedeutung durch den Umftand, dafs der Verfaffer
in nahen verwandtfchaftlichen Beziehungen zu Christoph
de Haro ftand, dem mehrfach erwahnten einflufsreichen
Freunde des Magalhdes 2).
In dem einleitenden Capitel feiner Schrift fiihrt Max.
Transilvanus aus, dafs man den Plan des Magalhaes und
Christ. de Haro fur einen fehr gewagten , ja abenteuerli-
chen gehalten habe. „Damals fei noch keineswegs ent-
fchieden gewefen, ob nicht jenes ungeheure Landergebiet,
das man als ,terra firma' bezeichne, den occidentali-
fchen Ocean vom orientalifchen völlig abfperre, oder ob
die nach Süden zu verlaufende Küfte fpator nach Weften
fich umwende. Auch im Norden feien zwei Regionen ge-
fiinden worden, von denen die eine ,B^ccalearum
(regio)', die andere ,terra flor i da' genannt werde»
Falls nun auch diefe beiden Gebiete mit jenem Continente
in feftem Zufammenhange dunden , dann ware gar keine
Ausficht vorhanden, vom Weften her nach dem Oriënt
vorzudringen. Trotz allen Bemühungen fei es bis dahin
nicht gelungen, eine Durchfahrt zu entdecken".
Diefer Darftellung des Max, Transilvanus entfpricht
*) S. die einfchlagigen Partieen in der Beilage II.
>) „Christoph o rus Haro, frater soceri mei", nennt ihn
Max. Transilvanus.
- 54 -
nun in überrafchender Weife die Gruppierung der atlan-
tifchen Landerraume auf der Karte Lionardo's i). Auch
hier begegnen uns die drei von M. Transilvanus erwahnten
Territorien: ein grofser Continent, weiter nördlich
die „t e r r a f 1 o r i d a", und endlich ein „BaLCaLla, r" genann-
tes Gebiet, Zwifchen diefen Landercomplexen find die
gefuchten und erhofften Durchfahrten offen gelaflen. Die
Oftküfte des neuen Continentes aber biegt fcharf gegen
Weften um, ganz fo, wie man nach Max. Transilvanus die
Verhaltniffe zu finden erwartete, falls hier im Süden über-
haupt ein Durcblafs in die oflafiatirchen Gewafler exi-
ftierte.
Die Karte des Lionardo da Vinci i(l nicht datiert» (ie
bietet jedoch verfchiedene Anhaltspunkte für die chrono-
logifche Beftimmung.
Da auf der Karte der ftille Ocean bereits angegeben
erfcheint, fo kann diefelbe, wie der Herausgeber R. H,
Major hervorhebt , erft nach i5i3 entftanden fein; am
25, September diefes Jahres erblickte Vasco Nuhez Balbod
zuerft vom Kamme der Cordilleren aus das auftralifche
Weltmeer, und erreichte wenige Tage fpater deffen Ge-
ftade. Auf das namliche Jahr deutet auch die Bekannt-
fchaft unferes Weltbildes mit der „terra florida". Am
*) Tafel III. enth^lt eine (auf den Mafsflab unferer Skizzen der
SchönerTchen Globen reducierte) Nachbildung diefer Karte. Die Pro-
jectioDS-Methode des Originals ift eine ziemlich ungewöhnliche : je eine
Kugelhalfte (und zwar die nördlich e und füdliche) ift durch
4 gleichfeitige Kreisbogen-Diieiecke dargeftellt. Diefe Methode ift u. A.
befprochen in „O r o n t i i Finaei Delphihatis: De G)smographia, sive
mundi sphaera libri V." Paris 1530 fol. 154b f. (In der Quart-Ausgabe
von 1555 f. 54b f.) Um die Vertheilung der Landmaflen in der neuen
Welt charakteriftifcher heraustreten zu laflen, zog ich es vor, die weft-
liche Hemisphèlre ftereographifch zu projicieren , liefs dann aber zur
Wahrung der Conformitat mit dem Originale das Gradnetz fort.
- 55 —
Ofter-Sonntage (Pascua florida), den 27.Marz, iSi3 *) ent-
deckte Juan Ponce de Leon diefe vermeintliche Infel,
Eine weitere Handhabe zur Datierung der Karte kann
uos vielleicht der rathfelbaft klingende Name Mastilca
Hefern, welcher fich im nordweftlichen Theile des ameri-
canifchen Continent es eingetragen findet. Major ift ge-
neigt» denfelben auf die Mosquito-Küfte zu beziehen.
Nach meiner Anficht ift er ein Lefefehler für „A. Ca-
stilla", i. e. „Aurifia Castilla". Diefe Conjectur bietet
graphifch gar keine Schwierigkeit, da der Name mit Ca-
pital-Buchftaben gefchrieben ift, und fie ift um fo mehr
berechtiget, als fich ahnliche Lefefehler noch mehrfach
auf der Karte finden 2).
Unter Gold-Caftilien verftand manden nordweft-
lichen Theil der „tierra-firme" bald in gröfserer, bald in
geringerer Ausdehnung. Im J. 1 5 13 wurde die Regent fchaft
über die fes Gebiet dem Pedrarias d'Avila übertragen, In
feiner Inftruction wird die Bezeichnung „Castilla Aurifia"
officiell gebraucht „Lo que vos Pedrarias Davila, que vais
por nuestro Capitan general é Gobernador asi por mar
como por tierra a la tierra-firme , que se solia llamar, é
agora la mandamos llamar Castilla Aurifiaetc.'^^)
*) Dafs die Entdeckung Florida*s im J. 15 13, nicht 15 12, wie
fait durchaus behauptet wird, ilattfand, hat Pefchel überzeugend nach-
gewiefen. (Zeitalter der Entdeckungen p. 521 f.) Nur zu dem erft-
genamiten Jahre klappt das von Her re ra mitgetheilte Tagesdatum
(1. c. Dec. I. lib. 9, cap. 10. Madrider-Ausgabe von 1601 Bd. I. p. 312).
Das richtige Jahr ift vom Inca Garcilaso de la Vega überliefert (,,La
Florida", lib. I. cap. 2.).
2) Ein ganz analoger Fall ift u. A. die Form „Inclind" ftatt
Melind(a) an der Oftküfte von Africa. Weitere Verftümmelungen
auf der weftlichen Hemisphare find: Cm ba fiir Cuba, Zipugna für
Zipangu, etc. (cf. Major 1. c. p. 20.).
*) Navarrete IIL p. 343 f.
— 56 — '
Spater ift indeflfen die Benennung ,,Castilla del OroV all-
gemein durchgedrungen ^).
Unter dem unmittelbaren Eindrucke von Balboa's
wichtiger Entdeckung wurde im Herbfte i5i4 Juan Diaz
de Solis beauftragt , mit einem kleinem Gefchwader die
tierra firme im Süden zu umfahren , und durch das Mar
del Sur an die weftlichen Geftade von Gold-Caftilien vor-
zudringen. Dann follte er unterfuchen, ob es nicht möglich
fei, von dort aus durch eine Oefïhung des Landes („aber-
tura") in die antillifchen Gewaffer zurückzukehren 2),
*) C. Wytfliet gebraucht noch in feinem «yDescriptionis Pto-
lemaicae Augmentum*' (Lovanii 1597) die Bezeichnung Castilia
Aurifera neben Castilia del Oro* Vergl. Kart. Nr. 7.
*) In den Jndnictionen des Solis vom 24. Nov. 15 14 heifst es
u. A. : „Que vos el dicho Juan de Solis seais obligado de ir ^ las
espaldas de la tierra, donde agora est^ Pedro Arias, mi capitan general
é gobémador de Castilia del oro, y de alli adelante ir descubriendo
por las dichas epaldas de Castilia del oro mil é setecientas leguas é
mas si pudierdes, contando desde la raya é demarcacion, que va por
la punta de la dicha Castilia del oro adelante, de lo que no se ha
descubierto hasta agora, con taoto que no toqneis en costa alguna de
las tierras, que pertenescen i, la corona Real de Portugal'* etc.
Und : „Luego como Uegaredes é. las espaldas de donde éstuviere
Pedrarias, enviarleeis un mensagero con cartas vuestras para mi,
haciendome saber todo lo, que hobieredes visto hasta alli, y enviadme
la fïgura de aquella costa. É lo mesmo, que me escribieredes escribid
tambien i, Pedrarias, y envialde tambien otra fïgura de la dicha costa,
como la que é, mi enviaredes, é continuareis vuestro camino. É si la
dicha Castilia del oro quedare isla, é hobiere abertura por dond podais
enviar otras cartas vuestras é. la isla de Cuba, enviadme otro hombre
por alli, haciendome saber lo, que hobieredes hallado desques, que
me hobieredes escrito por via de Pedrarias, é la ügura de lo, que
hobieredes descubierto, escribidme largo é particularmente lo que
pasardes vos de alli ade]ante'^ (Navarrete III. p. 134 ff.)
Vergl. damit auch die Stelle bei Herrera (Dec. II. lib. I.
cap. 7) : „. ... para que Juan Diaz de Solis fuesse a descubrir por
la costa de tierra firme al Sur, se partiessen con brevedad por los
- 57 -
Man erwartete alfo damals die Durchflihrbarkeit eines
voUftandigen Periplus von Süd- America: einerfeits im
Süden des neuen Continentes einen Seeweg aus dém atlan-
tifchen Ocean in das von Balboa entdeckte Meer, und an-
dererfeits auch im Norden eine Strafse, welche die Fahrt
von den wefllichen Geftaden der Aurifia Castilla in die
antillifchen Gewaffer ermöglichte.
Diefe Anfchauungen finden wir in der Skizze Lio-
nardo's graphifch fixiert, und wir werden kaum fehlgrei-
fen, wenn wir die Fntftehung der Karte (refp. ihrer Vor-
lage) in diefe Zeit, i5i4— i5i5, verfetzen.
Wie uns Herrera berichtet, erhielt J. D. de Solis im
J. 1 5 14 den Auftrag, im Vereine mit Juan Vespucci (dem
Neffen des Amerigo V.) eine General-Karte fiir Fahrten
nach Indien anzufertigen, die «ganz verlafsHch und wahr*
fein foUte ^). Die Karte des Solis fcheint verloren gegan-
gen zu fein. Dagegen befitzen wir wahrfcheinlich in einer
Karte des bayrifchen Hauptconfervatoriums der Armee
eine portugiefifche Copie derfelben^), Und gerade diefe
Karte zeigt in Bezug auf Vertheilung der Landmaflen und
zéios, que tenia de Portugueses, y por las opioiones de los Cosmo-
grafos, que se podria por aquella parte haUar passo para las
islas de la esp e eer ia".
^) «Aviendose el Rey determinado en la jornada de Pedrarias
para tierra ürme: mandó que luego se entendiesse ea aparejar el ar-
mada que avia de Uevar: pero que ante todas cosas Juan Dlaz de
Solis, a quien avia dado titulo de Piloto mayor, y Juan Vespucio,
que tambien tenia titulo de Piloto, se juntassen, y hiziessen un padron
gen er al, que fuesse muy cierto y verdadero*. (1. e. Deo. I. lib. X.
cap. II. Madrlder-Ausg. von 1601, Bd. I, p. 358.) —
*) Blatt IV. des <fAtlas zur Entdeckungsgefchichte America*s»
(Monumenta saecularia der k. Akademie in München 1859). Vergl.
auch J. G. K o h 1 «^die beiden alteflen Generalkarten von Amerika*
p. 29 f.
i
- 58 —
VerlaufderKüftenlinien in der neuen Welt ganz auffallende
Aehnlichkeit mit unferer Tafel III. i)
Die Skizze des Lionardo da Vinci ift ofïenbar blofs
eine Copie aus dritter oder vierter Hand, und die Zeit
ihrer Anfertigung ift daher nicht unbetrachtlich fpater
anzufetzen, als die des Originales. Es hiefse entfchieden
der geiftigen Gröfse Lionardo's zu nahe treten, wenn
man ihm zumuthete, dafs er eine Karte in fo ftümperhafter
Weife felbft entworfen , oder auch nur unmittelbar nach
einem Originale copiert habe. Der gelehrte und technifch
hocbgebildete Künftler kann die Zeichnung nur nach
einer fchlechten Copie flüchtig hingeworfen haben, ohne
fich Zeit und Mühe zu nehmen, die vielen Fehler feiner
Vorlage zu corrigieren.
Die Karte Lionardo's foU aus einer Sammlung von
Handzeichnungen ftammen, welche der grofse Künftler
bei feiner Abreife nach Frankreich im J. i5i6 feinem
Schuier und Freunde Francesco Melzi zurückliefs. Wenn
fich das wirklich fo verhalt — und R. H. Major gibt hier-
über die beruhigendften Aufklarungen 2) — , f o ift die
KarteinderunsvorliegendenFormfpateftens
i5 16, früheftens i 5 i5 entftanden^). —
Die Expedition des J. D. de Splis mifslang bekannt-
lich vollftandig. Der Führer wurde mit dem gröfsten
Theile feiner Mannfchaft an der Mündung des La Plata
von den Eingeborenen erfchlagen. Entmuthigt gaben nun
die Spanier vorderhanddieVerfucheauf, das fiidlicheEnde
des neuen Continentes zu erreichen. In Folge deffen konnten
') Die Nomenclatur ifl dagegen aof den beiden Karten eine
wefentlich verfchiedene.
2) 1. c. p. 15 f,
>) R. H. Major beftimmt, wie bereits angedeutet, das Datum
der Karte auf 15 13— 15 14.
- 59 -
die damals gehegten Anfchauungen und Vermuthungen
über die Möglichkeit, weflwarts fegelnd nach Oft-Afien zu
gelangen, fich durch langere Zeit erhalten, bis dann Ma-
galhdes die alten Plane wieder aufnahm , und — glückli-
cher als feine Vorganger — auch durchführte.
VII.
Der Austral - Continent.
Neben der (lidlichen Durchfahrt erregt auf den beiden
Globen des Joh. Schoner und auf der Karte Lionardo's am
meiften unfer Intereffe jener Continent, der fich rings um
den antarktifchen Pol lagert Dunkle Vermuthungen über
die Exiftenz eines ausgedehnten Südlandes fpuckten fchon
fehr früh in den Köpfen der Kosmographen und Natur-
philofophen, und es ift nicht unmöglich, dafs unfere verfrüh-
ten Kartenbilder unter dem Einfluffe derartiger Hypothe-
fen entftanden.
Ariftoteles, Krates, Eratosthenes und viele andere,
Natur-Philofophen des Alterthums, namentlich die meiften
Alexandriner, lehrten, dafs jenfeits des Oceans, und durch
diefen von dem bekannten Erdenraume getrennt, ein
grofses ebenfalls bewohntes Südland liege ^). Sehr bekannt
ift u. A. die intereffante Stelle in Macrobuis' „Comment.
in somnium Scipionis", worin er von der „terra quadrifida"
und den „australes homines" fpricht 2).
*) Diefe „Gegenerde" darf natürlich mit der Anticbthon der
Pythagoraer, einem felbilandigen fpharifchen Körper, nicht verwechfelt
werden.
^ Lib. II. cap. 9. Vergl. Humboldt, Kritifche Unterfuchungen
— 6o —
Durch das ganze Mittelalter erhielten fich diefe Ideen,
und wurden im rcholaftifchen Sinne weitergebildet. Rha-
banus Maurns erwahnt einen vierten Erdtheil im Süden
des Oceans, der von den Antipoden bewohnt, wegen der
grofsen Sonnenhitze aber nicht naher bekannt fei ^). Beda
Venerabilis 2) , dann Wilhelm von Conches*), Albertus
Magnus ^), Roger Baco ^) und Andere nahmen, meift aus
mehr oder weniger myftifch-naturphilofophifchen Griin-
den, die Exiftenz ausgedehnter Landmaflen auf der füd-
lichen Hemisphare an.
Auf einer handfchriftlichen Karte a. d. XII. Jahrh.
im Befitze der Turiner Bibliothek zeigt fich jenfeits des
Oceans gegenüber von Africa ein weites Landgebiet mit
folgender Infchrift: „Extra tres autem partes orbis quarta
pars trans oceanum interior est, qui solis ardore incognita
nobis est, cujus finibus antipodes fabulosae inhabi-
tare produntur" ^). Und eine islandifche Rad-Karte aus
I. p. i66 f., n. p. 87 flf. — Vivien de Saint-Martin, Histoire
de la Géographie, Paris 1875, p. Il8 ff.
*)Cf. Steph. Fellner, Compendium der Naturwiffenfchaften
an der Schule zu Fulda im IX. Jahrh. Berlin 1879. p. 104.
«) K. Werner, Beda der Ehrwürdige und feine Zeit Wien 1875,
p. Iio.
■) K. Werner, Die Kosmologie und Naturlehre des fcholaflifchen
Mittelalters, mit fpec. Beziehung auf Wilhelm von Conches, Wien 1874
(A, d. Sitzungsberichten d. k. Akad. phil. hift. Cl.) p. 64 f.
*) Wilh. Schmidt ,Ueber Dante's Stellung m der Gefchichte
der Kosmographie. I. Theil: Die Schrift De aqua et terra*. Graz
1876. p. 25 f.
**) K. Werner, Die Kosmologie und allgemeine Naturlehre des
Roger Baco. Wien 1879 (A. d. Sitzungsber. d. k. Akad. philof. hift.
Claffe) p. 113 ff. — W. Schmidt 1. c. p. 26.
•) Die Karte ift wiederholt publiciert, u. A. von Santarem PI.
25 feines Atlas, von J. Lelewel, PI. Jomard, Monuments de la
géographie Nr. XIII. (Jomard verlegt die Karte in das X. Jahrh.) Eine
andere Redaction derfelben Karte aus d. Klofter Saint-Sever in d. Gas-
— 6i —
dem En de des XIIL Jahrh. verzeichnet neben den 3 be-
kannten Erdtheilen noch einen vierten Continent jenfeits
des Zodiacus mit der Benennung: „Synnri bygt", d. h.
„Bewohnter Theil des (udlichen Erdkreifes i).
Naturgemafs mufsten diefe Vermuthungen beim Be-
ginne der grofsen oceanifchen Entdeckungen durch die
Portugiefen und Spanier befonders energifch in den Vor-
dergrund treten, So lefen wir bei A. de Her r era, Chrift,
Colón fei auf feiner Sten Reife im J. 1498 deswegen von
den Infeln des grünen Vorgebirges aus nach Süden ge-
fegelt „por entender, si se enganava el Rey don Juan de
Portugal, que afirmava, que al Sur avia tierra firme"^).
Und der Admiral felbft fchrieb, nachdem er das Feftland
von Süd- America erreicht batte: „creo, que esta tierra,
que agora niandaron descubrir vuestras Altezas, sea
grandisima y haya otras muchasen el Austro
de que jamds se hobo noticia''^).
In allen bisher citierten Aeufserungen über eine terra
australis handelt es fich lediglich um vage Vermuthungen.
Dagegen beruht die nachfolgende intereffante Notiz des
fpanifchen Geographen M. F. D'Enciso (iSig) entfchieden
auf (wirklichen oder wenigftens vermeintHchen) Beob-
achtungen: „Este cabo de buena esperanga tiene al Oeste
ala tierra que llaman austral. ay desdel cabo de
buena esperanga fasta ala tierra austral quatrocientas y
cincuenta leguas, esta enxlii grados, esta tierra au-
cogne ilammend, jetzt in d. Bibliothèque nationale in Paris, i(l be-
fchrieben und abgebildet von E, Cortambert im Bulletin de la Soc.
de Géogr. 1877, p. 337 ff. Die Infchrift des Ausftral-Landes ift diefelbe,
wie auf der Turiner-Karte.
*) K. Wilhelmi: Island, Hvitramannaland, Groenland and Vin-
land etc. Heidelberg 1842 p. 227 f.
>) 1. c. Dec. I. lib. III. cap. 9.
>) Navarrete.I. (2te Ausg.) p. 408.
— 62 —
stral esta del cabo de sant agostin seycientas leguas, esta
santagostin al sueste, quarta al sur, desta tierra no se sabe
mas de quanto la han visto desde los navios, porque no
han descendido enella" ').
Die Quelle für diefe durch ihre Befiimmtheit frap-
pierenden Angaben D' Enciso's glaube ich in den Berichten
über die 3te Reife des Amerigo Vespucci gefunden zu
haben.
Vom Cap St, Auguftin ab — erzahlt Vespucci in
feinen „Quatuor Navigationes" — feien er und feine Ge-
fahrten lange Zeit dieKüde vonBrafilfen entlang gefahren,
bis fie fich entfchloffen, wieder die hohe See zu gewinnen,
um anderswo Land zu erforfchen. Sie fegelten nach Süd-
Ofl bis zum S2ten Grad liidl. Br. Endlich erblickten fie
Land, und fuhren bei 20 Meilen am Geftade hin, In Folge
heftigen Sturmes aber mufsten fie, ohne zu landen, wieder
umkehren ').
') Martin Fernadez Denciso, Snina de geograéa, Se-
villa 1519. ate Ansgabe, eodem 1 1530, foL S4b. Nach dem
hier Gefaglea Cnd die diverfen Vetftöfee ia Pefchel's Gefch. d. Erd-
kunde, ate Aufl. p. 363 zu berichtigea.
*)„..■. DOS oram illom linqueotes et inde aav^tionem nostram
per Setoccum ventnm initiantes Febrnarii xiii. videlicet, cum sol
equinoclis jam appropinquaret et ad hoc Septentrionis hemisperiuin
noslrnm vergerel, in tantum pervagati fnimas, ut meridiannm polom
super horizonta illmn lü gradibus snblimalum ïovenerimus Nobii
autem sub hac naviganlibna turbulent! a , terram nnam Aprilis ii vidi-
mus, penes quam XX. circiler leucas navigautes appropiavimns
Vemm illam omnimoda bnitalem et extraneam esse contpeiimus, in
qua quidem nee portum quempiam, nee gentes aliquas fore conspexi-
mus: ob id (ut arbitror), quod tam aspemm in ea fiigus algeret, ut
tam acetbom vix quisquam perpeti posset. Foiro in tanto pecicnlo, io
tantaque lempestatis importunitate oosmet tum reperimus, «t yix alteri
alteros pregrandi turbine nos videremus. Quamobrem demum cum
narium prelore paritei concordavimus , ut connavitis nostris omnibus
— 63 —
Leider herrfcht in den Briefen des Vespucci bezüglich
der Zahlenangaben die bedauerlichfte Verwirrung, Die
Ziffern ftimmen nicht nur in den verfchiedenen Redac-
tionen nicht mit einander überein, fondern es finden fich
fogar in einer und derfelben Ausgabe widerfprechende
Daten. In dem Specialberichte über die dritte Reife heifst
es z. B. : „. . . e tanto navigammo presso di detta costa, che
traspassammo il tropico hiemale verso il polo Antarctico
per 17 gradi et mezzo, dovehavemmoForizontelevato cin-
quanta gradi" i). Diefe Ziffern find, wie man fieht, entfchie-
den unhaltbar^). Was fiir eine Küfte es gewefen, die
der florentinifche Seefahrer in fo hohen Breiten gefehen
haben will, müffen wir bei der Ungenauigkeit feiner An-
gaben dahingeftellt fein laffen. F. A, de Varn hagen fpricht
fich für Süd-Georgien aus ^).
terram Ulam linquendi, seque ab ea elongandi et in Portugalliam
remeandi signa faceremus*S Mart. Hylacomylus, Cosmographiae
Introductio, St, Deodati, 1507. — Bandini, Vita e lettere di Am.
Vespucci, Firenze 1745. p. 54 f.
*) Ramusio I. (Ausg. Venetia 1563) f. 130b. — Bandini
1. c. p. 106.
^ In der alteflen lateinifchen Separat-Ausgabe diefes Briefes des
A. Vespucci „Mundus Novus" s. 1. et a. ift die Stelle anders formii-
liert, aber ebenfalls mit widerfprechenden Zahlen: ,,Secundum hujus
littus tandui navigavimus, quod pretergresso capricorni tropico in veni-
mus polum Antarcticum illo eorum orizoote altiorem quinquaginta gra-
dibtis. Fuimusque prope ipsius Antarctici circulum ad gradus decem
séptem semis**. Analog lauten die Angaben auch in den „Paesi nova-
mente retrovati" Vicenza 1507: „. . . 1. gradi, et fosseme apresso de
esso antatricho (!) circolo ai gradi xvii e mezzo". Vergl. F. A. de
Varnhagen: „Amerigo Vespucci, son caractère, ses écrits (même
les moins authentiques), sa vie et ses navigations". Lima 1865 p. 17.
•) „Amerigo Vespucci etc." p. 110 f. und „Nouvelles Recher-
ches etc." p. 8. — Auch auf der bereits oben erwShnten Weltkarte
des Joh. Ruyfch in der römifchen Ausgabe des Ptolemaeus vom
J. 1508 findet fich eine Notiz, die auf die befprochenen Angaben des
Vespucci zurückzufahren fein dttrfte: „Naute Lusitani partem hanc
- 64 -
Joh. Schoner kannte und benützte die „Quatuor
Navigationes" des A. Vespucci in der Ausgabe des M, Hy-
lacomylus ^), und auch der Specialbericht über die dritte
Reife an Lorenzo de Medici war ihm gelaufig, fchon aus
dem Buche von Ruchamer, und ohne Zweifel auch aus
den ganz ungewöhnlich verbreiteten Einzelausgaben in
lateinifcher und deutfcher Sprache. Die Erzahlung Ves-
pucci's mag unferen Kosmographen wol mit beftimmt
haben, ein antarktifches Land in feine Globen einzu-
zeichnen.
Unmittelbar veranlafst aber wurde Schoner zu fei-
ner Darftellung deffelben ohne Zweifel durch den Wort-
laut der „Zeytung auss Presillg Landt": „Dann sie haben
auff der andern seyteri auch die-landt ge fehen, Als sie bey
Sechtzig meyllen vmb den Capo kommen sein, zu gelei-
cher weyfs als wenn ainer in Leuanten fert, vnd die stritta
de gibilterra passiert, das ist furfert, oder hyndurch ein-
farn, vnd das landt von Barbaria sicht". Diefem Vergleiche
des Flugblattes verdankt oflfenbar der antarktifche Con-
tinent auf dem Globus von 1S20 feine unverkennbar afri-
canifchen Formen; fogar die Syrten und der machtige
Golf von Guinea durften nicht fehlen. Ebenfalls auf die
„Zeytung aufs Presillg Landt" zurückzuführen ift die Be-
nennung des neuen Feftlandes: „Brasilie Regio" auf
dem Globus von iSiS, und „Brasilia inferior"auf dem
von 15 20. Bei diefer Namengebung paffierte übrigens un-
ferem Kosmographen ein fatales qui pro quo.
terrae hujus [Sanctae Crucis sive Mundus Novus] observarant et usque
ad elevationem poli antarctici 50 graduum pervenerunt, nondum tarnen
ad ejus fmem austrinum**. Aehnliches bemerkt auch der Herausgeber
des Ptolemaeus, der Mönch Marcus BenevcDtanus. (Cf. übrigens darü-
ber Humboldt „Aeltefte Karten d. neuen Continents" p. 4, und
F. A. de Varnhagen: „Nouvelles Recherches" p. 8, und „Ainda
Am. Vespucci" p. 3.)
*) Vergl. oben p. 20 und unten Beilage IIL
^ 65- —
Es ift freilich keine leichte Aufgabe, fich in dem
grammatirchen Labyrinthe der .Zeytung* zurechtzufinden.
AUein bei aufmerkfamer Lectüre ergibt fich ganz unzwer-
felhaft, dafs unter „Presill" oder „Presill Landt' das
ganze öftliche Küftengebiet von Süd- America bis zur an-
geblichen Strafse zu verftehen ift. Das gegenüberliegende
Südland wird in der .Zeytung* nicht namentlich bezeich-
net. Das „vndtere Presill" der Flugfchrift ift ofTenbar
nur der aequatoriale Theil des .Presill Landt*. Das ergibt
fich aus der ganzen Schilderung des „vndteren Presill", die
auffallend an die Befchreibung erinnert, welche A. Ves-
pucci,!) Jean deLery,^) Gir. Benzoni^) und andere
Reifende des XVI. Jahrh. von diefen Gegenden entwerfen.
Der Ausdruck .v n d t e r* bezieht fich hier offenbar auf die
Polhöhe oder die geographifche Breite. Wenn alfo Scho-
ner auf feinem 2ten Globus die Bezeichnung ^.Brasilia sive
Papagalli Terra'* an der richtigen Stelle eintragt, und
dafur den Auftral- Continent „Brasilia inferior" (augen-
fcheinlich das „vndtere Presill" der .Zeytung*) nennt, fo
kommt er nur aus dem Regen in die Traufe.
Auf der öftlichen Hemisphare fcheint Schoner die
Contour des Süd-Continentes völlig ad libitum ausgezogen
zu haben. Auf dem alteren Globus verlauft die Küfte vom
NuU-Meridian ab in nordöftlicher Richtung, und nahert
fich öftlich von der Insel Zanzibar unter iSo® Lange am
meiften dem Aequator, bis zum 38ften Breitengrad. Auf
dem Globus von 1S20 hat das neue Feftland nicht un-
betrachtlich an Ausdehnung gewonnen, und reicht an
*) Vergl. die Befchreibung der 3ten u. 4ten Reife in M. Hy la-
co m y 1 u s , Cosmographiae Introductio , und den Specialbericht übei
die 3te Reife an Loreozo di Pierfrancesco de* Medici, a. a. O.
>) Histoire d*un voyage fait en la terre du Brésil dite Amerique.
Rouen 1578.
•) La Historia del Mundo Novo etc. Venctial565.
W i e ■ e r f MagalhAes-Strasse. 3
^ GS —
mehreren Stellen bis zum 36ften Grad. Das Innere deffel-
ben ift auf beiden Globen mit imaginaren Gebirgen, und
einigen Seen von faft geometrifcher Regelmafsigkeit ge-
fchmückt. Auf der (noch unedierten) Oft-Halfte des Glo-
bus von i520 findet fich die Infchrift: „Bi**^!!!^ Regionis
pars inferior hec". —
Durch die grofse Entdeckung Magalhaes' erhielten
dann diefe unficheren Vorftellungen von der Exiftenz
eines antarktifchen Continentes ein reelles Subftrat. Das
Feuerland wurde natürlich fofort als Nordrand diefes Con-
tinentes in Anfpruch genommen.
Die altefte Karte , auf der das antarktifche Feftland
den fpater fo allgemein gelaufigen Namen „Auftral-
L a n d", „Terra A u s t r a 1 i s" tragt, ift, fo weit ich fehe,
die „Nova et integra universi orbis descriptio" des bedeu-
tenden überaus vielfeitigen franzöfifchen Gelehrten Oron-
tius Finaeusi) vom J. i53i.
Es ift eine Weltkarte in eigenthümlich doppel-herz-
formiger Projection, fo dafs die nördliche und die fiidliche
Hemisphare getrennt erfcheinen 2). Tafel IV. gibt eine
Abbildung der letzteren in Originalgröfse *).
^) Oronce Fine aus Briangon in der Dauphiné; er fUhrte dajier
regelmafsig den Beinamen «Delphinas*.
s) Diefe Projicieruogs-Methode ift nur eine Modification einer von
dem Nümberger Kosmographen Joh. Wemer ausfUhrlich befprochenen
aquivalenten herzformigen Projection. VergL darüber u. A. H. Gret-
fchel, Lehrbuch der Karten-Projectionen, Weimar 1873 p. 162 f., u.
S. Gunt her, Studiën zur Gefch. d. mathematifchen und phydcalifchen
Geographie, Halle 1877 ff. p. 300 f. D'Avezac, Coup. d'oeil
historique sur la projection de Cartes p. 50 flf. (Aus d» Bulletin Soc.
Geogr. 1863), und Idem: „Note sur une Mappemonde Turke" p. 5 f.
(BuUetin 1865).
•) Das Detail im Innem von Africa und America wurde als völlig
irrelevant weggelaiTen, da fich fiir uns ja das ganze Intereffe auf
das Auftral-Land concentriert
- 67 -
Quer durch den antarktifchen Continent zieht fich die
Inschrift: „Terra Australis recenter inventa, sed non-
dum plene cognita'^ Die patagonifche Enge ift für da-
mals ziemlich genau gezeichnet. Das Auftral-Land erfcheint
daher an diefer Stelle im Vergleiche mit den Schoner' fchen
Darftellungen um ca, lO Grad zurückgedrangt. Dagegen
ragt daffelbe um fo wei ter in die afiatifchen Gewaffer
hinein, und erreicht da wiederholt nahezu den Wendekreis.
So mit einer machtigen Halbinfel, welche als „Regio
Pat al is" bezeichnet ift. R. H. Major hat fich vergeblich
bemüht, diefen Namen anderwarts zu belegen i). Ichglaube,
dafs „patalis^' gar nicht alsEigenname, fondern als Appel -
lativum aufzufafTen ift, fo dafs alfo Regio Patalis Nichts
Anderes bedeutet, als „of f e nes Land'' — eine Bezeich-
nung, die in ihrer Allgemeinheit wol nur dazu dienen
foUte, die beangftigende Leere im Innern des grofsen
Continentes etwas zu maskieren^).
Die dritte Legende in dem Auftral- Lande auf der
Karte des Orontius Finaeus klingt uns wolbekannt Sie
lautet: „Brasielie[!]Regio'*3).Der Zufammenhang
mit den SchönerTchen Globen ift unverkenn-
bar. Ein fo eigenthümliches Mifsverftandnis können wol
kaum zwei Autoren unabhangig von einander machen.
*) „Further facts in the history of the early discovery of Australia".
Archaeologia XLIV. Londou 1873, P* ^37* Major ifl geneigt, die ganze
Darftellung des antarktifchen Continentes auf der Karte des Orontius
Finaeus als einen Beleg fUr die frühzeitige Entdeckung Australiens
aufzufaffen.
*) VergL übrigens im Itinerarium des Lodovico de Varthema
die Stelle ilber die Infel „Gyava": „ea prope in immensum pat et"
etc. Grynaeus, Novus OrbLs (Basileae 1532) p. 271. Die lateinifche
Bearbeitung des Vat thema durch Archang. Madrignano, welche Grynaeus
abdruckty erfchien zuerfl Mediolani 1511. (S. „Studj bibliografie! e
biografie! sulla storia della geografïa in Italia" — Roma 1875 — p, 122.)
*) Auf einem Globus der Stadt-Bibliothek zu Nancy tragt der ant-
5»
é
— 68^ —
Die Benützung einer Arbeit Schöner's durch den fran-
zöfifchen Kosmographen hat durchaus Nichts Auffallendes.
Deutfchland ftand damals in fehr lebhaften literarifchen
Beziehungen zu Paris. Der Verleger der Karte des Oron-
tiusFinaeus, ChriftianWechelius, war ein Deutfcher;
in den Parifer Nachdrucken einer deutfchen Publication,
(des Bafeler Gelehrten S. Grynaeus „Novus Orbis") findet
fich unfere Karte haufig als Beilage i), —
VorKurzem wurde in einer Privat-Bibliothek zuNew-
York eine kleine etwas defecte Karte aufgefunden, die fich
bei naherer Zuficht als geographifch-hiftorifche Raritat
erften Ranges entpuppte. Es ift das einzige bis jetzt be-
kannte Exemplar einer Neubearbeitung der doppel-
herzförmigen Weltkarte des Or. Finaeus durch
Gerhard Mercator vom J. i538, die altefte uns er-
haltene kartographifche Arbeit Mercator's überhaupt 2),
Der fchon damals vielverfprechende Kosmograph halt fich
im Allgemeinen ziemlich genau an feine Vorlage, bietet aber,
namentlich in den neuentdeckten Landfchaften, mancher-
lei Verbefferungen. Der antarktifche Continent zeigt we-
fentlich diefelbe Geftalt, wie bei Finaeus, nur ift er etwas
reduciert *).
Drei Jahre fpater veröffentlichte G. Mercator einen
dem kaiferlichenKanzlerNicolausPerrenotS. deGranvella
arktifche Continent ebenfalls die Bezeichnungen „Brasielie Regio'' und
„Regio Patalis". (Vergl. Mémoires de la Soc. Roy. de Nancy, 1835 PL IV.).
Ohne Zweifel liegt diefem Globus die Weltkarte des Or. Finaeus zu Grunde.
*) Harriffe 1. c. p. 296 ff.
*) Elial F. Hall „Gerard Mercator, his life and works" und
„Appendix" dazu von J. Carson Brevoort p. 195 f. (Bulletin of
the American Geographical Society 1878 p. 163 ff. u. p. 195 f.)
*) Eine Abbildung diefer hochintereffanten Karte publicierte Char-
les P. Daly in feinem inflructiven Essay „On the early history of
Cartography" (Bulletin of the American Geograph. Society 1879, p. 35),
leider fo (lark verkleinert, dafs fich die Legenden nicht entziffem laflen.
- 69 -
gewidmeten Erd-Globus i). Auf diefem ift dem neugefchaf-
fenen Continente zum erftenmale die Würde eines fünf-
tenErdtheiles zuerkannt. In dem machtigen Auftral-
Lande, das in den füdoft-afiatifchen Gewaflern bis über
den Wendekreis aufragt^), finden wir die Notiz: „Quinta
haec, et quidem ampHssima pars, quantum coniectare licet,
nuper orbi nostro accessit, verum paucis adhuc littoribus
explorata".
Auch auf diefem Globus begegnen uns noch Nach-
wirkungen des Schöner'fchen Mifsverftandnifles. Zwar
fehit hier die Bezeichnung „Brasiliae Regio", aber an ihre
Stelle trat eine dem Wefen nach identifche. Gegenüber
dem Cap der guten Hoffnung lefen wir namlich: „Psi-
tacorum regio, a Lusitanis anno i5oo ad milia passuum
bis mille praetervectis sic appellata, quod psitacos alat
inaudite magnitudinis, ut qui ternos cubitos aequent longi-
tudine". Diefe Notiz ift einem Briefe des venetianifchen
*) Es ift das Verdienft des unermüdlichen Biographen Mercator's,
Dr. J. van Raemdonck, diefe Arbeit unferes Kosmographen aus
dem Dunkel der Vergeflenheit hervorgezogen zu haben. Ein Facfimile
der auf der kgl. Bibliothek zu Brüffel befindlichen Globus-Streifen er-
fchien unter dem Titel: „Sphère terrestre et sphère céleste de Gérard
Mercator de Rupelmonde, éditées h Louvain en 1541 et 1551". Bru-
xelles 1875. Raemdonck fchrieb dazu einen erklarenden Text:
„Les sphères terrestre et céleste de Gérard Mercator**. Saint-Nicolas
1875. Exemplare des Erd-Globus fmd noch vorhanden auf der k. Hof-
Bibliothek in Wie n (cf. Steinhauser in d. Mittheilungen d. Wiener
geograph. Gefellfchaft 1875 P- 589* ^^^ Raemdonck: „Sur les exemplaire.%
qui existent encore aujour d*hui des grandes cartes de Mercator/*
Paris 1878, p. 9.) und auf der grofsherzoglichen Bibliothek zu Wei-
mar (cf. Wiefer: „Der Portulan d. Infanten und nachmaligen Königs
Philipp II. von Spanien", Sitzungsb. d. k. Akademie d. W. in Wien,
phil. hist. Cl. 1876 p. 547.)
*) Mercator hielt einen ausgedehnten antarktifchen Continent fiir
nothwendig zur Herftellung des Gleichgewichtes auf der Erde, als Ge-
genfchub gegen die Continente der Nord-Hemisphare. Vergl. leine
— 70 —
Gefandten am portugiefifchen Hofe Cretico über die Ent-
deckung Brasilien's durch P. Alvarez Cabral entlehnt*).
Die lateinifche Bearbeitung diefes Briefes findet fich in
S. Giynaeus' Novus Orbis^), alfo demfelben Werke, das
in vielen Exemplaren auch die Weltkarte des Orontius
Finaeus enthalt. Wie es fcheiot hat Mercator, irregeleitet
durch die falfche Angabe auf der Karte des Finaeus, die
allerdings etwas unklare Stelle über Brafilien in dem Briefe
auf das Auftral-Land bezogen, den Namen Brasilia aber
hier nicht mehr verwendet, da fich derfelbe inzwifchen
bereits definitiv für den öftlichen Theil von Süd-America
eingebürgert hatte.
Nachfolgende Kartographen gebrauchten dann wol
gelegentlich beide Bezeichnungen neben einander. So
bringt der fchön gearbeitete Meffmg-Globus des Joh.
Praetorius von iS68^), der fich im mathematifch-phyfi-
kalifchen Salon zu Dresden^) befindet, die „Regio Patalis"
und „Brasieliae Regio" des Orontius Finaeus dfeben der
„Psitacorum terra" des Mercator.
Abhandlung „"De mundi creatione ac fabrica'' Cap. lo. — S. auch
Lel e wel, Géographie du moyen Sge, II. p. 184, und Raemdonck,
Les sphères terrestre et céleste de G. M. p. 30.
*) „Paesi novamente retro vati" etc. Vicenza 1507, cap. 125.
*) In der Bafeler-Ausgabe von 1532, p. 130 ff,
*) Einen anderen Erdglobus (ebenfalls von Meffing) diefes be-
kannten Mathematikers vom }. 1566 beHtzt die Nürnberger Stadt-
Bibliothek. Cf. Ghillany, Gefch. d. Ritters M. Behaim, p. 60 n.
^) Diefelbe Sammlung bewahrt auch eine kleine überaus zierliche
Erdkugel von ca. 1560, auf welcher das Süd-Polarland ebenfalls die
Namen «I^egio Patalis*, «fBrafilia^ etc. enthSlt. Diefer Erdglobus befteht
aus einer flark vergoldeten Kugelfchale; in dem Hohlraume ruht ein
(ïlbemer Himmelsglobus, der feinerfeits wieder ein Uhrwerk in feinem
Innem birgt. Die Arbeit ift von Chriillan Heyden gefertiget VergL
Dr. A. Drechsler, Mittheilungen über die Sammlung des kgL ma-
thematifch-phydkalifchen Salons zu Dresden, nebfl culturhÜlorifchen
- 71 —
Mercator fuchte das Kartenbild der Terra Australis
einigermafsen zu beleben durch Namen und Citate aus
den Reifefchilderungen des MarcoPolo, Lodovico de Var-
thema u. A. So fchon auf dem Globus von i54i, und noch
mehr auf der grofsen Weltkarte von iS6g^), in die er
z. B, auch die oben erwahnte Stelle aus D'Enciso's ,,Suma
de Geografia" eintrug. Die Namen .Beach*, .Locach*,
.Maletur* find fammtlich dem lateinifchen Texte des
Marco Polo im „Novus Orbis* von Grynaeus entnonunen.
Speciell der Name Be ach auf beiden Karten verdankt
nur einer falfchen Schreibung fiir Locach bei Grynaeus
feinen Urfprung, wie R. H. Major in fcharffichtiger Un-
terfuchung gezeigt hat^) Spater wurde dann nach an-
deren Ausgaben des M. Polo die richtige Lefeart als
neuer Name nebenBeach aufgenommen. Wahrfcheinlich
hat Mercator felbft diefen Irrthum verfchuldet: auf dem Glo-
bus von 1S41 findet fich nur die Bezeichnung Beach, auf der
Weltkarte von 1S69 aber erfcheinen bereits beide Namen.
Durch die fortfchreitenden Entdeckungen wahrend
der zweiten Halfte des XVI. und der erften des XVII. Jahr-
hunderts fchien die Vermuthung von der Exiftenz eines
grofsen Süd-Continentes erwünfchte Beftatigung zu er-
halten 3). Namentlich behauptete Pedro Fernandez de
Quirós beharrlich, das auftralifche Feftland gefunden zu
BemerkuDgen. Sep.-Abdruck aus d. „Bulletin de la Société Impériale
de Naturalistes de Moscou", Dresden 1873, p. 27 f.
*) S. das fchöne Facfimile in Jomard, Monuments de la géo-
graphie, Nr. XXI.
') „Supplementary Facts in the history of the Discovery of Au-
stralia". Archaeologia, Bd. 44, p. 254. Vergl. auch H. Yule, The
book of Ser Marco Polo the Venetian, second edition II. p. 261.
•) R. H. Major; Early voyages to Terra Australis, now called
Australia etc. London 1859. (Publications of the Hakluyt Society
Nr. 25.) — Em. Wisotzki „Die Vertheilung von Waffer und Land
an der Erdoberflache". Königsberg 1879, p. 13 ff.
— 72 —
haben, und machte dem fpanifchen Hofe Vorfchlage zur
Colonifierung deffelben *). Einfichtige und aufrichtige Geo-
"graphen konnten fich allerdings nicht verhehlen, dafs man
von der Terra Australis oder Magellanica fo gut wie gar
keine zuverlaffige Kunde habe^). Nichtsdeftoweniger er-
hielt fich doch der oben charakterifierte Typus für das Süd-
land mehr oder weniger getreu noch durch lange Zeit,
befonders in den Arbeiten deutfcher, niederlandifcher und
italienifcher Kartographen. So findet er fich mutatis mu-
tandis auf dem grofsen Erdglobus des Philipp Apian
vom J. iS 76 (im Befitze der Hof-Bibliothek zu München),
und auf den Weltkarten des A. Ortelius, Jod. Hondius,
Corn. Wytfliet, des J. Gaftaldi, Th. Porcacchi, Ruscelli-
Rosaccio etc. etc. 3).
*) Al. Dalryjnple: An historical CoUection of the several
voyages and discoveries in the South Paci£c Ocean. VoL I. p. 95 &
— DoB Justo Zaragoza: Historia del descubrimiento de las
.regiones Austriales, hecho por el general Pedro Fernandez de Quirós.
Madrid 1876—80.
^ So bemerkt u. A. Jod. Hondius: „Magellanica is tot noch
• toe by naer gansch onbekent gebleven, soo dat men weynich daer van
_spreecken can*'. (Tractaet etc. i 6 1 2 p. 28.) Vergl. auch „Welt- oder
Erd- und Waffer-Kugel, sampt denen Land-Charten", Leipzig 1671,
p. 29.
•) In eine ganz andere Kategorie gehören mehrere franzöfifche
Weltkarten des XVI. Jahrh., die den Austral-Continent gegenüber von
Sumatra in eine rieiïge Halbin fel „Jave la grande'' enden laflen,
und in derfelben zahlreiche Namen fiir Buchten, Vorgebirge, Fliiffe etc.
verzeichnen. Diefen Typus reprafentiert u. A. die grofse Weltkarte,
welche auf Befehl K. Heinrichs II. von Frankreich angefertiget wurde
(Jomard, Mon. de la Géogr. Nr. XIX.); dann die Karte von P, Des-
celiers vom J. 1553 (Malte-Brun, „Un Géographe Francais du XVIo.
siècle retrouvé." Bulletin de la Soc. de Géogr, 1876) etc. Es ift
namentlich ein Verdiend R. H. M a j o r ' s , auf die grofse hiflorifche
Bedeutung diefer Karten aufmerkfam gemacht zu haben. VergL fein
bereits erwahntes Werk ,,Early voyages to Terra Australis, nów called
Australia", dann „The life of Prince Henry of Portugal, suroamed the
- .73 -
Die Spuckgeftalt des antarktifchen Circumpolar-Con-
tinentes verfchwand auch dann noch nicht, als die Infel-
NaturNeu-Guinea's, des Feuerlandes, ja Neuhollands langft
conftatiert war. Mit trügerifcher Beftimmtheit tauchte das
Phantom von Zeit zu Zeit wieder auf bis tief herein in
unfer Jahrhundert.
vm.
Spaetere Globen des Joh. Schoner.
F. A. de Varnhagen bemerkt in feiner Abhand-
lung ,Jo. Schoner e P. Apianus" etc. (Vienna 1872) p. 53
Folgendes :
„Ndo nos consta, que Schoner fizesse outro globo,
[als den „que leva a data de 1S20"]; pelo que émui prova-
vel, que fosse esse mesmo, que hoje se vê na bibliotheca
püblica de Nuremberg, o que o proprio Schoner em 1S23
ofïfereda ao pai do bigpo de Bamberg, por nieio de uma
carta, que dea a luz, com o seguinte titulo :
De nuper sub Castiliae ac Portugaliae Regibus Sere-
nissimis repertis Insulis ac Regionibus, Joannis Schoner
Charolipolitani epistola et Globus Geographicus, seriem
navigationum annotantibus. Clarissimo atque disertissimo
viro Dno. Reymero de Streytpergk , ecclesiae Babenber-
Navigator" London i868 p. 440 ff., endlich „Further facts in the
history of early discovery of Australia" (Archaeologia Bd. 44, p. 233 ff),
Nach den Refultaten der Unterfuchungen Major's, welche (Ich haupt-
fachlich auf diefe Karten ftützen, wurde Auflralien fchon in der erften
Halfte des XVI. Jahrhunderts entdeckt, und zwar wahrfcheinlich von
franzöüfchen (fpeciell provengalifchen) Seeleuten.
— 74 —
gensis Canonico dicatae"^). — Die hier citierte Schrift
Schöner*s tragt das Datum: „Timiripae, Anno Incarnat.
Dni. iS23".
Dafs die von Varnhagen in dem erften Satze ausge-
fprochene Anficht auf einem Irrthume beruht, ergibt fich
aus unferen Auseinanderfetzungen über den Globus von
iSiS (oben Cap. Hl.), Aus dem Wortlaute des Schöner'-
fchen Briefes von i S 23 ^) geht aber auch klar hervor, dafs der
in diefem Jahre dem Bamberger Canonicus R. v. Streitberg
überreichte Globus keineswegs identifch ift mit dem vom
J. 1S20, fondern dafs es fich hier um eine neue karto-
graphifche Arbeit unferes Kosmographen handelt.
Schon die im Eingange des Briefes gebrauchte Phrafe
von der „rerum novitas" pafst fchlecht auf eine Arbeit,
die bereits vor Jahren entftanden war, Auch dürfte die
Dedication eines veralteten Globus nicht fonderlich
geeignet gewefen fein, Schönern die Gunft feines Patrons
wieder zu gewinnen, was er doch eingeftandenermafsen
damit beabfichtigte.
Nachdem Schoner im Verlaufe feiner Epiflel einen
kurzen Ueberblick über die grofsartigen Entdeckungen
der Spanier und Portugiefen gegeben, die Fahrten eines
Vasco de Gama, eines Chrift. Gblón, eines Fern. Cortez,
und fchliefslich die erft jüngft voUbrachte Erdumfegelung
*) Aehnlich auisert (ich Varnhagen auch in feinen „Nouvelles
Recherches'' etc* p. 20: „Igualmente em 1520 foi mscripto o dito nome
[America] no globo do proprio Schoner (que cremos ser o mesmo,
que hoje se encontra em Nuremberg, e cujo hemispherio occidental
se acha reproduzido pelo Sr. Ghillany) por elle offerecido em 1523
ao conego de Bamberg, Reymer de Streytpergk por meio de uma carta
datada de Timiripa".
*) Wir geben die intereflante und feltene Flugfchrift in der Bei-
lage III. voUinhaltlich wieder. Dort fïnden Hch auch die darauf be-
^Üglichen bibliographifchen Notizen.
- 75 -
durch Magalhaes gebührend gewürdigt hat, fchliefst er
folgendermafsen :
„Ego tam mirifice orbis pervagationi nonnihil
volens adjicere, ut quae lectu videantur mirabilia, aspectu
credantur probabiHora, Globum hunc inorbis
modum effingére studui, exemplar haud fallibile
aemulatus, quod Hispaniarum sblertia cuidam viro honore
conspicuo transmisit Nee obidquem antea glomera-
veram abolitum iri volens, quippe qui eo tempore, quan-
tum phas erat homini abdita mundi penetrare, abunde
'expressit, modo sese consona admissione patientur, quod
invenienda inventis non obstent. Accipe igitur h u n c a m e
formatum globum ea animi benignitate, qua eum
laborem ad tui nominis honorem lubens aggres-
sus sum".
Darnach kann es wol es keinem Zweifel unterliegen»
dafs auf diesem neuen Globus die Entdeckungen des
F. Cortez und die Ergebnifle der Magalhaesïchen Expe-
dition 1) bereits verzeichnet waren. Schoner ftellt denfel-
ben ofTenbar feiner (zweimal ausgeführten) früheren
Globus-Redaction gegenüber, auf der diefe neue-
ften Errungenfchaften noch nicht berückfichtiget waren,
Unfer Kosmograph thut fich übrigens dabei nicht wenig
darauf zu Gute, dafs er fchon damals verhaltnismafsig
*) Schoner benützte über diefelben neben dem von ihm felbft
citierten Briefe des Max. Transilvanus noch eine andere Flugfchrift,
die kurz vorher im Drucke erfchienen war, und die, wie es fcheint,
zuerft die fenfationelle Kunde von der erften Erdumfegelung nach
Deutfchland gebracht hatte. Sie führt den Titel: „Ein Schone Newe
zeytung so kaiferlich Mayestet aufs India yetz nemlich zukommen seind.
Gar hüpsch von den Newen ynfeln, vnd von yrem sytten gar kurtz-
weylig züleesen". Einen diplomatifch genauen Abdruck des feltenen
Flugblattes gibt E. Wel Ier „Die erften deutfchen Zeitungen" (Bib-
liothek d. lit. Vereins Bd. iii, p. 38 ff.). Vergl. auch H. Harriffe,
B. A. V. p. 195 f.
- 76 -
richtig dargeftellt habe, was erft fpatere Entdeckungen
beftatigen follten.
Leider fcheint diefe Erdkugel vöUig verloren zu fein,
wénigftens blieben alle meine diesbezügllchen Nachfor-
fchungen refultatlos. —
Dagegen ift unsein viert er, bisjetzteben-
fallsunbekanntgebliebener, Globus Schone r's
glücklicherweife erhalten.
lm Jahre i533 veröfTentlichte Schoner ein kurzes
.&^gJ*aphifches Compendium unter dem Titel: „Joannis
Schoner! Carolostadii Opusculum Geographicum'
ex diversorum libris ac cartis summa cura et diligentia
collectum, accomodatum ad recenter elaboratum
ab eodem globum descriptionis terrenae."
Das Büchlein erfchien sine 1. et a. Doch ift die Wid-
mung an den Herzog Johann Friedrich von Sachsen da-
tiert: „Ex urbe Norica ld. Novembris Anno XXXIII*.
Wie fich fchon aus dem Titel ergibt, hatte diefes
geographifche Compendium auch die Beftimmung, als er-
l^uternder Text für einen neüen Erdglobus des Verfaffers
zu fungieren. Diefer Globus war ebenfalls dem Herzoge
'von Sachfen gewidmet, dem Schoner kurz vorher auch
einen Himmelsglobus zugeeignet hatte *). „Cum autem —
heifst es in dem Dedicationsfchreiben — coelestis materiae
opus dedicassemus Excellentiae Tuae, placuit et terrae
hancfabricam eidem addicere, ut cujus particulae gu-
bernatio et cura tibi commissa esset, eandem universam
*) „invitaDte nos voluntate tua", wie Schoner hervorhebt. Die
zum Himmelsglobus gehörige Abhandlung ftihrt den Titel: „Globi
stelliferi sive sphaerae stellarum fixarum usus et explicationes etc. No-
rimbergae 1533". Wenn Lelewel 1. c. II. p. 176 bemerkt:
„En 1532, fabriquant un globe pour Ie duc de Saxe, il [J. Schoner]
publia deux nouveaux renseignements sur Putilité des globes'', fo ift
die Jahreszahl falfch, und der Text ungenau.
— 77 —
contemplari quamvis parvo in globulo et perlustrare
posses**.
In der geographifchen Abhandlung felbft wird viel-
fach auf den begleitenden Globus Bezug genommen ^),
und wiederholt darauf hingewiefen, dafs es eine neue
Arbeit fei »).
Ein gut erhaltenes Exemplar diefes bis
jetzt ver fchollenen Globus befindet fich auf
der Militar-Bibliothek in Weimar, alfo derfelben
Sammlung, welche auch ein Exemplar des ólobus von
i5i5 bewahrt
Der Identitats-Beweis kann hier genau mit denselben
Argumenten erbracht werden, wie wir ihn in Cap. lü. fiir
die letztgenannte Arbeit unferes Kosmographen durch-
gefuhrt haben. Um nicht allzu fehr in die Breite zu gehen
genüge es hier zu conftatieren, dafs fammtliche Angaben
des Weimarer Globus in dem ^Opusculum Geographicum*
ihre photographifch genaue Beftatigung finden. Der Pa-
rallelismus ift ein vollftandiger: in der Gruppierung und
Abgranzung der Lander, in den zahlreichen Pofitions-Be-
ftimmungen, vor AUem auch in der Schreibung der Orts-
namen. Eigentlich ausfchlaggebend ift wieder das Vor-
kommen eines beftimmten Stadt-Namens. Von europai-
fchen Stadten ift namlich auf dem fraglichen Weimarer
Globus neben ^Lysibon* (man beachte die deutfche
Form!) nur Nuremberga verzeichnet. lm J. iS33 aber
war Schoner bereits Lehrer am Gymnafium zu Nürnberg;
*) So und A. Pars I. cap. VI: „quae etiam videre licebit in prae-
senti opere sphaerico ipsius terrae*' ; oder cap. VIII ; „Huic ergo nostro
terrae globo"; cap. IX: „hunc nostrum terrae globum" etc. Mehrere
Capitel behandeln fpeciell die Einrichtung und den Gebrauch des
Globus.
') Pars I. cap. IX. „in hoc opere novo", und fchon im Titel:
„accomodatum ad recenter elaboratum . . . globum".
- 78 -
^ex urbeNorica* ift ja auch, wie erwahnt, das Widmungs-
Schreiben an den Herzog datiert *).
Wir geben auf Tafel V eine verkleinerte Abbildung
der Süd-Heraisphare diefes vierten SchönerTchen Globus,
in demfelben Mafsftabe wie die Abbildungen der Globen
von i5i5 und 1S20.
Schon bei einem flüchtigen Vergleiche des Schö-
ner'fchen Globus von i533 mit der Wcltkarte
des Orontius Finaeus fpringt die frappante nahezu
vollftandige Uebereinftimmung diefer beiden
Weltbilder in die Augen. Auf beiden beobachten wir die-
felbe Vertheilung von Meer und Land, denfelben Verlauf
der Umrifslinien, diefelbe Nomenclatur. Es ift das vor Allem
bei dera Auftral-Continente bemerkenswerth , da ja hier
fo gut wie Alles dem fubjectiven Ermeffen des Karto-
graphen anheimgeftellt war.
Unmittelbar drangt fich die Anflcht auf, dafs Schoner
bei der Anfertigung feinesGlobus von iS33 die Weltkarte
1) An dem Knaufe, in welchem bei dem Weimarer Globus Anne
wid Beine des Meffing-Geilelles zufammenlaufen , ift eine JahreszabI
eingraviert, deren letzte Ziffer fich leider nicht recht ^pentziffern* lafst;
am eheilen kann es 1534 heifsen. Humboldt erwahnt an zwei
Stellen feiner „Kritifchen Unterfuchungen** (I. 307 und 419) eine Erd-
kugel in Weimar, „die als Zeitangabe das Jahr 1534 enthalte", ohne
dafs er fonft irgend Etwas über diefelbe bemerkte. Ohne Zweifel
meint er damit diefen jüngeren Globus von Schoner, und die Zahl am
Knaufe des Geilelles. AUein — ganz abgefehen von dem bedenk-
lichen Charakter der letzten ZifTer — ift die Jahreszahl am Fufsgeftelle
ohne Beweiskraft fiir die Frage nach der Entftehungszeit des Globus,
da die Armatur der Globen damals haufig erft fp^ter und von fremder
Hand angefertigt wurde. So tragt der Meffing-Horizont des Behaim'-
fchen „Erd-Apfels" die Datierung 15 10, ift alfo erft 18 Jahre nach
VoUendung des Globus beigegeben worden. Vergl, Murr, Diploma-
tifche Gefchichte etc. p. 19, und Ghillany, Gefch d. Seefahrers und
Ritters M. B. p. 73.
— 79 — •
des franzöfifchen Mathematikers von i53i zu Grunde ge-
legt, refpective copiert habe.
Die Möglichkeit diefes Thatbeftandes lafst fich bei
der Lückenhaftigkeit des vorliegenden Quellen-Materials
allerdings nicht beftreiten. Vielleicht liegen indefTen die
Dinge doch anders, und es ift die Uebereinftimmung zwi-
fchen den beiden Weltbildern umgekehrt aus der Be-
nützung einer Schöner'fchen Arbeit durch Or. Finaeus zu
erklaren.
Dafs Finaeus in der That aus Schoner gefchöpft hat,
wurde bereits im vorigen Capitel gezeigt: die mifsver-
ftandliche Verwendung der Bezeichnung «B ras il ie
Regio* für das grofse Südland auf der Weltkarte des
Finaeus kann nur aus diefer Quelle (lammen. Nun ift es
aber gewifs wenig wahrfcheinlich, dafs zuerft B denA, und
dann wieder A den B ausgefchrieben hat, wie es hier
unter der obigen Vorausfetzung wirklich der Fall ware.
Schoner deutet an mehreren Stellen an, welcher Art
die von ihm benützten Karten waren: es fmd Seekarten,
wahrfcheinlich fpanifche Original-Arbeiten. ^, , • . nam
ad manus fuere chartae marinariae optimis charac-
teribus conscriptae et novae, magni valoris et precii, quo-
rum etiam loca Metheoroscopiis, quantum potuimus, con-
corditer locavimus*.*) Das. Weltbild des Or. Finaeus ift
nirgends auch nur mit einer Silbe erwahnt, und doch
würde Schoner gewifs eine Karte nicht vöUig ftillfchwei-
gend übergangen haben, die er nicht nur benützte, fondern
nahezu wörtlich copierte.
Die Schwierigkeiten fchwindeiii wenn wir annehmen,
*) Opusculum Geographicum Pars I, cap. IX. Aehnlich heifst es
auch cap. VI: „. . . quae etiam videre licebit in piaesenti opere
sphaerico ipsios terrae, ac in novfssimis cartis marinariis,
quamm nos plores etiam notabiles magnae aestimationis ad manus
habuimus in hac nostra descriptione''.
— 8p —
dafs Örontius Finaeus nicht allein die ^Brasilie Regio*,
fondern den ganzen Auftral-Continent, die Magalhaes-
Strafse, überhaupt die ganze Landergruppierung von
Schoner entlehnt habe, — mit einem Worte, dafs die
Weltkarte des Or. Finaeus eine Copie nach
Schoner fei.
Die Vorlage des Delphinaten kann dann felbftver-
(landlich nicht der Globus von i S i S ^) gewefen fein, wol
aber der Globus von iS23. Das Weltbild des Finaeus
enthalt Nichts, was nicht fchon in dem genannten Jahre
in Deutfchland kartographifch fixiert werden konnte.
Der Globus Schöner's von iS23 mufste alfo — von Ein-
zelnheiten abgefehen — bereits diefelben Züge an fich
getragen haben, wie fein jüngerer Bruder von i533,
fo dafs der letztere im Wefentlichen nur als eine
zweite Ausgabe der fel ben Arbeit zu betrachten ift,
ganz ahnlich, wie Schoner auch feinen erften Globen-
Typus mit geringen Abweichungen zweimal übereinftim-
mend ausarbeitete.
Im Jahre iS23 hatte Schoner bereits fpanifche Ori-
ginal-Karten zu feiner Verfügung, wie er felbft in feinem
Brief e ^De nuper repertis insulis** betont: ^Globum hunc
in orbis modum effingere studui, exemplar haudfalli-
bile aemulatus, quod Hispaniarum solertia
cuidam viro honore conspicuo transmisit**,
Mit voller Entfchiedenheit könnte die aufgeworfene
Frage nach dem Quelleh-Verhaltniffe der beiden Welt-
bilder allerdings erft dann beantwortet werden, wenn uns
ein glücklicher Zufall den Globus Schöner's von i523 in
die Hande fpielte. Es fmd gerade in den letzten Jahren fo
viele bereits verloren geglaubte kartographifche Denk-
maler diefer Periode an da^ Tageslicht gefördert worden,
^) Der Globus von 1520 kommt als nicht veröffentlichte Hand-
AeichnuDg nicht in Betracht.
— 8i —
dafs wir wol auch hier die Hoffnung noch nicht völlig
aufgeben dürfen.
Noch eine befonders charakteriftirche gemeinfame
Eigenthümlichkeit der Weltkarte des Orontius Finaeus
und des SchönerYchen Globus von i533 möchte ich hier
mit ein paar Worten berühren. Auf beiden erfcheint die
neue Welt im Feftlands-Zufammenhange mit Afien, fo dafs
Mexico einen Theil von China bildet *). In Uebereinftim-
mung hiemit heifst es im «Opusculum Geographicum* von
Schoner:
^Americns tamen Vesputius, maritima loca Indiae
superioris ex Hispaniis navigio ad occidentem palustrans,
eam partem, que superioris Indiae est, credidit esse in-
sulam, quam a suo nomine vocari instituit. Alii vero nunc
recentiores Hydrographi eam terram ulterius ex alia parte
invenerunt esse continentem Asiae, nam sic etiam ad Mo-
luccas insulas superioris Indiae pervenerunt. Hanc con-
tinentem Asiae superioris portionem extra Ptolemaeum
ante nostra tempora ab Marco Polo Veneto et aliis quam-
plurimis lustratam legimus* 2).
Die ganze Anfchauung geht natürlich im Wefent-
lichen auf den alten Grund-Irrthum zurück, den der grofse
Genuefe mit ins Grab genommen 8). Derfelbe war geradfe
damals durch die Entdeckungen des F. Cortez neuerdings
heraufbefchworen worden. Joh. Schoner ftützte fich übri-
gens bezüglich diefes Herüberragens der alten Welt bis
an die Atlantis auf die Ergebniffe der Magalhaes'fchen
Expedition*). Es ift bemerkenswerth, dafs bereits in der
•) Diefe feltfame DaHlellung ift auch auf unferer Abbildung der
beiden Sttd-Hemispharen erkennbar, da der afiatifche Hafenplatz des
Ptolemaeus «Cattigara* an die Weftkiifte von Süd- America verlegt
erfcheint
*) L c. Pars II. cap. I.
•) Vergl. unten p. 90,
^) Opusculum Geographicuniy Pars IL cap. 20: ,,Post Ptolemaeum
Wieser, Magftlhftea-StraMe. ^
— 82 —
von Schoner fo ausgiebig benützten «G)pia der Newen
Zeytung aus Presillg Landt* die Anficht vertreten er-
fcheint, Brafilien fei ein Theil des (lidöftlichen AAen ^).
Wenn auch in den mafsgebenden Kreifen bald fchon
die Anficht fich Bahn brach, dafs die neue Welt durch
eine breite Waflerftrafse von Afien getrennt fei ^), fo er-
freute fich doch auch die Wahnvorflellung von dem
afiatifch - americanifchen Doppel - G)ntinente durch ge-
raume Zeit einer nicht geringen Popularitat Es ware
gewifs nicht ohne Intereffe, genauer zu verfolgen, wie
lange fich diefe phantaftifche Idee noch gehalten hat, und
die zahlreichen Karten mit einander zu vergleichen,
welche diefelbe widerfpiegeln.
vero ultra l8o gradnm versus orientem multae regiones repertae per
quemdam Marcum Polnm YeDetom, ac alios, sed ntmc a Colnmbo
Gennensi et Americo Vespntio, soltim loca littoralia ex Hispaniis per
Oceannm occidentalem illuc applicantes, Instratae sant, eam partem
terrae insulam existimantes vocarunt Americam, qoartam orbis par-
tem. Modo vero per novissimas navigationes, factas anno
post Christom 1519 P^^ Magellanum ducem naviom invictissimi
Caesaris divi Caroli etc. versus Moluccas insulas, quas alii Moluquas
vocant, in supremo oriente positas, eam terram invenerunt esse
continentem superioris Indiae, quae pars est Asiae''.
^) VergL unten p. 91 u. 107 n.
*) G. Mercator verzeichnete diefe Straüse — feine Vorlage, die
Weltkarte des Or. Finaeus, corrigierend — bereits auf der Karte von
1538. Hier und ebenfo auf dem Globus von 1541 erfcheint diefelbe
noch ohne Namen; auf der grofsen Weltkarte von 1569 heiist de
bereits „el streto de anian". (Ueber das friihefte Vorkommen
diefer Bezeichnung vergl. Pefchel, Gefch. d. Erdkunde 2te Aufl.
p. 273 u. 816, S. Ruge i^retum Anian", Dresden 1873 p. 23, und
Vivien de Saint-Martin, Histoire de la Géographie p. 360).
BEILAGEN.
6*
I.
Die Flugfchrift:
„Copia der Newen Zeytung auss Presillg Landt"
Wenn wir trotz der bereits zahlreich vorliegenden
Interpretations-Verfuche es unternehmen, das in der Ue-
berfchrift genannte Flugblatt noch einmal einer ausfuhr-
lichen Befprechung zu unterziehen, fo beftimmt uns dazu
vor Allem die Erwagung, dafs die ^Zeytung aufs Presillg
Landt* fpeciell fiir die vorliegende Arbeit von hervorra-
gendftem Interefle ift , und dafs die Bedeutung derfelben
ivir die Gefchichte der Erdkunde gerade durch die Re-
fultate der obenftehenden Uiiterfuchungen nicht unwe-
fentlich erhöht erfcheint. Wir heffen aufserdem noch ver-
fchiedene Punkte, wie namentlich die Frage nach dem
Datum und der Herkunft der Flugfchrift in ein etwas hel-
leres Licht rücken zu können, als es bisher gefchehen ift.
Als A. V. Humboldt die ^jCopia der Newen Zeytung*
zuerft eingehend analyfierte ^), war nur ein einziges Exem-
plar derfelben bekannt, das auf der Hof-Bibliothek in
Dresden. Heute find lO Abdrücke bibliographifch proto-
Kritifche Unterfachongen ni. p. 177—192.
— 86 —
kolliert: 6 davon befinden flch in Deutfchland ^) , 3 in
America ^, i in Frankreich ').
Trotz diefer noch immer relativ dürftigen Ueberlie-
ferungkönnen wir nicht weniger als drei verfchiedene
Ausgaben conftatieren :
A. ^Copia der Newen Zeytung aufs Presillg Landt. —
Getruckt zu Augspurg durch Ërhart oghn**).
B. ^Copia der Newen eytung aufs Presilg Landt. — Gre-
truckt zu Augspurg durch Erhart öglin*^).
C ^Copia der Newen Zeytung aufs Presillg Landt*, s. 1.®)
Da fammtliche Ausgaben ohne Jahresangabe er-
fchienen , fo wurden über die Datierung des Flugblattes
fehr divergierende Anfichten laut.
A. V. Humboldt verlegt, wie bereits erwahnt, die
von der ^jZeytung* gefchilderte Expedition in die Zeit
^) 2 auf der Hof-Bibliothek in München, je eines ia Regensburg,
Ntlmberg, Leipzig und Dresden. Vergl. E. We lier „Repertoriiun typo-
graphictun'' p. 35, und „die erften deutfchen Zeitungen" (Bibliothek
d. Ut Vereines CXI. p. 87.)
>) H. Harriffe „Bibliotheca Americana Vetustissima'S p. 172 ff.
und J. Ruffell Bartlett „Bibliographical Notices" p. 67 f.
*) In der Bibliothek von Ternaux-Compans (Archives des Voyages IL
p. 306 ff')
^) Harriffe, B. A. V. p. 174. In den Additions p. 27n. bietet
^ die Iiefeart „Zeitung*^ und |,Pressilg".
B) In dem alphabetifchen Verzeichniffe deutfcher und lateinifcher
Ortsnamen, das J. Schoner feiner „Lucul. q. terrae t. descriptio" an-
h&ngt, kommt auch vor: „Presilgen landt = Brasiliae regio''.
Vielleicht darf man aus diefer Lefeart fchliefsen, dafs Schoner die
2te Augsburger-Ausgabe vor ilcH gehabt hat.
^ £. Weller fUhrt noch eine Ausgabe „G)pia der Newen Zei-
tung aufs Bresillg Landt'' an , und beruft (ich auf ein Exemplar der
Leipziger Univerf.-Bibliothek Wie ich mich durch forgföltige Ver-
gleichung ttberzeugte, ül aber das einzige Exemplar unferer Flugfchrift,
das die genannte Bibliothek befïtzt, ein Abdruck der oben intt C be-
zeichneten Ausgabe.
- 87 -
zwifchen 1S2S und 1540^). H. Harriffe reiht die
.Zeytung* in feiner «Bibliotheca Americana vetustissima*
bei dem Jahre i520 ein, mit Rückficht auf den Umftand,
dafs in dem Berichte die füdamericanifche Durchfahrt
bereits envahnt fei, ift aber geneigt, eine frühere Datierung
anzunehmen 2).
F. A. d^Varnhagen identificiert die fragliche Ex-
pedition mit der des Gongalo Coelho von iSo3 ff., und ver-
legt das Erfcheinen der ^Zeytung* in das Jahr iSo/^).
D'Avezac fpricht fich nur im AUgemeinen dahin aus,
dafs man unfere Flugfchrift nicht über die erften Jahre
des XVX Jahrh. hinaus -datieren dürfe*).
Em. Welle r gibt als Entftehungszeit der ^Zeytung*
das Jahr i5o5 an, und fcheint hiezu ausfchliefslich durch
die Vermüthung beftimmt worden zu fein , das Flugblatt
fei ^Alberico Vespucci's Reifebericht*^). Diefe Anficht
ift aber völlig unhaltbar. Wer jemals einen Brief Ves-
pucci's in der Hand gehabt , wird zugeben , dafs die ver-
worrene im hausbackenften Style gefchriebene ^Zeytung*
ganz unmöglich als eine Arbeit des florentinifchen See-
fahrers betrachtet werden kann, der als gefchmackvoUer
*) L c. p. 185. Vergl. auch oben p. 34.
*) L c. p. 174. „The date of 1520 is altogether arbitrary, and
rests on no other foundation than mere inferences tending to show
that the account may have been written soon after the expedition of
Magellan". (Aehnlich auch J. Ruffell Bartlett: „Bibliographical
Notices etc. p. 68). In der Note aber fügt Harriffe hinzu: „if not
before", und p. XLIX. weist er geftützt auf die „Zeytung aufs Presillg
Landt" auf die Möglichkeit hm, dafs die füdweftliche Durchfahrt bereits
vor Magalhdes von Chrift. de Haro entdeckt wurde.
«) „Nouvelles Recherches" etc. p. 10, u. 49 f. und „Ainda Ame-
rigo Vespucci; Novos estudos e achegas etc." p. 3.
*) „Considerations Géographiques" etc. 1. c. p. 170.
*) „Die erften deutfchen Zeitungen" 1. c. p. 87, dann Repertorium
typographicum p. 35, und Serapaeum 1859, p. 219.
— 88 —
Schriftfteller ebenfo bekannt war, wie als gdehrter Ma-
thematiker und nautifch erfahrener Aftronom. —
Bei dem orakelhaften Dunkel, das in- der ^jZeytung*
herrfcht, ifl die Deutung und chronologifche Einreihung
aufserordentlich erfchwert. Wir fehen uns im Wefentlichen
auf das Gebiet der Conjectur und Combination verwiefem
Als unanfechtbarer ^terminus a quo* fur die Expe-
ditionergibt fich das Jahr iSoo, in welchemP. Al. Cabral
das Land Brafilien zuerft erblickte. Als ^terminus ad quem*
konnte von Vorne herein betrachtet werden die Heimkehr
der MagalhaesTchen Expedition — September 1S22 —
da man feitdem auch in weiteren Kreifen Kenntnis von
den Ergebriiffen der erften Weltumfegelung haben, ganz
unzweifelhaft aber der Freund und Genofle des Magalhaes,
Chr. de Haro , über die wirkliche Lage der Aidweftlichen
Durchfahrt genau unterrichtet fein mufste.
Eine weitere Granze nach Oben glaubte H. Harriffe
aus der Angabe des Druckers in einzelnen Exemplaren
der Flugfchrift zu gewinnen: ^jGetruckt zu Augspurg
durch Erhart öglin* ^). Denn Erh. Oeglin (Oglin oder
auch Ocellus aus Reuttingen) druckte nach Zap f nur bis
1 5 1 6 *). Diefe Angabe ift indefTen irrig. Wir befitzen
Drucke Oeglin's aus fpaterer Zeit, z. B. eine ^Introductio
quaedam utilissima, sive Vocabularius quattuor linguarum
latine Italice, Gallice et Alemanice* etc. ^^Gedruckt in der
Kaiserlichen stat Augspurg durch Erhart oglin jmjar
do man zalt tausent fünff hundert vnd im achtzehendden* ^).
Und noch 1S20 wird Erhart Oeglin unter den Augsburger
Buchdruckern genannt in einem Erlaffe, durch welchen
^) 1. c. p. XLGC und 175. ,, Oglin does not seem have printed
after 15 16". Ihm fchliefst fich auch S. Rug e an, 1. c p. aa.
*) yyAugsburg's Buchdruckergefchichte*'. Bd. I. p. XUIL and IL
p. 20a.
*) E. Weller: Repertorium typogr. p. 136 f.
- 89 -
der Stadtrath den Druck von religiöfen Streitfchriften
ftrenge verbot ^).
Durch den oben erbrachten Nachweis, dafs Schoner
bereits iSiS die ^Zeytung^ excerpierte, ergibt fich jetzt
felbftredend diefes Jahr als neuer unanfechtbarer «terminus
ad quem.» Für eine noch engere chronologifche Begranzung
bietet uns einen Anhaltspunkt die wiederholte Erwahnung
von Malacca. «vnd vermayndt [der Piloto], das von soUi-
chem Cabo dye Presill . . . vber Sechshundert meyl gen
Malaqua nit sey. Vermayndt auch in kurtzer zeyt durch
solichen Viagio • . . von Lifibona gen Malaqua zufaren
vndwiderumb kumen, das dem kunig von Portugal mit
der Specerey ein grosse hilff wirdt pringen. Sie finden
auch das das landt von Presill hynumb get byfs gen M a-
laqua* etc.
Ohne Zweifel ifl hier von der Auffindung eines See-
weges nach Malacca die Rede, welcher angeblich für die
Portugiefen kürzer war, als der um das Cap der guten
Hoflfnung.
Dafs die Portugiefen wirklich in den erflen Jahren
des XVI. Jahrh. fich mit dem Gedanken trugen, eine der-
artige Strafse aufzufuchen, ifl uns auch fonfl mehrfach
bezeugt^). Es mag wundernehmen , wie die Portugiefen
darauf verfielen, in wefllicher Richtung nach Malacca zu
fahren. In einem Falie konnte ein derartiger Seeweg für
fie allerdings von der allergröfsten Wichtigkeit fein, namlich
dann, wenn die genannte oflafiatifche Handelsfladt weni-
ger als 3 70 fpanifche leguas von den Infeln des grünen Vor-
gebirges entfernt lag. Denn der Meridian in der bezeich-
neten Diflanz von den Capverdifchen Infeln war nach dem
1) A. F. Butfch: „Die Bücher-Omamentik der Renaiflance*'
p. 22.
») S. oben p. 36, ff.
— 90 —
Uebereinkommen von Tordesillas im J. 1494 die Granz-
fcheide zwifchen der fpanifchen und der portugieüfchen
Erdhalfte 1).
Eine folche Vermuthung konnte damals ganz wol als
berechtïget gelten, und war durchaus nicht fo abenteuer-
lich, als es uns jetzt erfcheinen mag. Denn über 'die
öftliche Ausdehnung Afien's waren allgemein die phan-
taftifchflen Anfichten verbreitet Auf den meiden Karten
des XV. und aus dem Anfange des XVL Jahrh. erfcheint
diefer Erdtheil in den aquatorialen Gebieten fehr weit
gegen Süd-Often vorgefchoben, bis zum 2ioten, 240ften, ja
bis zum 26o(len Grad, und eine fabelhafte Südoft-Halbinfel
erftreckt fich bis zum 3oten Grad S. Br. 2) Chrift. Colón
wurde bekanntlich durch diefe irrthümliche Vorftellung
wefentlich mit zu feinerFahrt über den atlantifchen Ocean
veranlafst; er hielt die Infel Spagnola für das Zipangu des
Marco Polo, alfo für Japan, und als er auf feiner 4ten Reife
an die Geftade des heutigen Costarica gelangte, und die
Eingeborenen ihm erzahlten, jenfeits der Berge fei wieder
ein Meer, da nahm er die central-americanifche Landmauer
für eine hinterindifche Halbinfel, und wahnte fich nur
loTagreifen von der Gangesmündung entfernt Der grofse
Entdecker ift ja auch in dem Glauben, er habe die Oft-
Küfte von Afien erreicht, geftorben ^).
^) Navarrete, Colleccion de los viajes etc. II. (2te Ausgabe.
Madrid 1859) p. 154. O. Pefchel: „Die TheiluDg der Erde unter
Papil Alexander VI. und Julius II." Leipzig 187 1, p. 14 f. Cf. auch
unten p. iii n.
^ VergL u. A. J. Lel e we Is* Altas, Planche 40—46, und
D'Avezac: „Sur un globe terrestre trouvé a Laon, antérieur a la
déconverte de TAmérique". (Bulletin de la Soc. d. Géogr. 1860, 2.)
Humboldt, Kritifche Unterfuchungen, I. p. 34 ff. u. 346 ff. O. Pe-
fchel, Gefch. der Entdeckuogen p. 117 ff.
«) Navarrete Bd. I. (2te Ausg. Madrid, 1858) p. 447 f, und
Pefchel, Gefch. d. Entdeckungen p. 371 ff. K. Werner: Die Kos-
— 91 —
Die Theilnehmer an unferer Expedition hielten
ofTenbar das rüd-americaniTche Feflland flir eine Südoft*
Halbinfel von Afien. Das beweist die geringe Taxierung
der Entfernung Malacca's von dem angeblichen Süd-Cap,
das zeigen auch klar die Notizen über den hl. Thomas:
man glaubte in Indien zu fein , und da durften dann auch
die Thomas-Chriften nicht fehlen.
Selbftverftandlich konnten aber die Portugiefen Ma-
lacca in fo geringer weftlicher Entfernung von Europa
nur zu einer Zeit vermuthen, als fie noch nicht bis
zu diefem Handelsplatze vorgedrungen waren. Demnach
mufs die von der ^Zeytung* bcfchriebene Ex-
pedition vor I 5o9 ftattgefunden haben, in wel-
chem Jahre die Portugiefen zum erften Male nach Ma-
lacca gelangten *).
Von da ab horen wir in der That Nichts mehr von
Verfuchen der Portugiefen, in füdweftlicher Richtung nach
Malacca vorzudringen. lm zweiten Decennium des XVI*
Jahrh. find es die Spanier, welche in diefen Regionen nach
der Möglichkeit ausfpahen, auf einem weftlichen Seewege
zu den Molukken zu gelangen, welche im Verdachte ftan-
den, noch dieffeits der Demarcations- Linie, alfo auf der
fpanifchen Hemisphare zu liegen. Auch Malacca vermu-
theten die Spanier noch immer viel weiter im Often, und
nahmen es für ihre Erdhalfte in Anfpruch*).
Gedruckt kann die ^^Zeytung aufs Presillg Landt*
nichtvorEnde iSo8 worden fein. Im September diefes
Jahres erfchien das bereits erwahnte Buch von Jobst
mologie und allgemeine Naturlehre des Roger Baco. Wien 1880,
p. 117 f. (A. d. Sitzungsber. d. k. Akademie phil. hist Cl. befonders
abgedruckt). Tfchackert, Peter v. Ailli, Gotha 1877, p. 335.
*) Pefchel, Zeitalter d. Eatdeckungen p. 600 ff.
*) Navarrete, 1. c. III. p. 127 f. Vergl. auch Journal of the
American Geographical Society 1872, p. 215 etc.
— g2 -
Ruchamer: .Newe unbekanthe landte* etc. Der eifrige
Herr Aichte die Sammlung von Reifeberichten , die er in
dem ihm vorliegenden Originale fand, nach Kraften zu
vennehren; einige Nummern find von ihm neu eingefiigt*)
Ware die «Zeytung* damals in Deutfchland fchonbekannt
gewefen, fo hatte fich Ruchamer eine fo fchatzbare Acqui-
fition gewifs nicht entgehen laflen.
In diefelbe Zeit weist auch ein bibliographifches
Moment. Dem Exemplare der .Zeytung' auf der
Dresdener Bibliothek iil namlich eine andere Flug-
fchrift beigebunden, welche in Format uhd typographi-
fcher Ausftattung ganz mit der .Zeytung* übereinftimmt ;
diefelbe ftammt aus dem Jahre 1 5o8 *).
Man hat wol auch verfucht, den Ausdruck «Pre-
sillg Landt* zur genaueren chronologifchen Fixierung
unferer Flugfchrift heranzuziehen. Nach der Anficht des
hervorragendften Kenners der Entdeckungsgefchichte
Brafilien's, F. A« de Varnhagen, kam namlich fur die
Oftküfte von Süd- America der Name Brafilien zuerft
^) So die ,,abschri£flfce eines Saodtbriefes'^ des Koenigs von Por-
tugal an den Papft Julius n. vom 12. Juni 1508. (Ueber eine lateinifche
Ausgabe diefes Briefes vergl. Panzer*s Annalen XI. p. 500; über die
deutfche Ausgabe Welle r Repert. typogr. Nr. 426). Ebenfo ift eine
neue Acquisition Ruchamer's die „botschaüte aufs Lifsbona, von einem
erbern glawbwirdigen kauffmanne^' etc. am SchlufTe feines Werkes.
>) Es ifl die „Geschichte kurtzlich durch die von Portugalien in
India Morenland und andem erdstrich des auffgangs'' etc. s. 1. et a.
W e 1 1 e r (Repertorium typogr. p. 45) verlegt das Schriftchen in d. J. 1 5 o 7.
Dafs daffelbe aber wirklich erft 1508 gedruckt ift, ergibt Hch aus
der Notiz im Texte: „vorverganges jar 1506". Das lateinifche Ori-
ginal der Schrift war zuerft 1506 zu Rom bei J. Bedeken erfchienen
unter dem Titel: „Gesta proxime per Portugalenses in India, Ethiopia
et aliis orientalibus terris" etc , dann im folgenden Jahre zweimal in
Deutfchland: zu Cöln und Nürnberg. Vergl. Panzer VL 362,
VII. 445, und X. 24.
- 93 -
im J. 1 5 1 1 in Verwendung ^). Es ware natürlich unftatt-
haft, aus diefem Uipftande auf eine Eotftehung der «Zey-
tung aus PresOIg Landt* vor i5ii zu fchliefsen '). In-
defien erweist fich auch die genannte Vorausfetzung bei
naherer Zuficht als eine irrige. Ich finde den Namen
Brafilien^ fchon feit i5o4 mehrfach im Ge-
branche.
So hei(st es in einer ^Befchreibung der Meerfahrt
von Liflabon nach Calacut* vom J. i5o4^): «Damach
(von «Cabowerdj*) faren sy zu einem land, heisst terra
de santa Cenis [sic!] .... Undbringt man ausgemdten
landen vill prisillL Das cost nichtz, den das man das ab-
haut, und sucht man noch stets in ermdten landen, hofll
ander ding darin zu finden. Heisst terra nova de
Prisilli».
Ebenfo fagt Giov. da Empoli in feinem Ende
^ F. A. de Varnhagen: Historia geral do Brazil L p. 22 und
427. Pefchel, Zeitalter d. Entdeckungen p. 337. J. G. Kohl, Die
alteiten Generalkarten etc. p. 138, o. A. m.
*) R. Rösler dagegen fUhrt die „ZeTtung aus Presillg Landt"
als das frühefte Vorkommen des Namens BrafUien an ; er verlegt allex-
dings mifere Flogfchrift im Anfchlofle an Weller in d. J. 1505. Aus-
land 1873 p. 640. Vergl. auch Fr. v. Hellwald ebendort 1874 p. 302.
") Selbftredend abgefehen von den verfchiedenen Infeln diefes
Namens, welche die nautifchen Karten des XTV. u. XV. Jahrh. im
atlantifchen Oceane verzeichnen.
*) Diefelbe fand fich in dem Nachlaffe C. Peutinger's, und wurde
von B. Gr ei ff publiciert im 26ten Jahresberichte d. hül. Kreis- Vereins
f. Schwaben und Neuburg (Augsburg 1861) p. 160 ff. Die Flugfchrifl
„Den rechten weg aufs zu faren von Lifsbona nach Kallakuth'* s. 1.
et a. hat damit Nichts zu thun. (Weller, Rep. typ. p. 34 reiht das
letztgenannte Flugblatt beim J. 1504 ein; es ül aber (icher 1505 er-
fchienen, da Ereigniffe diefes Jahres als gefchehen, folche des folgen-
den als bevorflehend erwahnt werden. Weller verzeichnet das Exemplar
der Stadtbibliothek zu Schaffhaufen ; ein weiteres beiltzt die Univerfitllts-
Bibliothek in München).
— 94 —
lSo4 gefchriebenen Reifeberichte: ..... ci trovammo
tanto avanti per mezo la terra della vera croce, over
del Br e si 1, cosi nominata, altre volte discoperta per
Amerigo Vespucci* ^). Undin einem portugiefifchen Schiffs-
tagebuche, das in den Jahren i5o5 — i5o6 geführt wurde,
findet fich die Notiz : .aos 6 dias de mayo foron leste hoes te
con a terra de Brazil 200 leguas e dhy se foron ao sul
ata 40 grados* etc. *).
So bürgerte fich für die ^^terra de Sancta Cruz* des
P. Alvares Cabral fchon bald nach der Entdeckung die
neue Bezeichnung .terra de BraziP ein, eine Thatfache,
welche der portugiefifche Gefchichtfchreiber Joao de Barros
auf das tieffte beklagt. Diefen Wechfel, meint er, habe der
Teufel gerathen j als ob der Name eines Holzes, wèlches
Tuch farbt, etwa wichtiger ware, als der jenes Holzes, das
durch das Blut unferes Erlöfers geröthet worden ®) !
Fragen wir endlich nach der Herkunftder «Zey-
tung*, fo ergibt fich unmittelbar, dafs wir es mit einer
Ueberfetzung aus dem Italienifchen zu thun haben. Zahl-
reiche italienifche Ausdrücke, in der Regel durch das
unmittelbar beigefïigte deutfche Wort erklart, laffen das
klar genug erkennen. So z. B.: „ge ar mirt oder gerust";
„deschribiert"; „Capo...das ift ein spitz oder ort
so in das meer get"; „Syt ponente leuante, das
ist gelegenheyt zwischen dem auffgangk oder Ost, vnd
nydergangk oder West"; .stritta de gibilterra*
^) Ramusio, NavigatioDi et Viaggi etc. Volume L Venetia 1563»
fol. T45a. Vergl. auch A. v. Humboldt, Kritifche Unterfuchungen
iH. p. 99.
*) Abgedruckt von Schmeller in feinem AufTatze „Ueber Va-
lentin Fernandez Alema etc.'* Abhandlungen der I. CL d.* k. bayri-
fchen Akademie d. W. Bd. TV. Abtheilung in. p. 47 f.
•) «Da Asia.* Decada L lib. V. cap. 2. Atisgabe Lisboa 1778, L
P- 391-
- 95 -
jtpassiert, das ist, furfert, oder hyndurch einfam";
„Tramontana, das ist Nord, odermitternacht"; ,,Costa
oder seyten"; „Rio, das ist flüfs"; „gepopoHrt, das ift
vol volks"; „leze , das ift gesetz"; „cal f o" fiir „Grolf"^);
„coperta" fiir „Schiffsdeck" ; „manyr oder weyfs";
„Gran oder Korn" etc.
Der italienifche Originalbericht ift in einer portugie-
rifchen Hafenftadt, wahrfcheinlich wol in LiiTabon felbft,
gefertiget *). Die ganze Art der Darftellung lafst in dem
Berichterftatter einen Kaufmann vermuthen. Derfelbe be-
tont nachdrücklich die Wichtigkeit des vermeintllchen
neuen Handels weges nach Malacca, und weifs nur von
jenen Produkten der neuentdeckten Landfchaften zu er-
zahlen, die für ihn als Handelsartikel von befonderem In-
tereffe waren; von geographifchen oder aftronomifchen
Beobachtungen ift nicht die Rede. Ohne Zweifel liegt uns
hier der Bericht eines italienifchen Factors in Liffabon
vor, den derfelbe unmittelbar nach der Ankunft des
SchifFes an fein Handlungshaus nach Italien fchickte»).
^) Nicht fllr „cabo", wie Humboldt 1. c. III. p. 178 aimimmt
Vergl. auch unten p. 97 n. 4. Nach dem „Diccionario de la Academia
Espaaola" gebrauchten die Spanier den Ausdruck «golfo* nur fÜr grofse
Meerbufen, oder auch fÜr ausgedehnte Partieen des Oceans. S. Kohl:
Die beiden alteften General-Karten von Amerika, p. 63.
») „Item wist das . . . Ein Schiff aufs Presillg landt hye an
ist kummen".
») S. Ruge (TV. und V. Jahresbericht des Vereins fCir Erdkunde
zu Dresden, p. 23 ff) fucht nachzuweifen, dafs die „Copia der Newen
Zeytung aufs Presillg Landt" ein „apokryphifcher Reifebericht" fei.
Er ftützt fich hiebei auf zwei Momente: i. auf eiozelne Anklftnge an
den Bericht des venezianifchen Botfchafters P. Pasqualigo über die
Fahrten des Gasp. Cortereal (Paesi novamente retro vati, Vincenza 1507,
cap. 126) ; 2. auf die Audeutungen der «Zeytung» über die Thomas-
Chriften.
Was den erften Punkt anlangt, fo kann von einer Abh^ingigkeit
- 96 -
Aehnliche Briefe, namentlich venezianifcher KauHeute,
find uns auch fonft zahlreich erhalten; fo finden fich
mehrere in der Vicentiner Raccolta von iSo/: ^^Paesi
novamente retrovati**).
Die deutfche Bearbeitung unferes Berichtes
verrath eine wenig kundige Hand. Wir werden kaum fehl-
gehen, wenn wir den Ueberfetzer in den Kretfen der deut-
fchen Kaufleute in Italien Aichen.
DieSprache der ^^Zeytung* ift bayrifch miteinzelnen
fchwabifchen AnWangen. Verfchiedene Momente weifen
uns direct nach Augsburg, und zwar in das weitberühmte
Handlungshaus der Welfer.
der yyZeytang aufs Presillg Landt'' von dem Briefe des Pasqualigo nicht
die Rede fein. Die Anklange fmd fo unbeftimmt, dafs man aus ihnen
eine derartige Confequenz unbedingt nicht ziehen darf. Sie erklaren fich
aofserdem fehr einfach aus der Aehnlichkeit der in beiden Fallen gefchil-
derten Verhaltnifle, und derartige Analogieën liefsen fich zahkeich aus
den Entdeckungsberichten jener Zeit mühelos beibringen. Dafs fpeciell die
Bewohner der von den Cortereal entdeckten Landschaften vielfach an
die von Brafilien erinnern, wird ausdrücklich betont von Damido a Goës :
yyHa gente da qual (eben der von d. Cortereal gefundenen Partieen
Nord-America's) he muito barbara e agreste , quasi do modo dos
da terra de sancta Cruz'' (Chronica do fel. Rei D. EmanueL
Parte L cap. 66,)
Auch das zweite von Ruge ins Feld gefUhrte Argument, die Ue-
bertragung afiatifcher Verhaltnifie auf Brafilien, ift nicht beweiskrèlftig.
Man verhörte eben von den Eingeborenen, deren Sprache man ja nicht
einmal verftand, naturgemSfs das heraus, was man zu erfahren er-
wartete und wünfchte. Auch in anderen (und zwar noch in bedeutend
fpateren) Entdeckungsberichten finden fich ahnliche Notizen, fo na-
mentlich über das angebliche Vorkommen von Chriften unter den Ein-
geborenen von America, das ja noch lange als ein Theil des afiatifchen
Continentes angefehen wurde, (VergL u. A. den Berieht des Hemando
de Alarion, bei Ramusio III. Ausgabe 1606 f. 308a).
^) Cap. 125 — 129. Vergl. auch die oben erw^hnte „schiyffüiche
botschaffte aufs Lifsbona, von einem erbern glawbwirdigen kaufimanne*'
etc. in J. Ritchamer's: „Newe vnbekanthe landte*'.
— 97 —
Keine deutfche Firma hatte damals fo rege Verbin-
dungen mit Italien, als die Wdfer. Zu Venedig, Ancona,
Rom ^) etc. befafsen fie ihre Factoreien. Niemand hatte
weiter damals in ganz Deutfchland ein folches InterefTe an
den transoceanifchen Entdeckungen der Portugiefen , als
eben fie. Die Welfer hielten fich in Liflfabon ihre eigenen
Vertreter, und fchon i5o5 fchickten fie in Verbindung mit
einigen anderen Augsburger Kaufleuten auf eigene Koften
mehrere Schiffe nach Indien *).
In dem Nachlafle des bekannten Augsburger Huma-
niftenDr. Conrad Peutinger, der eine Welfer zurFrau
hatte, finden fich verfchiedene Berichte über die Ent-
deckungsfahrten der Portugiefen, theils deutfche Original-
berichte, theils Ueberfetzungen ^). Bei manchen derfelben
ift ausdrücklich bemerkt, dafs fie durch Vermittlung der
Welfer in die Hande Peutinger's gelangt find. Einzelne
diefer Berichte erinnern nun in formeller Beziehung
mehrfach an die .Zeytung**). Beachten wir dies und
betonen wir weiter, dafs zwei Ausgaben unferer Flug-
fchrift (und darunter höchft wahrfcheinlich die Editio
*) In Rom hielt fich einer der Welfer felbft, n^mlich Chriftoph W,,
ein Schwager Peutinger's, am Anfange des XVI. Jahrh. dauemd auf.
Cf. Veith u. Lotter: Historia vitae atque meritorum Conradi Peutin-
geri etc. Augsburg 1783. Epist. 9 u. 10.
*) Joh. F alk e: Gefch. d. deutfchen Handels. Bd. II. p. 30 f.
B, Greiff, Tagebuch des Lucas Rem (26iler Jahresbericht d. hift. Kreis-
Vereins von Schwaben und Neuburg) p. 84 ff. Freiherr v. Welfer
in der Zeitfchrift d. hift. Vereins f. Schwaben u. Neuburg 1875 ^*c.
») Publiciert von B. Greiff 1. c, p. iii ff.
*) Cf. u. A. die Befchreibung der Fahrt d. V. de Gama p. 120 ff.:
„Es ist her gen Rom kumen ein kopey von einem Florendin. . . .
Und am end des kolfo, auf die linke hand, ist ein strette des
mers, als der stretto von Romania in kricheo landt. Und von dem
stretto, oder eng des mers, ist das rot mer. , . . Und da die Portu-
galefen kamen über den obgenanten kolfo'* . • . etc. etc.
Wieser, MagalhAes-StrMse» 7
- 9» -
princeps) inAugsburg bei E. Oeglin gedruckt wurden,
fo dürfte die Vermuthung kauin allzu gewagt erfcheinen,
dafs die .Zeytung aus Presillg Landt* durch
Vermittlung des Augsburger Handlungshau-
fes der Welfer nach Deutfchland gekom-
m e n i ft ^).
C Peutinger intereffierte fich perfönlich auf das leb-
haftefte fiir die neuen transoceanifchen Entdeckungen und
die kühnen Fahrten der Kaufleute *) ; er überfetzte fogar
felbft mehrere Reifeberichte 3). Mit dem Buchdrucker
Erh. Oeglin ftand er in engen freundfcbaftlichen Bezie-
hungen*). Vielleicht ift auch die .Copia der Newen 2^y-
tung aufs Presillg Landt* auf f e i n e Veranlaflung durch
den Druck weiteren Kreifen zuganglich gemacht worden
In einem eigenen Capitel feiner ^Sermones con-
vivales* fpricht Peutinger: .De Lusitanis nautis, qui in
Indiam navigant*, und zieht zum Vergleiche Reifenotizen
zahlreicher antiker Autoren und auch mittelalterlicher
Chroniften heran. .Non unus* heifst es u. A., .sed varius
nobis erat sermo speramusque prope diem, auspicio
invicti Cesaris nostri et adsensu Lusitani Regis, nostros
*) Portugiefifche Gelehrte haben die „Zeytung aufs Presillg Landt"
mit dem deutfchen Kosmographen Martin Behaim in Verbindang ge-
bracht „Na opiniSo do ... Sr. J. C. da 8 il va, as Doticias contidas
na dita „gazeta" devem haver sido escriptas, desde logo em allemSo,
por algiim dos colonos do Fayal, e talvez de Lisboa pelo proprio
Behaim, antes de fallecer em 1507". [F. A. de Varnhagen, Nou-
velles Recherhes etc. p. 11]. Diefe Anflcht ift durch Nichts begründet,
und es bedarf nach dem oben Gefagten wol kaum eines eigenen Nach-
weifes ihrer vöUigen Unhaltbarkeit.
«) Th. Herberger; Conr. Peutinger in feiuem Verhaltnifle zu
Kaifer Maximilian I. Augsburg 1861. p. 8 f. — Veith u. Lotte r,
Hist. vitae et merit. C. Peutingeri, Ep. 17. Schmeller, 1. c. p. 4 f.
8) B. Greiff, 1. c. bef. p. 133.
*) Herberger p. 13 u. 26.
— 99 -^
Augustenses navibus propriis atque mercibus Indiam
petïturos; res profecte admiranda!*i)
Es ift ein eigenthümlich reizvolles Bild , das fich uns
hier darbietet. Die gelehrten für das klaffifche Alterthum
begeifterten Herren hielten Sympofien im platonifchen
Sinne. Allein über den fubtilen Fragen humaniftifcher
Wiflenfchaft vergafsen fie nicht auf die Gegenwart. Mit
warmem Intereffe verfolgten fie die Bahnen heimifcher
und fremder Fahrzeuge über den Ocean bis zu den fonni-
genGeftaden Indien's, und laufchten begierig den wunder-
baren Berichten der heimgekehrten Seefahrer.
Für keine Wiflenfchaft war diefe Verknüpfung huma-
niftifcher Gelehrfamkeit mit den grofsartigen nautifchen
Errungenfchaften jener Zeit fo wichtig und folgenreich,
als fiir die Erdkunde. Für fiebrach jetzt ein neuer heller
Tag an, nachdem fie durch lange Jahrhunderte in todes-
ahnlichem Schlummer gelegen. Für die Erdkunde war
jene bedeutfame Wende des Jahrhunderts im vollften
Sinne des Wortes eine Zeit der Renaiflance.
Copia der Newen Zeytung aufs Presillg Landt *).
Item wist das auff den Zwelfften tag des
Monadts Octobers Ein Schiff aufs Presillg landt hye an
*) Sermones convivales Conradi peutingeri, Argentioae 1506
(Editio princeps), fol. bii, f.
^ Die Flugfchrift wurde zuerft voUftandig wieder herausgegeben
in franzörifcher Ueberfetzung von Ternaux-Compans (Archives des
voyages II. 306 — 310). Den deutfchen Original-Text publicierte S. Ru ge
im 4ten und 5teii Jahresberichte d. Vereins f. Erdkunde in Dresden,
1868 p. 16—19, dann E. We lier in d. Bibliothek d. lit. Vereins in
«
Stuttgart, Bd. iii. (1872) p. 5—8. Humboldt gab in feinen Kri-
tifchen Unterfuchungen III. p. 178 fT. einen ausführlichen Extract ; einen
Auszug in portugiefifcher Sprache veröffentlichte F. A. de Varnhagen
in r. „Historia geral do Brazil" L p. 434 f., wieder abgedruckt in f.
„Nouvelles Recherches" eta p. 49 f.
7*
— 100 —
ist kummen vmb geprech der Victualia, Sc dan Nono ^)
vn Christoffel de Hare vnd andere gearmirt oder genist
haben. Der Schiff sein Zway, durch des konigs von Por-
tugal erlaubnufs vmb das Presilglandt zu beschreiben oder
zu erfaren Vnd haben das Lanndt in Sechs oder Syben
hundert meyll weyt deschribiert, dann man das vor wissen
bat gehabt. Vnnd da sie kommen sein ad Capo de bona
sperantza, das ist ein spitz oder ort so in das meer get,
gleich der Nort Assril *), vnd noch ein grad höher oder
weyter. Vn do sie in solche Clima oder gegent kommen
sein Nemlich in Viertzig grad hoch, Haben sie das Presill
mit ainem Capo, das ist die spitz oder ein ort, so in das
mer get, funden. Vn haben den selbigen Capo vmbseylet
1) Nono (vielleicht für Ni&o oder Nuno) Ut wol mit Haro zu
verbinden. Aufser Christobal de Haro werden uns noch zwei an-
dere Trüger diefes Namens genannt, muthmafslich Brttder des erfteren.
Alle drei waren in Antwerpen als reicbe Kaufleute und Schiffsrheder
anföfsig, und betheiligten (ich mit ihren Capitalien an grofsartigen über-
feeifchenHandelsunternehmungen. (Navarrete 1. c. IV. p. LXXTV. n. 155)*
s) Der Germanifl von der Hagen fchlsigt vor, zu lefen „gleich
dem ort Affiic", d. h. „ahnlich der Spitze von Africa**. (Humboldt,
Kritifche Unterfuchungen III. p, 190.) Nach meiner Anficht üt Nort
Assril ein Lefefehler des Ueberfetzers oder Druckers fHr das por-
tugiefifche „Nort ao sul**, eine ganz analoge Phrafe, wie das wenige
Zeilenf pSter folgende „pon ent e Ie van te". Vergl. auch die Stelle aus
d. portugief. Schiffsjoumale von 1505 — 1506 oben p. 94. Ich fafTe den
Sinn der ganzen Stelle folgendermafsen auf: ,Als fie in der Richtung
N.-S fahrend in die Polhöhe des Caps der guten Hoühuog gekommen
waren, und noch etwas weiter (Udlich, namlich bis nngeföhr zum
40ten Breitengrad, haben fie in Brafilien ein Cap entdeckt, welches
fie umfïihren etc. Dafs der VerfaiTer der «Zejrtung* einem Voigebirge
von Sfld-America den Namen „Vorgebirge der guten Hoühnng*' ertheilt
habe, wie Humboldt annimmt (1* c. p. 187), daran ift wol nicht zu
denken. Mit der CharakterÜierung der geographifchen Lage von Bra-
filien durch die «Zeytung^ (timmt ziemlich genau Überein die in dem
Berichte des venetianifchen Botfchafters Cretico über die Fahrt des
P. A. Cabral. (Paesi novamente retrovati, cap. 125).
— lOI —
oder vmbfaren, vn gefundê, das der selb Calfo gleich ist
gangen wie Europa leyt mit dem Syt ponente leuante, das
ist gelegêheyt zwischen dem auffgangk oder Oft, vnd
nyderganngk oder West, Dann sie haben auff der anndern
seyten auch die landt gesehen, Als sie bey Sechtzig meyl-
len vmb den Capo kommê sein, zu geleicher weyfs als
wen ainer in Leuanten fert , vnd die skritta [!] ^) de gibil-
terra passiert, das ist, furfert, oder hyndurch einfarn, vnd
das landt von Barbaria sicht Vnd als sie umb den Capo
kumen sein, wie gemelt ist, vnd gegen vns Nordwestwertz
geseylet oder gefaren haben. Do ist vngewitter fo grofs
worden, auch windt gewesen, das sie nicht we)^er haben
kunnen saylen, oder faren. Do haben sie durch Traraotana,
das ist Nort, oder mitternacht, wider her vmb auff die
annder seyten vnd Costa, das ist landt, von Presill mussen
faren. Der Piloto, das ist der schiffuerer, oder Schiflayter,
So mit dysem Schiff gefaren ist, ist mein fast güt frewndt.
Ist auch der berümbtest so in der konig von Portugal hat
Ist auch etlich Rayfs in India gewesen, der sagt mir vnd
vermayndt, das von soUichem Cabo dye Presill, das ist ein
anfangk des Presill landt, vber Sechshundert meyl gen
Malaqua nit sty. Vermayndt auch in kurtzer zeyt durch
solichen Viagio, das ist weg oder rayfs, von Lisibona gen
Malaqua zufaren vnd widerumb kumen, das dem kunig
von Portugal mit der Specerey ein grosse hilff wirdt prin-
gen. Sie finden auch das das landt vö Presill hynumb get
byfs gen Malaqua Vnd als sie wider auff die Costa oder
sejd:en von Presill wider Westwertz kumen sein, haben
sie vil güter Rio, das ist ilüfs vn porten gefunden, defs-
gleichen am hyndan faren. Als wol gepopolirt, das ist vol
voicks, oder ser wonhafft, vnd sagen ye mer gegen Cabo,
ye pesser volck sey, mit güter weyfs, erbers wesens, haben
«) Der Original-Druck B. Ueft richtig „stritta".
— io2 —
in jn gar keyn miTsprauch, dann das ain ort mit dem an-
dern kriegt Essen aber nit an einander, wie in dem vnd-
tern Presill landt, Schlagen aber an einander zu todt,
nemen keynen gefangen. Sagen das volck sey fast von
güter freyer Condicion, das ist güter Art. Das volck hat
auch auff sollicher costa oder seyten , kein leze, das ist
gesetz, noch kunig, dann das sie die alten vndter jnen
eren, vnd den selbigen volgen, Zu gleicher weyfs als in
dem vndtern Presill landt. Ist auch als ein volck, dann
das sie ein anndere sprach haben. Sye haben auch auff
der selbigen G)sta oder lanndt gedechtnufs von sant
Thomas *), Sye haben auch den Portugalesern die schrit
im landt dynnen wollen zaygen, Zaygen auch an das
Creütz im lanndt dynnen steen. Vnd wann sie von sant
Thomas reden, So sagen sie er sey der kleyn got Doch
es sey ein ander got der grösser sey. Es ist wol zuglauben,
das sie gedechtnufs von sant Thoma haben, dann wissen-
lich ist, das sant Thomas hyndter Malaqua leibhefftijg leyt,
auf der Cost Siramatl, jm Golffo de Celon. Sie haissen auch
im landt Jre kynder fast Thomas. Im lanndt dynnen hat
es grofs pyrgk, Sagen an etlichen orten nymer der schne
darab kume, als sie vom landt volck bericht werden. Sye
sein in etlichen Porten gewesen, do sie vil vnnd mancher-
lay seltzamer feil von wilden thieren fimden haben, So die
lewt also rauch an trage vber die plossert hewt, wissen die
nit zuberayten, Nemlich fel vö Leen vnd Leoparden, der
selben vil im landt do sein, Lux aüch Genet, so man 'm
Hyspania fecht, auch kleyne feil, wie die Geneten sehen,
vnd sein trefft wie ein Lux, wann sye sein fast kostlich
von haren, vnd dunn von feil, gleich wie ein Mader. Die
^) Ueber diefe Anfpielung auf die indifchen Thomas-Chriflen vergL
Humboldt, Kritifche UDterfuchungen III. p. 57, 71 u. 190; f. auch A.
C. Burnell: On som Pahidvi Inscriptions in South India, Mangalore 1873.
— io3 —
grossen feil von den Leoparden vnd Luxen zerschneyden
sie vn machen gürtel daraufs, ainer spann prayt. Sie ha-
ben auch vil Otter vnd Pyber, das ain zaichen ist, das das
landt grofs fliessent wasser hat. Sie haben auch gürttel
von felen die mir vnbekant sein. Vorgemelter feil, vn in
mer manyr oder weyfs rauhe war hab ich fur mich ge-
kaufft, doch nit vil, dann sie keyn Summa vö solcher rau-
cher pellaterey pracht haben, sie sagen, haben nit darnach
gestelt, dann sie es fur nicht geacht haben. Sye sagen das
das ander Schiff so noch do hynden sey, pring vil solcher
feil vnd mancherlay ding, dan es lenger geladen hat Ist
auch der haubtmann von den zwayen Schiffen. Ich hab
auch vndter andern dingen drey stuck von etlichen feilen
zusamen genedt kaufft, sein fast alle drey so grofs vndter
ein rock zufutern, haben die Portugaleser fur nicht geacht,
sie deckês im landt vber sich, ist zu gleicher weyfs zu-
samen genet als man bey vns dye wolffs deck macht. Es
ist fur war ein kostlichs fuetter an im selbs. Die feil sein
als grofs an in selbs als ein Dachs, vnnd haben farb als
ein hyrsch. Ist auff demjell fast rauch vö wollen, hat lang
spitzige har, etwas dick, zu gleicher weyfs wie ein Zobel.
Das fel ist inen leicht wie ein Mader. Das fel an im selbs
schmeckt aufs der massen wol. Das landt hat auch wun-
derbarlich vil frucht, vn die güt, vnd als ander frücht, dan
wie wirs in vnnsern landen haben. Haben auch gefunden
in dem landt Cana fistola, in der grofs eines arms grofs.
Habë auch honig wachs, ein Gumi, vn des vil, geleich
wie Gloret, vil vn mancherlay gefögels, Rauch von fuessen,
Ir were ist mit hanndtpogen, zu gleicher weyfs wie in dem
vndtern Presill landt der prauch ist. Haben keyn eysen-
pergk, geben vmb ein Axt oder peyhell vnd messer was
sie habë wie dan in dem vndtern Presill landt der ge-
prauch ist. Sie haben auch im landt ein sort Specerei,
Prent auff der zungen wie pfeffer, noch resser, wechst in
— I04 —
ainem Schelflein mit vil kornlein darjnnen es wechst. Ist
das gran oder korn zu gleicher weyfs als grofs als ein
arbayfs. Ir solt auch wissen, das sie genügsam anzaygung
pringen, das sie vö Cabo, wie gemelt ist, gegen vns bey
Zway hundert meyll sein, daselbst in ainer port vnd flufs
gewesen sein, do haben sie anzaygen von vil Sylber vn
gold, auch kupfTer, so im lanndt dynnen ist. Sie sagen das
der Haubtmann von dem anndern Schiff dem kunig von
Portugal ein Sylbere Axt oder peyhel pring, zu gleicher
weyfs wie Ir Axt von staynen sein. Bringt im auch ein
metal, sagen sehe wie messing, vnd emtphahe keyn Rost
noch vtrletzung, wissen nicht ob es nyder Goldt ist oder
was es ist. Sie haben auch an dem selben ort an der See
erkandt von dem selbigen volck ein anzaygung das im
landt dynnen ein pyrg volck sey, hab vill golds, trag das
gold dun geschlagen, zugleicher weyfs wie harnisch an
der styrn, vn forn an der prust. Der Haubtmann pringt
auch einen man von deselbigen landt, der hat den kunig
von Portugal ye sehen wollen. Der sagt er wöU dem konig
von Portugal so vil golds vnd Sylber anzaygen geben, das
im Landt sey, das seine SchifF nit furen mogen. Die lewt
an dem selbigen ort sagen auch das zu zeiten anndere
Schiff auch dar kumen, tragen klayder an als wir. Die
Portugaleser sagen als die Frantzosen i), nach des volcks
anzaygen. Vnd haben auch pert, fast all Rot Vnd wollen
die Ersamen Portugaleser sage, es seien Gezyner *), so gen
^) BezQglich der frühen Fahrten franzöfifcher Seeleute nach Bra-
(ilien • verweife ich u. A. auf: Ramusio 1. c. III. Ausgabe 1606,
foL 359 f. ; Re vista trimensal do Instituto hist, e geograph. Brazileiro
1845, p. 412; D'Avezac, Considérations géographiques sur Phistoire
du Brésil, L c. p. 166 ff.; Idem: Campagne du Nayir L'Espoir du
Honfleur, Paris 1869, p. 87 ff.
*) Gezyner — ein r^thfelhaftes Wort, das bereits die mannig-
fachflen Deutungen erfahren hat. Humboldt vermuthet einen Druck-
fehler (latt Zigeuner (Zygener) portugiefifch cigani^ fpanifch gitani
— io5 —
Malaqua nauigieren, geyt im ein anzaygung, das es war
sey, Demnach wissend ist in Malaqua das Sylber vn
[richtiger gitanos!], italienifch zingari [zingani]; er fUgt indeffen felbft
bei: ,,Aber was foll man denken von Zigeunern, die zur See fahren,
und was gar von franzöfifchen Zigeunern ?" (Kritifche Unterfuchungen III.
p. i86). D'Avezac (Considérations géograph. s. Thistore du Brésil,
1. c. p. 324 f.) erinnert an die veraltete Wortform „Gezyher" fUr Zieher
oder Draht-Ziether, und an das mhd, „zain" = Stange, Metall-Stab-
chen ; er fchliefst mit dem Oxymoron , Je n* en sais rien, mais j' en
suis sür". S. Rug e (1. c. p. 27.) halt die Gezyner für Bewohner der
Stadt Ghezien (Ghizdn oder DjizSn) in Arabien am rothen Meere.
Es fei mir geftattet, diefea Deutungsverfuchen noch einen neuen
hinzuzufügen. Ich glaube, dafs uns auch in diefer Frage wie fchon
mehrfach im Verlaufe unferer Unterfuchungen, der kaif. Geheimfchreiber
Max* Transilvanus weithvoUe Anhaltspunkte bietet. In der Eio-
leitung zu feinem Berichte über die Magalhdes'fche Expedition bemerkt
er namlich, die Fortfchritte der portugiefifchen Entdeckungen kurz
charakterifierend, Folgendes: ,,Inde ad aureum Chersonnessum , ubi
nunc Malaccha celeberrima urbs et maximum orientis emporium
situm est, pervenerunt. Ex hac sinum magnum ingressi sunt, ad
Sinarum usque populos, quos nunc Schinas vocant, ubi can-
didam gentem et civilem satis repererunt, Germanis
nostris similem". (Vergl. unten p. 113).
Ganz Aehnliches berichtet Andrea Corsali in feinem Briefe
an Giuliano de' Medici vom 6. Jan. 15 15: „Dalla parte di Setten-
trione, per il Sino magno navigano anchora a detta Malacha per
spetierie i me re at anti della terra di Cina, et portano di loro
terra Musco, Reubarbaro, Perle, Stagno, Porcellane et Sete et drappi
di ogni sorte lavorati, Damaschi, Rasi, Broccati di molta peifettione,
percio che gli huomini sono molto industriosi et di nostra qualita,
ma di plu brutto viso, con gli occhi piccoli. Vestono a costume
nostro, et calzano con scarpe et calzamenti come noi. Credo che
siano gentili, auenga che molti dicono che tengano la nostra
fede, ó parte d' essi .... et tanto dicono essere d'utilit^ in con-
durre spetierie alla Cina, come a Portugallo, per esser paese freddo,
et costumarle molto. Sara da Malacha alla Cina cinquecento
leghe, andando a Tramontana**. (R-amusio, Navigationi et
Viaggi, Bd. I. Ausgabe 1563, fol. 180.)
Dafs die Chinefen in jener Zeit lebhafïe Handelsverbindungen mit
Malacca unterhielten, ifl uns auch fond vielfach bezeugU VergL u. A,
— io6 —
kupffer besser kauff ist dan in vnsern landë ^). Also habt
jr die Newen zeyttung. Das Schiff vndter der Coperta ist
den Brief König EmanuePs vod Portugal an Papil Leo X. vom
6. Juni 15 13 (erfchien zuerft lateinifch Romae 9. Auguft 15 13, dann
deutfch „Augspurg durch Erhart oeglin", 5. Sept. 15 13, und öfter; der
lateinifche Text u. A. reproduciert in Grynaeus, Novus Orbis, Ba-
siliae 1532, p. 184 ff.); dann Ramusio 1. c. UI. (Ausg. 1606) fol. 391b;
A. de Gube.rnatis, Storia dei viaggiatori italiani nelle Indie orientali,
Livorno 1875, p, 378 etc. (Damach erganzen fich die Angaben F.
V. Richthofen*s über die Handelsbeziehungen der Chinefen mit
Indien am Ausgange des XV. und Anfang des XVI. Jahrh. Cf. deffen
„China** etc. Bd. I. cap. 10, 5, fowie den Auffatz in den Verhand-
lungen d. Gefellfch. f. Erdk. 1876, p. 86 ff.)
Eine wefentlich mit M. Transilvanus und And, Corsali überein-
flimmende Schilderung der Chinefen gibt auch K. Emanuel von Por-
tugal in feinem Schreiben an die fpanifchen Majeflaten vom 29. Juli 1501 :
„Y tambien supe nuevas ciertas de grandes gentes de cristianos, que
son allende de aquel reino de Chochim, los cuales vienen en romeria
éi la dicha casade Santo Tom as, y tienen reyes muy grandes,
los cuales obedecen é, uno solo, y son hombres blancos y de
cabellos loros, é habidos por fuertes, é Udmase la tierra Mal-
chima, de donde vienen las porcelanas é asmisle é ambar é ligno
aloë etc." (Navarrete, 1. c. III. p. 99). Vergl. damit auch Paesi nova-
men te retrovati, cap, 56 über die Fahrt des Vasco de Gama (damit
identifch der von B a n d i n i dem Amerigo Vespucci zugefchriebene
Brief Über diefe Expedition [<rVita e lettere di A. Vespucci* p. 87 ff..])
Ich branche wol nicht zu fagen, dafs ich die obigen Citate mit
der in Rede (lebenden Stelle unferer „Zeytung aufs Presillg Landt" in
Verbindung bringe, und die Gezyner fiir Leute aus Cina, £Ür
Chinefen halte. Die Form G e-zyner lafst fich ohne befondere Schwie-
rigkeit aus den Schreibungen „Czini" und „Schini" ableiten, welche
im XVI. Jahrh. ganz gelaufig waren. So fchreibt e. gr. auch unfer
Schoner (Opusculum Geogr. Pars II. cap. 19): Czini.
*) uë^y^ ^^ ^^^ anzaygung . . . . dann in vnsern lan-
den". Diefer Paffus wurde von Hjimboldt, Ter naux-Compans
und D'Avezac folgendermafsen überfetzt; „Die Portugiefen glauben,
dafs es Gezyner find, die nach Malacca fahren, deun es ifl bekannt,
dafs in Malacca ein befferer Markt ifl ffir Silber und Kupfer, als in
unferen Landern". Nach meiner Auffaffung ift aber diefe Stelle mit
— I07 —
mit Presil holtz geladë, ob der Coperta voller erkaufften
Jungen knaben vnd maydlen, haben die Portugaleser
wenig kost, dann sie das merer tayl mit freyem willen
geben sein worden. Dann das volck alda vermayndt Jre
kynder fam in das gelobt landt. Sie sagen auch das volck an
dem selbigen ortwerdt bifs Hundert vnd Viertzig Jar alt^).
n.
Maximilianus Transilvanus ;
De Moluccfs insulis.
Bald nach der Heimkehr der Victoria fchickte der
kaiferliche Geheimfchreiber am Hofe zu Valladolid, Maxi-
milianus Transilvanus, einen ziemlich ausfiihrlichen Bericht
über die erfte Erdumfegelung an den Cardinal Erzbifchof
von Salzburg 2). Derfelbe ift mit Sachkenntnis und Warme
der weiter oben (lehenden zu verbinden, und dann fo zu lefen: „Die
Thatfache, dafs diefe Geftade von fremden Seefabrern befucbt werden,
welcbe nach der Andcht der Angefehenen oder Knndigen unter den
Portugiefen Chinefen (ind, die nach Malacca fahren — diefe Thatiache
ift i hm (dem „Haubtmann*'!) ein Beweis dafUr, dafe die Angabcn der
Eingeborenen über den Metall-Reichthum des Landes richtig fmd". — Wir
haben bereits oben darauf hingewiefen, dafe die Theihiehmer an unferer
Expedition Süd-America für eine füdöftliche lialbinfel von Afien hielten.
«) „bifs 140 Jar alt". Humboldt fteUt (Kritifche Unterf. IIL
p. 191) mehrere analoge Angaben damaliger Reifeberichte zufammen. Sie
find wahrfcheinlich alle zurückzuführen auf Marco Polo (Ausg. v. Lazari-
Pasini p. 173, von Bartoli p. 270, CoL Yule (second edition) IL p. 351 f.)
*) Der Brief ift in der editio princeps datiert: „Vallisoleti die
24 Octobris 1522". In der fpanifchen Redaction bei Navarrete (L c.
IV. 284) dagegen: „De Valladolid d cinco de Otubre de mil ^ui-
nientos veinte y dos anos".
— io8 —
gefchrieben, und noch heute finden (trotz feiner etwas un-
gelenken Form) die rühmenden Worte, welche die alten
Drucke auf dem Titel tragen, auf ihn ihre volle Anwen-
dung: «epistola lectu perquam jucunda*.
Diefer Brief fand rafche Verbreitung, und nicht gering
war die Aufregung , welche die Kunde von der epoche-
machenden That des Magalhdes bei den Gebildeten aller
Nationen hervorrief. Schon wenige Wochen nach feinem
Eintreffen in Deutfchland wurde der Bericht des Maxi-
milianus Transilvanus durch den Druck weiteren Kreifen
zuganglich gemacht Die erfte Ausgabe erfchien «Coloniae
in aedibus Eucharii Cervicorni. Anno virgineae partus
1S23 mense Januario*. Diefe Editio princeps ift bereits
fehr feiten geworden; mir lag ein Exemplar aus der kaif.
Hof-Bibliothek in Wien vor. Ein Nachdruck des lateini-
fchen Original-Textes erfchien dann «Romae in aedibus
F. Minitii Calvi. Anno 1S23 mense Novembri', und eine
dritte Ausgabe eod. 1. 1S24 mense Febr.
Eine italienifche Ueberfetzung des Briefes wurde zu-
gleich mit dem Berichte des Ant. Pigafetta herausgegeben
unter dem Titel: «H viaggio fatto dagli Spagnuoli atorno
al mondo*. Venetia i534r und eine zweite Edition, sine 1.
(aber wahrfcheinlich ebenfalls in Venedig) iS36*). Eine
etwas ausfiihrlichere fpanifche Redaction befindet fich in
der «Biblioteca de manuscritos de la Real Academia de
la Historia* in Madrid ^).
Unfer Bericht wurde fpater auch in verfchiedene geo-
graphifche Sammelwerke aufgenommen. So der lateinifche
Original-Text in den .Novus Orbis* von S. Grynaeus,
*) Harriffe, B. A. V. p. 316 u. 349.
«) Publiciert von Navarrete 1. c. IV. p. 249 ff. In der karz«Q
Einleitung, die wol von dem Ueberfetzer herrührt, wird Übrigens feU-
famer Weife der Cardinal Erzbifchof von Salzburg „obispo de Car-
tagena" genannt
— 109 —
BasSeae iSSy, und ibidem i555; dann auch in das Werk
des Joannes Boemus (Aubanus): «Omnium gentium
Mores leges et ritus* etc. Antverpiae i S42 1). Die italienifche
Bearbeitung wurde von Ramusio im iten Bde. feiner
«Navigationi et Viaggi* Venetia iSSo, und in allen fol-
genden Auflagen reproduciert *).
Wir haben oben wiederholt Gelegenheit genommen,
darauf hinzuweifen, welch' mannigfache und tiefgehende
Bedeutung fpeciell der einleitende Theil des Brie-
fes von Maximilianus Transilvanus für die uns
hier befchaftigenden Fragen befitzt Nachftehend folgt ein
genauer Abdruck diefes Theiles nach der Cölner Editio
princeps.
De Moluccis insulis itemque aliis plurismi-
randisy quae novissima Castellanorum navi-
gatio Sereniss. Imperatoris Caroli V. auspicio
suscepta nuper invenit: Maximiliani Tran-
sylvani ad Reverendiss. Cardinalem Saltzbur-
gensem epistola lectu perquam jucunda.
Reverendissime ac illustriss. Domine, domine mi unice,
humilll commen. Rediit his diebus una ex quinque illis
navibus, quas Caesar superioribus annis, dum Caesareae
Augustae esset, in alienum et tot jam seculis incognitum
orbem niiserat, ad inquirendum insulas, in quibus aromata
proveniunt. Nam licet Lusitani Portugallenses ex aurea
Chersonnesso, quam nunc Malaccham putamus, magnam
vim eorum ad nos deferant, nihil tamen Indiae illae suae
praeter piper gignunt. Reliqua enim ut cynamomum,
«) VergL Harriffe B. A. V. Additions p. 141.
*) Neuerdings wurde eine englifche UeberfetzuDg veröffentlicht von
Lord Stanley of Alderley: The first voyage ronnd the world by
Magellan. London 1874. (Works issued by the Hak luyt Society Nr. 52).
— rio —
gariopbilum et myristicam nucem quam muscatam, et
operimentum e)us quem florem muscatae voQunus, ad suos
Indos ex longinquïs atque adeo nomine tantum cognitis
insutis advehi certum est, navibus nuDo ferramento, sed
palmarum foliis dumtaxat compactrs, quarum vela rotunda
sunt, et haec quoque ex vimine palmamin contexta. Hoc
genu<) navium juncas appellant, unïco tantum vento secundo
aut adverso agi solitas. Nee mirum, quum haec onmibus
fere seculis nostris mortalibus incognitae fuerint. Nam
quaecumque hactenus de aromatum huiusmodi natjvo solo
a priscis auctoribus prodita legimus, partim prorsus fa-
bulosa sunt, partim a veritate tam aliena, ut etiam regiones
illae, ubi ipsi aromata gigni prodidere, ab iis oris ubi nunc
ea nasci compertum est, paulo minus distent quam nos ab
eis seiungimur. Nam ut reliqua omittam, tradidit Herodotus
alioqui clarissimus autor, cynamomum in avium nidis
reperiri, in quos volucres illud ex longisstmis regionibus et
praesertim Phoenix (cujus nidum nesdo quis unquam
viderit) detulissent Plynius vero qui certius aliquid afferre
possi sibi videbatur, quum jam ante aetatem suam, tum
Alexandri Magni tum aliorum classibus multa illustrata
fuissent^ tradit cynamomum gigni in AethiopiaTroglodytis
connubio commixta. Quum nunc compertum sit, cynamo-
mum longissime ab ómni Aethiopia gigni, et maxime
Troglodytarum, hoc est in speluncis subterraneis habitan-
tium. Nostris autem, qui nunc rediere, quibus nihil tam
cognitum erat, quam Aethiopia, necessarium fiierat, prius-
quam has insulas reperirent et huc redierint, universum
orbem idque sub amplissimo plerunque parallelo circuire:
quae navigatio cum et admirabilis habeatur, et nostra
superiorumve aetate ulla, non modo non inventa, sed nee
unquam tentata fuerit: statui, et cursum ejus et totius rei
seriem R. D. T. quam verissime scribere. Curavi enim mihi
et a duce classis et a singulis nautis, qui cum eo rediere,
— III —
referri omnia diligentissime. Retulerunt autem et Caesari,
et aliis multis singula quidem ea fide et synceritate, ut non
modo nihil fabulosi afferre, sed fabulosa omnia alia veteri-
bus autoribus prodita refellere et reprobare narratione sua
viderentur. Nam quis Monoscelos seu Scyopodas, Scyritas,
Spitameos, Pigmaeos et multa hujusmodi monstra potius
quam homines esse crediderit? Cum et a Castellanis in
occidente per meridiem et a Portugallensibus in orientem
velificantibus tot loca ultra tropicum Capricornum quaesita,
inventa lustrataque fuerint : ab his autem nostris reliquus
universus orbis. navigatione nunc peragratus sit, neque
tamen unquam de hujusmodi monstrosis hominibus certi
quicquam audiri potuerit, credi debet ea omnia fabulosa
et mendacia esse anilia, nuUo certo autore per manus
quodammodo tradita. Sed ne ego , cui totus nunc orbis
peragrandus est, in orationis meae exordio nimium dis-
grediar, ad rem venio.
Cum hinc ante annos fere triginta Castellani in occi-
dente, Portugallenses autem in oriente novas atque incog-
nitas terras perquirere coepissent, ne alter alteri impedi-
mento essent, partiti sunt duo hi reges inter se terrarum
orbem summi pontificis puta ^) Alexandri sexti auctoritate,
hac ratione, ut ab Insulis Hesperidum, quas nunc promon-
torii seu capitis viridis appellant, recta in occidentem tre-
centum sexagintamilliaria, quas leucas vocant, linea versus
Arcticum, et altera versus australem polumprotenderetur*),
*) So die editio princeps; der römifche Nachdruck lieft: „put o",
Ramusio: ,,come io credo*^
2) In dein Vertrage von Tordesillas, 7. Juni 1494, wurde die Linie
,370 leguas weftlich von den Infeln des grünen Vorgebirges* nor-
miert : „. . . la cual raya o linea é senal se haya de dar y de derecha,
como dicho es, a trescientas setenta leguas de las islas de Cabo
Verde para la parte de Poniente etc." (Navarrete 1. c. II. 2te Ausg.
P. 154.)
— 112 —
quoad rursus coirent, orbemque in duas partes aequales
dividerent. Et quïcquid incognitae terrae in parte orientali
detegeretur, hoc Portugallensibus cederet; quicquid in
occidentali, Castellanis. Hinc factum est, ut Castellani per
meridiem in occidentem semper navigaverint , et ibi con-
tinenten! terram amplissimam, insulas vero maximas et
innumeras auri et margaritarum aliarumque opum divites,
et nunc postremo ingentem urbem mediterraneam Te-
nosticam^) in lacu quodam Venetiarum more sitam
invenerint. De qua multa et magna, vera tarnen , Petrus
martyr memoriae prodidit, auctor circa rerum fidem
quam elegantiam sermonis accuratior. Portugallenses vero,
per meridiem et littora Hesperidum Ichthyophagorum
aethiopum aequinoctialem et Tropicum Capricorni prae-
tereuntes, in orientem navigaverunt et multas maximasque
prius incognitas insulas, atque adeo Nili fontes et Troglo-
dytas invenerunt. Illinc per Arabicum et Persicum sinus
in Indiae littora intra Gangem , ubi nunc maximum em-
porium idem et regnum est Calicuticum, delati sunt.
Hinc ad Taprobanem quam nunc Zamataram^)
vocant, navigarunt. Nam ubi Ptolemaeus, Plynius et reliqui
Cosmographi Taprobanem posuere, nuUa nunc est insula,
*) „Themistitan", Römifche Ausgabe.
2) Auf der Weltkarte des Orontius Finaeus von 1531 und auf
dem Globus Schöner*s von 1533 wird „Samotra" mit „Taprobana" iden-
tificiert. Diefelbe Anficht fpricht auch der Florentiner And. Corsali
in feinem Briefe an Giuliano de' Medici a. d. J. 15 15 aus (Ramusio
1. c. I. f. 180 a); in einem fpateren Briefe an Lorenzo de* Medici
von 15 17 halt er dagegen nicht mehr Sumatra, fondern Ceylon für
das Taprobane der alten Geographen (Ramusio I. f. 184). Und in einem
dem Am. Vespucci zugefchriebenen Briefe vom J. 1501 wird es als
zweifelhaft hingeftellt, ob Ceylon oder Sumatra das wahre Taprobane
sei. (G. B. Baldelli Boni: „Il Milione di M. Polo" I. p. LVn. n.;
F. A. de Varnhagen; „Am. Vespucci etc" p. 81. Vergl. auch
Humboldt „Kritifche Unterfuchungen*< III. p. 29.)
— ii3 —
quae ulla ratione ea esse aut credi possit. Inde ad aureum
Chersonnessum, ubi nunc Malaccha celeberrima urbs et
maximum orientis emporium situm est, pervenerunt. Ex
hoc sinum magnum ingressi sunt, ad Sinarum usque
populos, quosnunc Schinas vocant, ubi candidam gentem
et civilem satis repererunt, Germanis nostris similem. Cre-
dunt Seres et Scythas Asiaticos eousque protendi.
Et licet incertus quidam rumor pervagaretur , Portu-
gallenses in Orientem eousque progressos, ut limitibus suis
transcensis in Castellanorum terminos venerint, Malac-
cham et sinum magnum intra nostrasfines contineri. Omnia
tamen dicta potius quam credita fuere, donec ante qua-
driennium Ferdinandus Magellanus Portugallensis,
vir clarus, et qui multis annis Portugallensium navium prae-
fectus oras totius orientis peragrarat , in odium regis sui,
quem in se ingratissimum querebatur, et Christophorus
Har o frater soceri mei, qui ex Ulyssipone, quam vulgo
Lisbonam vocant, per suos multis annis ^) in oriente illo et
tandem cum Sinarum populis mercaturam fecerat, ita ut
earum rerum magnum usum haberet , (is quoque iniuria a
Portugallensium rege accepta se in Castellam patriam
recepit) : Caeseri ostenderent , nondum quidem satis com-
pertum, utrum Malaccha Castellanorum finibus aut Por-
tugallensium contineretur, propterea, quod hactenus nulla
certa longitudinum ratio inveniri potuisset; satis tamen
constare, sinum magnum et Sinarum populos ad Castel-
lanorum navigationem pertinere. Hoc item haberi longe
certissimum, insulas, quas Moluccas vocant, in quibus
aromata omnia gignerentur, et inde inMalaccham ad-
veherentur, in occidente Castellanorum contineri, posseque
*) So in der römifchen Ausgabe von 1524; „per suos inultus
annos" in der editio princeps; Grynaeus beffert: „per suos multos
annos". Es ifl übrigens, wie man fieht, im ganzen Satze die Con-
(Iruction etwas locker.
— 114 —
ad illas navigari, et inde aromata facilius minoreque im-
pensa et pretio tanquam ex nativo solo in Castellam
deportari.
Ratio navigationis erat, ut ex occidente subter inferius
hemisphaerium in orientem usque navigarent. Res pene
ardua et vana visa est. Non quod grave existimabatur, recta
ex occidente in orientem subter hemisphaerium vehi i), sed
quod incertum esset, utrum ingeniosa natura, quae nihil non
summa cum providentia constituit, ita orientem ab occidente
partim mari partim terra distinxisset, ut hoc itinere et navi-
gationis cursu ad orientem perveniri posset Non enim com-
pertum erat, utrum illa ingens regio, quam ter ram fir-
mam vocant, occidentale mare ab orientali disterminaret,
liquebat continentem illam ab austro in meridiem et inde in
^) Ich vermuthe, dafs fich diefe Bemerkung auf die damals in eini-
gen Koepfen bereits wieder aufdëmmerode Idee voo der Axen-Drehung
der Erde bezieht, die aber leider gerade von berufeniler Seite be-
kampft und lacherlich gemacht wurde. Vergl, die nachfolgende merk-
würdige Stolle, welche J. Schoner in feinem „Opusculum Geogra-
phicum** (Pars I. cap. 2) mittheilt unter dem Titel : „An terra moveatur
an quiescat, Joannis de Monte Regio disputatio'*:
„. . . . quidam antiqui opinati sunt, quod coelum quiesceret et
terra moveretur super polis suis circulariter, in die faciendo unam revo-
lutionem ab occidente versus orieutem. Ita imaginabantur, quod terra
haberet sicut assatura in veru, et Sol sicut ignis assans Terra
non movetur circulariter ab occidente versus orientem super polis suis
et centro motu diurno, ut isti opinabantur. Patet, quasi sic, diffïcilius
esset ire contra occidentem quam orientem, quod est contra experien-
tianL Oporteret enim aërem terrae vicinum etiam ita moveri, qui esset
ambulant! impedimento. Aves etiam non possent bene volare contra
orientem propter aërem insequentem, qui pen nas earum elevaret*' etc. —
Regiomontan war alfo ein entfchiedener Gegner der Theorie von der
Erdbewegung. Seltfamer Weise aber haben ihn Neuere als Vorlaeufer
des Copernicus hïnftellen wollen! (Vergl. über diefe Verfuche u. A.
Al. Ziegler: „Regiomontanus" etc. p. 45 n. 60 f.; S. Günther:
„Studiën zur Gefch. d. math. und phyfik. Geographie" p. 35 f.
R. Wolf: „Gefch d. Aftronomie" p. 231.)
— iiS —
occidentem vergere. Repertas etiam ad septentrionem re-
giones duas, quarum alteram Baccalearuma novo genere
piscium, alteram terram floridam vocant, quae si
terrae huic firtnae coniungerentur, nequaquam ex occidente
in orientem posse deferri : cum nihil de freto aliquo hujus
terrae, quod transiri posset, licet diligentissime magnisque
labpribus perquisitum, nunquam tarnen inventum esset. Per
Portugallensium autem limites et orientem, rem incertam
et longe periculosissimam judicabant.
Qua de re Caesari et suis visum est, eos quidem rem
ut magnae spei, sic majoris difficultatis polliceri. Cumque
uterque in diem duceretur, obtulit Magellanus sese iturum
Christophorus autem impensis suis et suorum classem in-
structurum, dummodo autoritate et auspiciis Caesaris na-
vigare liceret. In quo dum obstinatius persisterent, paravit
Caesar ipse classem quinque navium, et huic Magellanus
dux praeficitur. Mandata erant, ut ad littora terrae firmae
versus austrum navigarent, donec illius regionis aut finem
aut fretum aliquod invenirent, per quod ad odoriferas illas
Moluccas perveniri posset
Solvit itaque Magellanus die decimo Augusti i),
Anno iSig quinque navibus ex Hispali. etc.
*) Diefes Datum bezieht fich auf die Abfahrt von Sevilla. An der
Mündung des Quadalquivir im Hafen von San Lucar de Barrameda
wurde dann Magalhdes noch über einen Monat aufgehalten, und erft
am 20. September 15 19 ftach er in See. Vergl, J. G. Kohl: „Ge-
fchichte d. Entdeckungsreifen und Schifffahrten zur Magellans-Strafse etc."
p. 18 f.
8»
— ii6 —
m.
Johannes Schoner:
De nuper sub Castiliae ac Portugaliae regibus
serenissimis repertis insulis ac regionibus.
Diefe Flugfchrift Schöner's^) ift eine bibliographifche
Raritat erften Ranges. Nur fehr wenige Exemplare find
auf uns gekommen: eines davon befindet fich in der
k. k. Hof-Bibliothek zu Wien, ein anderes befitzt das British
Mufeum in London.
F.A. deVarnhagen publicierte einen diplomatifch
genauen Abdruck nach dem Wiener Exemplare unter
dem Titel; ^tRéimpression fidele d'une lettre de Jean
Schoner, a propos de son globe, écrite en iS23*. St Pe-
ters bourg, Imprimerie de Röttger und Schneider 1872.
Diefe Schrift, nur in 40 Exemplaren gedruckt, ift, fo viel
ich weifs, nicht in den Buchhandel gekommen.
Nach Varnhagen's Anficht ift uns die in Rede fte-
hende Flugfchrift nur lückenhaft crhalten, und er erklart
aus diefem Umftande das ganzliche Ignorieren derFahrten
des Amerigo Vespucci in der kurzen Ueberficht der Ent-
deckungsreifen, welche Schoner feinem Dedications-
Schreiben einfügte 2). Allein diefes argumentum ex silentio
ift nicht ftichhaltig. Einmal ftimmen die erhaltenen Exem-
plare ganz genau mit einander überein 3), und dann findet
fich die incriminierte Lücke bereits in dem von Schoner
benützten Flugblatte : ^tEin Schone Newe zey tung so kay-
*) Vergl. über diefelbe auch oben p. 73 ff.
*) „Jo. Schoner e. P. Apianus (Benewitz), influencia de um e
outro etc." p. 5311.
«) Varnhagea conftatiert das in der feiner „Réimpression fidele"
angefügten „Advertencia" felbft, halt aber merkwürdigerweife trotzdem
an feinen diesbezüglichen Zweifeln und Bedenken feil.
— 117 —
serlich Mayestet aufs India yetz nemlich zukomtnen seind.
Gar hüpsch von den Newen ynseln, vnd von yrem sitten
gar kurtzweylig züleesen'. s. 1. et a. [i522] *). Schoner hat
die Reihenfolge der Expeditionen einfach aus feiner Vor-
lage entlehnt.
H. Harriffe führt unfere Abhandlung Schöner's
weder im Texte unter dem Jahre iS23, noch in der
^Chronological Table* an. Dagegen erwahnt er diefelbe
beim Jahre 1 549, zugleich mit ƒ. Honter's: ^jRudimen-
torum Cosmographicorum libri III. • Tiguri apud Fro-
schouerum 1549.
^Title of the second treatise :
De nuper suo [1] Castiliae ac Portugaliae Regibus Se-
renissimi [!] repertis Insulis ac Regionibus, Joannis Schoner
charolipotani [!] epistola et Globus Geographicus , seriem
navigationum annotantibus. Clarissimo atque dissertissimo
viro Domino Reymero de Streytbergk, ecclesiae Baben-
bergensis Canonico dicata [!].
.... four unnumbered leaves for the second treatise
(which is sine anno et loco, with a new set of signatures,
but seems to have been printed at the same time)'. 2)
Ein flüchtiger Vergleich* diefes Titels mit dem unten
folgenden des Wiener Exemplares genügt, um zu zeigen,
dafs es fich hier nicht um ein weiteres Exemplar des
Druckes von iS23 handelt, fondern um eine zwei te Aus-
gabe, refpective einen ziemlich flüchtigen und fehler-
haften Nachdruck unferer Flugfchrift. Urfprünglich nur
als Dedications- und Begleit-Schreiben für den Globus
von i523 abgefafst, fcheint die kleine Abhandlung als
überfichtliche Skizzierung der wichtigften Entdeckungs-
Expeditionen auch in weiteren Kreifen Eingang und An-
klang gefunden zu haben.
*) Vergl. oben p. 75 n.
2) B. A. V. Additions p. 168.
— Ii8 —
De nuper sub Castiliae ac Portugaliae Re-
gibus Serenissi mis repert is InsuUs ac Regioni-
bus, Joannis Schoner Charolipolitani epistola
et Globus Geographicus, seriem navigationum anno-
tantibus, Clarissimo atque disertissimo viro Domino Rey-
mero de Streytpergk, ecclesiae Babenbergensis Canonico
dicatae.
Cam nova delectent fama testante loqoaci,
Que recreare queunt, hic nova lector habes').
Cum privilegio Imperiali denuo roborato ad annos
octo etc.
Clarissimo atque disertissimo viro domino Reymero
de Streytpergk, Reverendissimi in Christo patris et domini
Vuigandi episcopi Babenbergensis in spiritualibus Vicario,
*) Diefes Diflichon fteht vor den „Quatuor Americi Vesputii na-
vigationes" in M. Hylacomylus' „Cosmographiae Introductio" (St.
Deodati 1507), ift alfo wie das in dem genannten Bache unmittelbar
vorangehende Decastichon ohne Zweifel Fabricat „ejus, qui subsequen-
tem terrarum descriptionem de vulgari Gallico in latinum transttilit*'.
Wir dürfen alfo als den Verfafler den lothringifcben Canonicus Joh.
Basinus 3endacurius verehren, der bei feinen Zeitgenoflfen als „Insignis
poeta" galt; neuerdings fcheinen dagegen feine poetifchen Talente
weniger ungetheilte Anerkennung zu fïnden, R. H. M a j o r fpricht fogar
in ziemlich defpectierlicher Weife von denfelben (Memoir on a mappe-
monde by Leon. da Vinci p. 31).
Der Name des Ueberfetzers der „quatuor navigationes" ift uns
aufbewahrt in dem fehr koftbaren Büchlein von Walter Lndd:
„Speculi orbis Declaratio". Argent. 1507. Vergl. darüber R. H. Ma-
jor 1. c. p. 21 ff. und „The life of Prince Henry of Portugal" p. 382 ;
D*Avezac, Martin Hylacomylus etc. p. 60 ff. Beide Gelehrte kann-
ten von diefer intereffanten Flugfchrift nur e in Exemplar, das im
Befltze des British Museum in London. Es bewahrt Indeffen noch
ein zweites Exemplar die k. Hof-Bibliothek in Wien, tmd ein drittes
fand ich in einem Sammelbande der Leipziger Univerfitèlts-Bibliothek.
— 119 —
et ejusdem ecclesiae Imperatoriae Canonico dignissimo,
Joannes Schoner Charolipolitanus S. D.
Cum rerutn novitas animos hominum plerumque con-
ciliari soleat, ac inatnicos reddere mitiores: quidam dig-
nitate non infimi crebris precibus a me factum contenderunt,
si quid earum penes me esset, ad tuam praestantiam trans-
mittere curarem. Cogitanti ergo mihi, ut promptius tuam
benevolentiam assequi possem ^), mentem subiit, versatus
in manibus globus, qui universi orbis rotunditatem com-
plectitur, si tibi utpote patrono clementissimo destinandus
foret. Cuius abditissimi recessus jam nostra aetate invictis-
simorum Castiliae atque Portugaliae regum non tam la-
boriosa navigatione, quam impensarum ubertate peragrati
sunt. Sed cum antea identidem saepius fuisset tentatum,
partim inedia sumptuum, partim navium vastatione dejecti
inchoati facti executionem minime consequebantur. Quin
etiam nee Geographorum quispiam eo stilum direxit, qui
adeo remotarum a nostro orbe regionum insularum vestigia
calcasset, tametsi Ptholemeus, eorum facile princeps, in^
fimarum mundi partium secretiora se pene lustrasse putarit.
Nee Senatus ipse Romanus eo usque migraverat, cum
subacto sibi orbe solicitus terrae situm metiri conaretur.
Posthac certiori habita deliberatione Serenissimus Por-
tugaliae rex omnia ad usus rerum necessarios comparari
classeque robustiore instructa eandem navigandi diffi-
cultatem subire praecepit. Itaque Vascho de Gamma
') Schoner hatte üch die Ungoade des Herrn Canonicus ohae
Zweifel dadurch zugezogen, dafs er der reformatorifchea Bewegung ein
zu warmes Interefle entgegenbrachte. Schoner bekannte fich übrigens
bald auch off en zur neuen Lehre, und wurde dann 1526 auf den Rath
Ph. Melanchthon*s als Profeflbr der Mathematik an das neu gegründete
Gymnaflum in Nümberg berufen. Bis zu feinem Tode (land Schoner
in engen freundfchaftlichen Beziehungen zu Melanchthon ; diefer fchrieb
ihm auch eine fehr warm gehaltene Grabfchrift.
— 120 —
nauarchus vela versus meridiem orientemque pandens
tantum pelagi hausit, ut Calecuttam atque Melaccam
florentissimas Indiae privincias concederet. Interim poten-
t'ssimus Castelliorum rex non minus victualium disposita
oportunitate per Christophorum Columbum nau-
clerum suum triremes ad occasum jactans Antiglias,
Hispaniolam, Cubam quoque insulas ac caeteras
hominum mansiones repperit Verum ne alter memora-
torum regum in iisdem provintiis partiendis plus aequo
suae ditióni arrogaret, quo pacis conditio solvi possit,
Sanctissimi papae Alexandri sexti judicio decernitur, ut
porrecta linea a polo Arctico adversum Antarcticum
contingens ex utroque latere scindat et utrique sua na-
vigatio succederet. Haec anno incarnationis Christi Mil-
lesimo quadringentesimo nonagesimo secundo cum peracta
certum habeatur.
Anno deinde Millesimo quadringentesimo nonagesimo
octavo idem Castiliae rex praedictum Colombum naviga-
tionis praefectum ad rimandas terrae latebras longe in-
feriores destinavit, qui eo itinere mirae magnitudinis et
quasi alterum mundum, provinciam cognitam accepit, cui
vocabulum Terra firma est. Unde tractus maris ulteriores
navium periculo experiri nequiens retorsis velis Castiliam
rediit. Regis vero animus magis magisque penitioribus
exterarum gentium dignoscendis accensus ad instaurandas
alias naves excitatur, si quid forte ultra Terram firmam
situm offenderetur, velutiParicis et Vraba, regiasaures
non transiret Ubi etiam superbis prominentia structuris
aedificia, oppida cognita sunt. Auri quoque margaritorum
gemmarum et si qua alia preciosa illic habentur, regi ad-
vecta, sed nee tantis novitatibus saciatus rex; delecto
nauta Ferdinando Corleso solvuntur rursus funes,
jactantur in aequore puppes. Qui Ferdinandus assumpta
velificatione anno virginei partus Millesimo quingentesimo
— 121 —
decimo quinto *) post superatos maris fluctus, post multa-
rmn regionum peritiam ad Mexico amplissimae latitudinis
pr€>vinciam applicuit.
Denique legationi alterae usitatissimum arte nautica
Ferdinandutn Mogellanutn [!] Portugaliensem prae-
fecit, qui profectionis suum initium sutnens Anno Millesimo
quingentesimo decimonono, die decimo Augusti, iniqua
sorte interceptus est; successorem reliquit Joannem
Serranum, pari fato absumptum, cujus alter quidam
sulcans vestigia in remotissimas freti partes naves traiecit,
adeo ut universum orbis gyrum triennio ambiret. Verum
quam saepe periculis circum actus, quam crebra incom-
moda passus, tuum erit magis animo pensitare, quam
calamum scribendo prolixius occuparem. Singulis tamen
peragratis, ut non locus supersit, quem reliquisset intenta-
tum, vela ad Castiliam repetendam reflectit, quam ingres-
sus est anno Christi Millesimo quingentesimo vigesimo
securrdo, sexto die decembris^) unico navigio, militum
numero decem et octo stipatus, caeteris maris impetu ab-
sorptis. Quam vero mirabiles rerum eventus, quam tetras
hominum ac caeterorum animalium formas experti sint, ea
Epistola tua dignitas abunde cognoscet, que de Moluc-
01 s insulis ad Reverendissimum Cardinalem Saltzbur-
gensemper Maximilianum Transilvanum directaest.
Ego tam mirifice orbis pervagationi nonnihil volens
adiicere, ut quae lectu videantur mirabilia, aspectu cre-
dantur probabiliora, Globum hunc in orbis modum effin-
gere studui, exemplar haud fallibile aemulatus, quod Hispa-
niarum solertia cuidam viro honore conspicuo transmisit.
*) Diefes Datum, fowie auch die Lefeart „Co r les o" entlehnte
Schoner aus feiner Vorlage „Ein Schone Newe zeytung."
2) Rectius „Septembris". Es ift das ein lapsus calami Schöner's
felbft, denn fowohl die „Schone Newe zeytung aufs India", als auch der
Brief deax. Ms Transilvanus enthalten das richtige Datum.
— 122 —
Nee ob id quem antea glomeraveram abolitum iri volens,
quippe qui eo tempore, quantum phas erat homini abdita
mundi penetrare, abunde expressit, modo sese consona
admissione patientur, quod invenienda inventis non obstent.
Accipe igitur hunc a me formatum globum ea animi
benignitate, qua eum laborem ad tui nominis honorem
lubens aggressus sum. Cognoscam profecto meas lucu-
bratiunculas tuae celsitudini nullatenus despectui fore. Vale.
Timiripae*), Anno Incarnationis dominicae Mille-
simo quingentesimo vigesimotertio.
^) Derfelbe Name fÏDdet fich auch noch in einem anderen, ebenfo
feltenen Werkchen Schöner's: „Tabulae radicum extractarum etc" —
„T i m i r i p e : excusum in aedibus Joh. Schoneri, 152 4."
F. A. de Varnhagen halt Timiripa fUr Erfurt. („Schoner
e Apiano" etc. p. 56.) Allein abgefehen von der etwas gewagten
Etymologie lafst fich eine derartige Gracifienmg des Namens Erfurt
meines Wiffens anderweitig nicht belegen. Schoner felbft fchreibt in
feinen geographifchen Compendien: „Erfordia, Biturdium a Ptholemeo
appellata" [Luculentissima quaedam terrae totius descriptio f. 31b.], und
„Erdfordia . , a Ptol. forte Bicurgium" [Opusculum Geographicum
Pars II. cap. 5].
„Timiripa" fcheint mir eher ein Bamberger Local-Name zu fein, wie
Schoner auch die Widmung an den Bamberger Bifchof in der Lucul.
q. terrae t. descriptio datiert: „Ex imperiali civitate tua Bamberga,
in casula mea apud S. Jacobum".
Nachtraege.
Zu S. 22, D. 2. Das Buch J. Honter's: ,,Rudimentorum cosmo-
graphiae libri duo<' erfchien bereits 1530 „Cracoviae Mat-
thia3 ScharfTenbergius excudebat**. Die Krakauer^Ausgabe
von 1534 iil mit der erfleren gleichlautend. VergL die
forgfaltige BibÜographie der HonterTchen Werke von G.
D. Teutfch im „Archiv des Vereines fttr fiebenbürgifche
Landeskunde", N. F Bd. XIII. p. 137 ff. Die von mir
oben erwUhnte Weltkarte mit dem Namen America kennt
Teutfch nicht. Eine ausführliche Würdigung der geogra-
phifchen Arbeiten Honter's gibt Fr. Teutfch 1. c. Bd. XV.
p. 586 ff.
„ 38, Z. 4 lies: ,,die Bezeichnung'' Air „der Name".
»» 43» tt 16 „ „Strafse" fiir „Strecke".
»> 45» » 15 i> «Vnd als fie wider«*.
1) 60, „ 3 V. u. lies: ,J. Lelewel, Atlas, Planche IX."
„ „ 61, n. I. Die islandifche Radkarte, welche ein grofses Südland
„Synnri bygd" verzeichnet, befindet fich auf der kgl. Bib-
liothek in Kopenhagen; eine Abbildung davon publicierte
Jomard: „Les Monuments de la Géographie", Nr. XIU, 3.
INHALT.
Seite
Vorwort ...«»»...««V
I. Der Nüroberger Globus Schöner's vom J. 1520 . , l
II. Die Quelleo Schöner's ....... 9
m. Dev GMmb Sc&öDer'ji tob J. 15x5 19
I¥. Die QAcUe Schënci'» ftr feme DariUlliii^ der fUdlichen
Burdifiiittt 28
V. Die Stiaiae 41
VL Die sAfeblidM ICarte dés Martia Behai» mit der Magalh&es-
Strafse,. und das Weftbild des liooardo da Wktd 48
¥11. Dier Aailral-Comtioent ........ $9
THE. Spaietere Globco des Joh» Schöaor ...... 73
BEILAGEN.
1. Die Flugfchrift „Copia der Newen Zeytnng aufs Ptesffllg Laodt'* 85
II. Maximilianus Transilvanus :• De Molaccis insulis . . 107
UI. Joh. Schoner: De nuper sub €astiKae ac Portugaliae regiftss
seren. repertis insulis et regionibns . . . . .116
kakten:
L GIbbus des J. Schoner a. d. J. 1520.
II. Glsbus des J^ Schoner a. d. J. 15 15.
UI. Wellliche Hemisphaere nach der Weltkarte des Lionardo da VincL
IV. Südliche Hemisphaere der Weltkarte des Orontius Finaeus a. d.
J. 1531.
V. Südliche Hemisphaere des Globus von J, Schoner a. d, J. 1533.
fJÓiiw
i\
.O
j:^- ■ ■
VI v
V
\
■•" kïl'.v'' <•»
■ :. •;'i
Verlag der
WAGNER'schen Universitats-Buchhandlung in Innsbruck.
Das Pflanzenleben der Donaulander
voa
A. Kerner.
S^ 1863. Preis fl. 3.— •
Die
Kultur der Alpenpflanzen
von
A. Kerner.
80- 1864. Preis fl. i. 20 kr.
Die Italien.er
im tirolischen Provinzialverbande
von
Dr. Hermann Ign. Bldermann.
80. 1874. Preis fl. 2. 50 kr.
Romer und Romanen
m den Donauldndern,
Historisch -ethnographische Studie
von
Dr. Julius Jung.
80- 1877. Preis fl. 2. 80 kr.
Rechtsstaat und Socialismus
von
Dr. Ludwig Gumplowicz.
80- 1880. Preis fl. 5. 40 kr.
Das Recht
der Nationalitaten und Sprachen
in Oesterreich-Ungarn
von
Dr. Ludwig Gumplowicz.
80- 1879. Pï^eis fl. 3.—
W«i:n«r*aehe Univ.-Buchdruokerei In Innibraok.
'.: ■■,*
b ■•